Geschlechtergerechte Unternehmensführung: Wie die Frauenquote wirkt

28. August 2017

Was in anderen europäischen Ländern wie Deutschland oder Italien bereits Gesetz ist, gilt ab 1.1.2018 auch in Österreich: eine Frauenquote von 30 Prozent für die Aufsichtsratsgremien von großen und börsennotierten Unternehmen. Der internationale Vergleich zeigt, dass eine verbindliche Quotenregelung als wichtiger Schritt für erfolgreiche Gleichstellungspolitik in Unternehmen zu werten ist. Die Quote macht Frauen sichtbar, rüttelt an bestehenden Machtstrukturen, kann Gleichstellungsstrategien schärfen und für gendersensibles Nachfolgemanagement sorgen. Langfristig wird gelebte Diversität (Geschlecht, Alter, Herkunft, Bildungs- und Berufshintergrund …) an der Führungsspitze einen Wandel in der Organisationskultur hervorrufen, der letztlich allen ArbeitnehmerInnen zugutekommt.

Gegen die „göttliche Ordnung“

Viele Jahre wurde darum gerungen, jetzt ist die Frauenquote beschlossene Sache: Das sogenannte Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat (GFMA-G) sieht – nach dem Vorbild der deutschen Rechtslage – eine verpflichtende Frauenquote von 30 % für Aufsichtsräte von Großunternehmen (mehr als 1.000 Beschäftigte) und börsennotierten Unternehmen vor. Das Gesetz gilt für Neubestellungen ab 2018 und wurde Ende Juni mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und den Grünen verabschiedet. Im Zuge der hitzig geführten Parlamentsdebatte ließ sich die ÖVP-Nationalratsabgeordnete Maria Fekter, früher eine strikte Quotengegnerin, zu einer Brandrede hinreißen.

Hinweis zum Video: Die Stummschaltung kann mit der rechten Maustaste aufgehoben werden.

Die Quote sorgt für Emotionen. Während sich die einen sichtlich erfreut zeigen: „Was lange währt, wird endlich gut“, warnen andere vor „Sexismus“, „genderpolitischen Experimentierfeldern“ und „fehlender Qualifikation“. Der öffentliche Diskurs rund um Einführung und Umsetzung der Quote wirkt anachronistisch. Streckenweise erinnert die Kultur der Auseinandersetzung (jedoch weit weniger amüsant) an den Film „Die göttliche Ordnung“, wo die späte Einführung des Frauenwahlrechts in der Schweiz (1971) thematisiert wird. Wie früher das Stimmrecht, polarisiert heute die Quote und ruft „die Hüter der gläsernen Decke“ auf den Plan.

