20 Jahre Gentechnik-Volksbegehren - Wo stehen wir heute?

12. April 2017

Im Jahr 1997 unterzeichneten über 1,2 Millionen Menschen in Österreich das Volksbegehren gegen den Einsatz von Gentechnik. Wurden vor 20 Jahren noch intensive Diskussionen um den Einsatz dieser Technologie geführt, gibt es heute in Österreich eine breite Allianz gegen den Einsatz von Gentechnik. Im Supermarkt werden keine GV-Lebensmittel angeboten und es werden keine GV-Pflanzen auf dem Feld angebaut. Vor welchen Herausforderungen stehen wir heute?

In Österreich wurden die Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens erfolgreich umgesetzt. Zugleich fand in den vergangenen 20 Jahren ein Paradigmenwechsel statt. Heute gilt Österreich europaweit als Vorreiter für gentechnikfreie Lebensmittel und eine gentechnikfreie Landwirtschaft der alle Stakeholder, insbesondere auch die Landwirtschaft, miteinschließt.

Forderung 1: Kein Essen aus dem Genlabor

Bereits im Juni 1997 wird aus einer Allianz von NGOs, Supermärkten und Verarbeitern die Arge Gentechnikfrei gegründet. Ihr Ziel ist es, gentechnikfreie Lebensmittel auf dem Markt zu bringen. Hier ist viel gelungen: mittlerweile ist die gesamte in österreichische Milch- und Hühnerfleischbranche auf gentechnikfreies Futter umgestellt. In einem nächsten Schritt wären Schweinefleisch- und Rindfleischbranche dran. Hier werden in der konventionellen Landwirtschaft noch fast flächendeckend gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt.

Was noch zu tun wäre: Eine klare Kennzeichnung der Lebensmittel, die von Tieren stammen, an die gentechnisch veränderte Futtermittel gefüttert wurden.

Forderung 2: Kein Anbau von gentechnisch veränderten Organismen

In Österreich werden keinerlei GV-Pflanzen angebaut, weder zu kommerziellen noch zu Forschungszwecken. Seit es EU-rechtlich die Möglichkeit gibt, national den Anbau von GV-Pflanzen zu verbieten, nehmen EU-weit gemeinsam mit Österreich, 19 Länder diese in Anspruch. Weltweit wurden nach Angaben des Gentechnik-Interessensverband ISAAA im Jahr 2015 auf rund 180 Millionen Hektar, dies entspricht etwa 3,6 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. In Europa wird die GV-Maispflanze MON 810 in Spanien in nennenswertem Umfang sowie in Portugal, Rumänien, Slowakei und Tschechien in kleinen Mengen angebaut. Der MON 810 steht gerade vor seiner Wiederzulassung und zwei GV-Maispflanzen (Mais 1507 und Mais Bt 11) vor einer Neuzulassung in der EU. Es ist davon auszugehen, dass die EU-Kommission alle drei GV-Pflanzen zulässt. Die Mitgliedsstaaten haben sich – wie bereits in den vergangenen Jahren – auf keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen die Zulassung dieser drei GV-Pflanzen geeinigt.

Forderung 3: Kein Patent auf Leben

In Österreich sind Patente auf konventionelle Züchtung verboten. Die Praxis des Europäischen Patentamtes in München Patente auf konventionelle Züchtung zu erteilen (z.b. Tomaten, Broccoli, Braugerste) hat europaweit – auch aus Österreich – zu erheblicher Kritik geführt. Daher forderte das Europäische Parlament die EU-Kommission auf, die EU-Biopatentrichtlinie so auszulegen, dass Patente auf konventionelle Züchtung auszuschließen sind. Die EU-Kommission hat diesem Wunsch gefolgt und dies in ihrer Stellungnahme zur Auslegung der EU-Biopatentrichtlinie im Dezember 2016 klarstellt. Was noch zu tun wäre: Der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes hat nun die Möglichkeit zu beschließen, dass zukünftig seitens des Europäischen Patentamtes keine Patente auf konventionelle Züchtungen mehr vergeben werden. Unter anderem lehnen Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Österreich derartige Patente ab.

Neue Herausforderungen – Gentechnik durch die Hintertür?

Die Diskussion um „Neue Methoden in der Pflanzenzüchtung (New plant breeding technologies)“  rollt die Debatte um den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen wieder neu auf. Mit neuen Techniken wie TALEN, ODM oder CRISP-Cas soll die Pflanzenzüchtung revolutioniert werden. Das neue und besondere dieser Verfahren: Es können sehr gezielte Veränderungen im Erbgut der Pflanze, des Tieres oder am Menschen vorgenommen werden, ohne das eine artfremde DNA eingebracht werden muss. Dadurch erwarten sich Forschung und Industrie viel einfachere, raschere und kostengünstigere Veränderungen im Genom als mit der herkömmlichen Gentechnik, sowie neue Anwendungen, zum Beispiel neue Lösungen im Umgang von Pflanzenkrankheiten. Die Auswirkungen dieser neuen Produkte für die Gesundheit von Menschen, Tieren und die Sicherheit für die Umwelt ist noch wenig erforscht. Seitens der Saatgutindustrie wird gewünscht, Produkte diese neuen Technologien ohne strenges Zulassungsverfahren, das eine umfassende Risikobewertung miteinschließt, auf den Markt zu bringen. Seit 2006 wird auf EU-Ebene intensiv eine rechtliche Debatte dazu geführt, ob die neuen Züchtungstechniken unter die EU-Gentechnikgesetzgebung fallen sollen oder nicht. Je nachdem, wie es bewertet wird, sind Risikoabschätzungen, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnungspflicht damit verbunden. Die Schweizer Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Außerhumanbereich kommt in ihren Überlegungen zu dem Schluss, dass bei der Bewertung der neuen Verfahren sowohl das Verfahren als auch das daraus resultierende Produkt geprüft werden müssen. In Österreich beginnt die Debatte: Die AGES hatte Ende Jänner 2017 zu einem Austausch unter Expertinnen eingeladen. Bei dieser wurden ua auch die aktuellen rechtlichen Fragen vorgestellt.

Fazit

Die Forschung der neuen Methoden in der Pflanenzüchtung ist zwar noch sehr jung aber auch sehr dynamisch. Die Verankerung des Vorsorgeprinzips wie sie das Zentrum für Biosicherheitsforschung in Norwegen vor Zulassung der Produkte vorschlägt wäre sicher sinnvoll. Im Sinne der Wahlfreiheit für KonsumentInnen sollten die Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnung der Produkte gewährleistet sein. Die heutige Debatte erinnert stark an die Diskussionen vor mehr als 20 Jahren zu Zeiten des Gentechnik-Volksbegehrens.