Investitionsschutz – die Rechnung zahlt der Staat

07. Februar 2019

Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten gehören bald der Vergangenheit an. Gegenüber Drittstaaten sind sie nach Ansicht der EU-Kommission hingegen nicht wegzudenken. Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen.

Weite Schutzstandards

Die in völkerrechtlichen Abkommen festgelegten Schutzstandards für ausländische Investitionen gehen weit über Eigentumsrechte in nationalen Rechtsordnungen hinaus. Für die Rechtsdurchsetzung stehen Schiedsgerichte zur Verfügung (ISDS-System). Die Rechnung zahlt in der Regel der Staat. Es gibt eine feste Rollenverteilung: Der Investor befindet sich stets auf der Klägerseite, der Staat auf der Beklagtenseite. Den umgekehrten Fall gibt es nicht.

Ende der Schiedsgerichte im Binnenmarkt

Im März 2018 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Schiedsgerichte zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, die sich auf Abkommen zwischen EU-Staaten gründen, mit Unionsrecht unvereinbar sind (Achmea-Urteil). 22 EU-Staaten, darunter Österreich, erklärten daraufhin, ihre Intra-EU-BITs beenden zu wollen. Der EuGH begründete seine Entscheidung damit, dass die Autonomie und einheitliche Auslegung des Unionsrechts gefährdet sind, wenn Rechtsstreitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden. Denn Schiedsgerichte haben mitunter Unionsrecht anzuwenden und auszulegen, ohne dabei – im Gegensatz zu staatlichen Gerichten – der Kontrolle durch den EuGH zu unterliegen.

Investitionsschutz in CETA

Im Oktober 2016 haben die EU und Kanada das CETA-Abkommen unterzeichnet. Der EuGH wurde mit der Frage befasst, ob der in CETA enthaltene Mechanismus zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten mit Unionsrecht vereinbar ist. Am 29. Jänner 2019 verkündete der Generalanwalt seine Rechtsansicht. Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht sei gegeben. Die Entscheidung des EuGH steht aber noch aus und wird mit Spannung erwartet.

Rechtliche Fragestellungen

Der Generalanwalt prüfte den in CETA enthaltenen Mechanismus zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten anhand von drei Fragen. Erstens die Frage, ob die ausschließliche EuGH-Zuständigkeit für die Auslegung des Unionsrechts gefährdet ist. Zweitens die Frage, ob ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegt. Drittens die Frage, ob das Grundrecht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht gewahrt wird.

Ungleichbehandlung?

Zur zweiten Frage ist anzumerken, dass der Streitbeilegungsmechanismus den Investoren der jeweils anderen Vertragspartei offensteht. D.h. kanadische Investoren sind in der EU und EU-Investoren in Kanada geschützt. EU-Investoren in der EU genießen keinen speziellen Schutz. Hier stellt sich die Frage, ob dies mit dem Gleichheitssatz der EU („Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich“) in Einklang steht. Der Generalanwalt sieht kein Problem. Eine allfällige Ungleichbehandlung sei „objektiv gerechtfertigt“ aufgrund des Ziels, ausländische Investitionen zu fördern. Die EU habe ein weites Ermessen bei der Ausgestaltung der auswärtigen Beziehungen. Es bedürfe daher keiner (bzw. einer nur sehr beschränkten) Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Hier wäre es interessant geworden …

Dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, wird für gewöhnlich nicht bereits aufgrund des Vorliegens eines bestimmten Zieles angenommen. In der Regel wird in einem nächsten Schritt geprüft, ob die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht. Hier wäre die Frage zu stellen, ob der Zugang ausländischer Investoren zu (und Ausschluss inländischer Investoren von) einem Streitbeilegungsmechanismus in einem angemessenen Verhältnis zum Ziel, der Förderung ausländischer Investitionen, steht. Wissenschaftliche Belege für steigende Investitionen infolge von Abschlüssen von Investitionsschutzabkommen unter entwickelten Ländern gibt es kaum. Da der Generalanwalt die Verhältnismäßigkeit nicht geprüft hat, spielt diese Frage jedoch keine Rolle. Eine aktuelle OECD-Meta-Studie gelangt jedenfalls zu dem Ergebnis: Es werden viele Behauptungen aufgestellt, doch gibt es nur wenige empirische Untersuchungen zu gesellschaftlichen Kosten und Nutzen von Investitionsschutzabkommen.

Rechte für Menschen, Regeln für Konzerne!

KritikerInnen sehen vor allem die Gefahren und Nachteile. Deutschland wurde beispielsweise infolge des Ausstiegs aus der Atomkraft vom Investor Vattenfall auf Schadenersatz geklagt. Eine neue europäische Kampagne fordert das Ende von Investitionsschutzbestimmungen. Stattdessen sollten weltweit Menschenrechte gestärkt werden und ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten (UN Binding Treaty) abgeschlossen werden.