Geschlossene Gesellschaft

Männliche Führungskräfte haben jedenfalls wenig Freude mit der Quote, wie aus einer aktuellen Umfrage des Beratungsunternehmens Kienbaum unter Vorstandsmitgliedern, AufsichtsrätInnen und PersonalleiterInnen von Großunternehmen hervorgeht: Eine klare Mehrheit der Frauen befürwortet die Quote, während die männlichen Befragten nahezu geschlossen dagegen votieren. Laut dem „Mixed Leadership Barometer Österreich“ der Unternehmensberatung Ernst & Young sind im Juli 2017 82,6 % der Aufsichtsratsmandate in börsennotierten Unternehmen Österreichs mit Männern besetzt, von 196 Vorstandsmitgliedern sind nur elf Frauen. Zwar bilden Frauen die Mehrheit der HochschulabsolventInnen, für Chancengleichheit an der Führungsspitze reicht das offenbar (noch) nicht. Die Gender- und Diversitätsforscherinnen Edeltraud Hanappi-Egger und Heike Mensi-Klarbach haben dazu in ihren Untersuchungen festgestellt, dass der Prozess der Aufsichtsratsbestellung in Österreich sehr informell und unstrukturiert abläuft. Insbesondere für Frauen ist es oftmals schwierig, als Kandidatinnen wahrgenommen zu werden, zumal sie nur selten Teil der relevanten Netzwerke sind. „Das Geschlecht ist egal. Die Qualifikation muss stimmen und dass er zur Mannschaft passt“, bringt eine männliche Führungskraft das entscheidende Gesetz der Rekrutierung auf den Punkt. Demzufolge enden weibliche Karrieren zumeist in der zweiten oder dritten Führungsebene, während Männer dank der richtigen Beziehungen, ausgeprägten Präsenzkultur und hohen Sichtbarkeit vergleichsweise geschmeidig an die Spitze gelangen. Neben der Rekrutierung aus persönlichen Netzwerken dürfte Teilzeitarbeit ein weiteres Karrierehemmnis für Frauen sein. Während Länder wie Schweden oder die Schweiz längst auf „Topsharing“ (Führen in Teilzeit) setzen, sind Führungspositionen in Österreich nach wie vor sehr stark mit Vollzeitstellen konnotiert, wie die Erhebung „Gender Cage revisted“ zeigt. So führen – auf klassische Geschlechterrollen ausgerichtete – Karrierepfade und Arbeitspraktiken dazu, dass die Unterrepräsentanz von Frauen in den obersten Leitungsgremien bestehen bleibt.

Nachzügler und Vorreiter

Insbesondere in den börsennotierten Unternehmen herrscht Aufholbedarf: In den 20 Konzernen des österreichischen Börsen-Leitindex ATX (Austrian Trade Index) liegt der Frauenanteil im Aufsichtsrat laut Angaben der EU-Kommission für Februar 2017 bei 19,3 %. Gemessen an der Vergleichsgruppe der deutschen DAX-30-Unternehmen ist dies niedrig: Dort ist es gelungen, den Frauenanteil von 26,1 % im Jahr 2015 – und damit vor Einführung der Quote – auf mittlerweile 29,7 % im Jahr 2017 zu erhöhen. Aufgrund der positiven Entwicklung wird in Deutschland nun eine Ausweitung der Quotierung auf Vorstände angedacht. Die deutsche Frauenministerin Katarina Barley hat kürzlich angekündigt, sie gebe der Wirtschaft noch ein Jahr Zeit, um eine stärkere Beteiligung von Frauen in Vorständen zu erreichen. „Wenn sich bis dahin nichts tut, werden wir gesetzlich eingreifen“, so Barley. Wie in Deutschland ist auch in Österreich das Prinzip der Selbstverpflichtung gescheitert. Derzeit erreichen gerade einmal vier ATX-Unternehmen (Erste Group AG, Österreichische Post AG, Vienna Insurance Group AG, Wienerberger AG) die künftig verpflichtende Quote von 30 % Frauen im Aufsichtsrat. Nicht nur im Vergleich zu Deutschland, sondern auch in Relation zur europäischen Vergleichsgruppe (24,6 %) schneidet Österreich unterdurchschnittlich ab. Nicht zufällig kommen die wichtigsten Impulse zur Anhebung des Frauenanteils aus jenen Ländern, die rechtlich verbindliche Vorschriften verankert haben und Sanktionen bei Nichteinhaltung vorsehen (z. B. Italien, Frankreich).

