Die berechtigte Kritik an der neoliberalen Globalisierung wird zunehmend vom Trump’schen Protektionismus an den Rand gedrängt. Gegen populistischen Protektionismus hilft aber kein bedingungsloses Bekenntnis zum Freihandel. Soziale Ungleichheit als Resultat der Globalisierung führt zu besorgniserregenden politischen Folgekosten. Stattdessen braucht es ein Projekt zur Wiedergewinnung von politischen Handlungsspielräumen und Stärkung demokratischer Teilhabe. Kurz: eine Globalisierungsagenda für die Vielen auf Basis eines guten Lebens für alle.
Neoliberale Globalisierung Redux: same same, but different?
Spätestens mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08 sind die VerfechterInnen der ökonomischen Globalisierung in die Defensive geraten. Wurden in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren unentwegt die Vorzüge von freien Handels- und Finanzströmen gepriesen, so kommen die „Globalisierer“ aus OECD, EU-Kommission oder Weltbank nicht zuletzt aufgrund der politischen Erfolge „populistischer“ Kräfte heute nicht mehr umhin, einzugestehen, dass offene Märkte nicht nur GewinnerInnen, sondern auch VerliererInnen produzieren (siehe zum Beispiel hier und hier). Letztere werden vor allem unter den gering qualifizierten Beschäftigten ausgemacht.
Gleichzeitig wird die Verantwortung dafür primär dem technologischen Wandel zugesprochen. Das ist wenig überzeugend, wie auch die jüngere Forschung zeigt. Vor allem Finanzialisierung und Outsourcing sind wesentlich für die starken Verteilungseffekte der Globalisierung verantwortlich. Ist die Schuld an den negativen Verteilungseffekten erst einmal auf den vermeintlich neutralen Faktor „technischer Fortschritt“ geschoben, lässt es sich freilich leichter argumentieren, dass die Globalisierung insgesamt mehr Wachstum und Wohlstand gebracht hat.
Am Ziel der Fortführung einer solchen Globalisierung in Form sogenannter „tiefer und umfassender“ Handels- und Investitionsabkommen mit dem Fokus, bestehende Regulierungsunterschiede zwischen den Staaten und Regionen einzuebnen, wird daher von OECD und EU-Kommission unvermindert festgehalten. Lediglich die sozialen Nachteile in Form von höherer Arbeitslosigkeit oder Niedriglöhnen sollen durch Transfers und Umschulungsmaßnahmen abgefedert werden. Ansonsten wird die zum Teil berechtigte Kritik am Trump’schen Protektionismus zum Anlass genommen, die Richtigkeit wie Alternativlosigkeit eines Festhaltens am „Freihandel“ zu betonen.
Es wird also weiter das Hohelied der Globalisierung gesungen. Die Kritik wird zum einen diskursiv de-legitimiert, indem insinuiert wird, dass die Populisten der Bevölkerung die Unwahrheit sagen. Zum anderen wird mit dem partiellen Eingeständnis der Schattenseiten der Globalisierung an die rationalen Kräfte unter den Gewerkschaften oder der Zivilgesellschaft appelliert, deren Fortsetzung als sozialpolitisch etwas aufgefettetes Projekt der vereinigten Kräfte der Aufklärung gegen den Widerstand der dumpfen Protektionisten und Populisten à la Trump & Co. zu unterstützen.
Ein solches Angebot anzunehmen, ist für Gewerkschaften und andere fortschrittliche Kräfte strategisch gefährlich. Es unterschätzt nicht nur den Wahrheitsgehalt der Globalisierungskritik, sondern übersieht, dass die Vertiefung des neoliberalen Globalisierungsprojekts die Gefahr des Abgleitens in den Autoritarismus erhöht. Stattdessen wäre ein alternatives Projekt nötig, das möglichst viele an den Vorteilen der Globalisierung teilhaben lässt und gleichzeitig die Prioritäten der Globalisierungspolitik auf Basis einer sozial-inklusiven und ökologisch nachhaltigen Politikkonzeption neugestaltet.
Gebrochene Versprechen der Globalisierung: Wachstum …
Festzuhalten ist, dass die Vorteile der Globalisierung in Form von Wachstum und Beschäftigung weniger deutlich ausgefallen sind, als vorhergesagt wurde. Dafür treten die Nachteile in Form von steigender sozialer und regionaler Polarisierung und ihrer politischen Folgekosten immer deutlicher in Erscheinung.
Neben größerer Produktauswahl und günstigen Preisen wurde die liberale internationale Wirtschaftsordnung mit offenen Märkten und freiem Kapitalverkehr vor allem zur Garantin für wirtschaftliche Prosperität, also von Wachstum und Beschäftigung, stilisiert. Besonders von exportorientierten Ländern wie Deutschland, Japan oder auch China wird diese Position als Ausweg aus der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 mit Nachdruck vertreten. Dabei wird freilich übersehen, dass vierzig Jahre Globalisierung mit langfristig sinkendem Wachstum des globalen Pro-Kopf-Einkommens einhergehen. Eine Vielzahl von Studien hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten vergeblich bemüht, einen robusten positiven Zusammenhang zwischen Handelsliberalisierung und Wirtschaftswachstum nachzuweisen (siehe z. B. hier und hier).
Für die schwache Wachstumsperformance der Weltwirtschaft sind vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend. Der erste Faktor liegt in der starken Umverteilung von Lohneinkommen zu Gewinneinkommen. So sind die Lohnquoten in der OECD-Welt seit den 1970er-Jahren um bis zu zehn Prozent gesunken.