Die neue Außenwirtschaftsstrategie zeigt erneut, dass die Regierung vor allem die Unternehmensinteressen im Blick hat. Die Strategie ist von einer ausgeglichenen Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen weit entfernt. Statt die Beschäftigten und die Bevölkerung in den Mittelpunkt zu rücken, werden die Unternehmen hofiert.
Mehr als einseitige Exportorientierung und Wettbewerbsfähigkeit
Die Außenwirtschaftsstrategie gliedert sich in sieben Bereiche, die letztlich die „Sicherung und weitere Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und des Exportpotenzials der österreichischen Wirtschaft“ zum Ziel haben.
Georg Feigl hat an anderer Stelle hier auf diesem Blog bereits gezeigt, dass eine einseitige Exportorientierung einen zentralen wirtschaftlichen Aspekt vernachlässigt – nämlich die Gesamtnachfrage. Durch das Umlegen unternehmerischer Logiken auf ganze Nationalstaaten gerät die Entwicklung des Wohlstands einer Gesellschaft aus dem Blick.
Eine solche Verschiebung lässt sich nun auch in der neuen Außenwirtschaftsstrategie verorten. Der Tenor aller sieben Schwerpunkte ist ähnlich: Letztlich geht es darum, das Umfeld für Unternehmen attraktiver zu gestalten.
Beispiel: Handelspolitik in der Außenwirtschaftsstrategie
Am Beispiel der Handelspolitik lässt sich die unternehmenszentrierte Herangehensweise verdeutlichen. Die Außenwirtschaftsstrategie sieht vor, dass sich Österreich in der Debatte um die Modernisierung der WTO besonders dafür einsetzt, dass „die Anliegen der Unternehmen in allen Verhandlungen verstärkt Berücksichtigung finden“. Auch wenn es um die bilateralen Handelsabkommen geht, stehen vor allen die Unternehmen im Zentrum der Außenwirtschaftsstrategie. Die Regierung erklärt, die Umsetzung der Abkommen vor allem für Unternehmen besser gestalten zu wollen.
Doch gerade diese Handelsabkommen stehen schon lange in der Kritik. Denn es geht nicht mehr ausschließlich um Zölle. Mit den sogenannten Abkommen neuerer Generation geraten zunehmend auch nationalstaatliche Regulierungen als Handelshemmnisse in den Blick. Die Verträge schreiben regulatorische Verpflichtungen und die Harmonisierung von Standards fest, die besonders die Interessen großer exportorientierter Konzerne widerspiegeln, wie der Ökonom Dani Rodrik argumentiert. Und auch der Investitionsschutz stellt die Interessen von Unternehmen vor jene der Gesellschaft. Durch sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren haben Unternehmen die Möglichkeit, Staaten auf Schadenersatz zu klagen, wenn staatliche Maßnahmen ihren Profit beeinträchtigen.
Daraus folgt, dass ArbeitnehmerInnen und ihre Arbeitsplätze nicht nur durch den Abbau von Zöllen und damit einhergehende größere Konkurrenz auf dem Weltmarkt betroffen sein können, sondern ebenfalls durch eine Einschränkung staatlichen Handlungsspielraums.
Eine Antwort auf diese breit geteilte Kritik, die z. B. in dem von 562.000 Personen unterzeichneten Volksbegehren „TTIP und CETA stoppen“ im Jahr 2017 Ausdruck gefunden hat, findet sich in der Außenwirtschaftsstrategie nicht. Mögliche Folgen von liberalisierten internationalen Märkten, wie steigende soziale und regionale Polarisierung, werden ebenfalls nicht thematisiert. Dabei existieren mittlerweile eine Vielzahl von Alternativen. Ansatzpunkte hätten etwa sanktionsfähige Nachhaltigkeitskapitel der EU-Handelsabkommen sowie eine Abkehr vom Investitionsschutz geboten. Statt der Bevölkerung und der Beschäftigten werden in der Außenwirtschaftsstrategie Unternehmen erneut ins Zentrum gerückt.
Partizipativer Prozess kaum mehr als ein Lippenbekenntnis
Schließlich zeigt sich auch im Prozess zur Ausarbeitung der Außenwirtschaftsstrategie ein Ungleichgewicht zwischen unterschiedlichen Interessen: Ausgearbeitet wurde die Außenwirtschaftsstrategie unter Leitung des Wirtschaftsministeriums (BMDW) gemeinsam mit dem Außenministerium (BMEIA). Ebenfalls in diese Runde eingeladen wurde die Wirtschaftskammer, die bereits im Ministerratsvortrag mit angeführt wird. Die Seite der ArbeitnehmerInnen war hingegen nicht in vergleichbarer Weise eingebunden.
Es ist daher kaum verwunderlich, dass die nun präsentierte Außenwirtschaftsstrategie Lücken aufweist, wenn es um ArbeitnehmerInnen in einer globalisierten Wirtschaft geht. Und es hat, um es ganz genau zu nehmen, zumindest prozedural eine externe Beratungsfirma die Ausarbeitung übernommen. Ganze 98.880 Euro hat sich die Regierung diesen externen Service kosten lassen, wie einer parlamentarischen Anfrage zu entnehmen ist.
Wer sonst noch aller ein Wörtchen mitzureden hatte, bleibt im Verborgenen. Die Liste der Stakeholder, die in den im Ministerratsvortrag angestrebten „partizipativen Prozess“ eingebunden waren, wurde nämlich nicht mit veröffentlicht. Angesichts des inhaltlichen Resultats des Prozesses liegt jedoch der Schluss nahe, dass ArbeitnehmerInneninteressen und NGOs unterrepräsentiert waren.
More of the same statt Kurswechsel
Die Außenwirtschaftsstrategie hätte eine Möglichkeit geboten, Schritte für einen Kurswechsel in der Handelspolitik auszuarbeiten, die Beschäftigte ins Zentrum stellt. Vielleicht wäre die Regierung dann ihrem Ziel, den Ängsten der Bevölkerung vor den negativen Folgen der Globalisierung besser zu begegnen, zumindest ein Stückchen nähergekommen. Letztlich reiht sich die Strategie damit nahtlos in die Vorhaben der Regierung ein: Die Interessen der ArbeitnehmerInnen werden an den Rand gedrängt, während ArbeitgeberInnen ihre Position beibehalten oder gar ausbauen.