Quote und Sanktion

Dies wird sich dank des Gleichstellungsgesetzes von Frauen und Männern im Aufsichtsrat (GFMA-G) bald ändern. Dort ist eine verpflichtende Frauenquote von 30 % für Aufsichtsräte von Gesellschaften mit mehr als 1.000 Beschäftigten und börsennotierten Unternehmen dann vorgesehen, wenn sich der Aufsichtsrat aus mindestens sechs Mitgliedern (KapitalvertreterInnen) zusammensetzt und die Belegschaft zu mindestens 20 % aus Frauen besteht. Die Regelung gilt umgekehrt auch dann, wenn Männer das unterrepräsentierte Geschlecht in der Belegschaft darstellen. Zu beachten ist außerdem, dass die Grenze von 1.000 Beschäftigten jeweils auf die Niederlassung in Österreich Bezug nimmt. Von der gesetzlichen Quotenregelung dürften rund 200 Unternehmen umfasst sein. Für die betroffenen Unternehmen gilt jedenfalls folgende Konsequenz bei Nichteinhaltung: Wird die Quotenvorgabe bei der Nachbesetzung der Gremien nicht erfüllt, dann bleibt das Aufsichtsratsmandat unbesetzt. Auf diese Sanktion des „leeren Stuhls“ greift auch das deutsche Gesetz zurück, wo eine analoge Regelung seit zwei Jahren in Kraft ist. Durchaus erfolgreich, wie kürzlich bilanziert wurde: Bis heute ist in den betroffenen Unternehmen kein einziger Stuhl leer geblieben. Flankierend zur Sanktion wäre es wünschenswert, den Fortschritt jährlich zu evaluieren und die Ergebnisse in Berichtsform („Monitoring“) zu veröffentlichen. Obwohl das Gesetz das eine oder andere „Schlupfloch“ gewährt, ist die neue Quotenregelung als wichtiger, erster Schritt für die Gleichstellung von aufstiegsorientierten Frauen zu sehen.

„Walk the talk“ in der Unternehmenspraxis

Allein der Beschluss der Quote hat bereits zu einer Eigendynamik geführt, wie Unternehmensberaterin Gundi Wentner berichtet: „Wir haben sogar Anfragen von Firmen, die von der Quote gar nicht betroffen sind, sondern proaktiv nach Frauen suchen.“ Die Quote zeigt offenbar schon jetzt Wirkung und könnte über den Anwendungsbereich des Gesetzes hinausstrahlen. Umso besser. Denn sichtbare Frauen – ob an der Unternehmensspitze, in Politik, Kultur oder Kunst – haben Signalwirkung für die gleichstellungspolitische Diskussion insgesamt. Doch nicht nur „die Frau an der Spitze“ ist gefragt, sondern vielmehr „die Organisation“ selbst. Herrscht doch in vielen Unternehmen eine Kultur, die den Bemühungen zur Erhöhung der Vielfalt in Führungsetagen entgegenwirkt. Um einen Wandel herbeizuführen, braucht es ein klares Bekenntnis des Managements und Diversitätskonzepte, die neben Faktoren wie beispielsweise Alter oder Internationalität die Dimension „Gender“ entsprechend berücksichtigen. Erfolgreich ist Gleichstellungspolitik in Unternehmen dann, wenn genderbezogene Key Performance Indicators (z. B. Frauenanteil im Nachwuchsmanagement) definiert und mit konkreten Zeit- und Zielvorgaben versehen werden. Der ÖBB-Konzern hat beispielsweise seine Gleichstellungsziele für das Jahr 2020 veröffentlicht, dazu zählt u. a. die Anhebung des Frauenanteils bei Neuanstellungen auf 20 % (derzeit liegt der Frauenanteil in der Belegschaft bei 12 %). Auch die Erste Group AG betrachtet „Diversität“ als wesentlichen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie. Um den Frauenanteil in der Geschäftsleitung zu steigern, zielt der Bankkonzern auf die Schaffung eines höheren Gleichgewichts hinsichtlich der Geschlechterverteilung im internationalen Talentepool ab. Zudem wurde mit 35 % bis zum Jahr 2019 ein internes Ziel zur Erhöhung des Frauenanteils im Top-Management sowie im Aufsichtsrat gesetzt. Übrigens: Damit wäre die gesetzlich definierte Quote von 30 % bereits übertroffen. Mehr Vielfalt an der Führungsspitze verändert langfristig die Organisationskultur; davon werden nun schon bald verstärkt österreichische Unternehmen und deren MitarbeiterInnen profitieren.