Weit entfernt von Gleichstellung

23. November 2016

Frauen kümmern sich so gut wie allein um Haushalt und Kinderbetreuung. Sexismus ist nach wie vor für viele Frauen ein alltägliches Problem – von Gewalt gegen Frauen gar nicht zu reden. Die Benachteiligungen von Frauen hören hier aber nicht auf: Frauen verdienen weniger als Männer, Frauen stoßen an die gläserne Decke, Frauen arbeiten häufig in Teilzeit und laufen Gefahr, im Alter arm zu werden.

Neu ist das alles nicht und man sollte meinen, dass das Mittelalter vorbei ist und dass diese Probleme schnellstmöglich gelöst werden müssen. Wären da nur nicht jene Stimmen, die gerne behaupten, dass alles nur halb so schlimm ist. Solche und ähnliche Aussagen zeigen, dass bei der Gleichstellung von Frau und Mann in Österreich noch so einiges im Argen liegt.

Armutszeugnis für Österreich

Österreich belegte nicht nur bei der Fußball-Europameisterschaft einen der hinteren Plätze, die Performance bei der Gleichstellung von Frau und Mann am Arbeitsmarkt könnte auch wesentlich besser aussehen. Eine weltweite Studie des Weltwirtschaftsforums zeigt, dass Österreich im internationalen Vergleich bei der Frauen-Gleichstellung von Platz 37 auf Platz 52 abrutscht. Bei der Lohngerechtigkeit belegt es nur Platz 100 von 144. Es ist also wirklich nicht schlimm, es ist noch schlimmer. 22,4 Prozent weniger Einkommen bei gleichwertiger Arbeit sind eine absolute Blamage. Nur in Estland sieht die Einkommenssituation für Frauen noch düsterer aus als hierzulande. Alle anderen EU-Länder erzielen bessere Ergebnisse, sogar die als „Macholänder“ verschrienen Staaten, wie Italien (sechs Prozent) und Spanien (16 Prozent). Wenn das kein Grund zum Schämen ist.

Nadel im Heuhaufen

Einkommensgerechtigkeit bei gleichwertigen Tätigkeiten und Bildungsabschlüssen ist nicht nur eine Frage der Fairness, sondern auch im Gleichbehandlungsgesetz festgeschrieben. Heute verlassen Frauen Schulen oft besser qualifiziert als Männer, und trotzdem müssen sie für den Erfolg viel härter kämpfen.
So deutlich wie nie zuvor beweist uns das Ergebnis der US-Wahl: Selbst wenn Frauen in der Politik einen deutlichen Qualifikationsvorsprung haben, schaffen sie es nicht an die Spitze. Auch in Österreich entpuppt sich die Suche nach einer Frau in einer Spitzenposition von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft meistens als jene nach der „Nadel im Heuhaufen“.

Gleichstellung: Gesellschaftlich nicht akzeptiert?

Fast jeder Chefsessel gehört einem Mann. Selbst in Branchen mit hoher Frauenbeschäftigung wie im Handel oder bei Banken ist die Spitze männlich. Weiblichen Arbeitnehmerinnen traut man vorwiegend operative oder bestenfalls taktische Führungsaufgaben zu. Qualifizierte Teilzeit und geteilte Führungsmodelle, die Frauen auch ein angemessenes Einkommen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen können, werden von Unternehmen ganz selten praktiziert. Wen wundert es da, dass eine Führungslaufbahn nicht für jede Frau erstrebenswert ist, wenn allem Anschein nach erfolgreiche und mächtige Frauen nach wie vor von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden?

Veraltete Rollenmuster

In keinem Bereich der Gleichstellung hat sich so wenig geändert wie beim Familienleben. Die traditionelle Rollenverteilung – der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder – ist noch sehr stark in den Köpfen verankert.
Es braucht also neben umfassenden Maßnahmen am Arbeitsmarkt und auf Unternehmensebene auch gesellschaftliche Veränderungen. Die fehlende Chancengleichheit verhindert, dass Bildungsinvestitionen und vorhandene Potenziale optimal genutzt werden – wichtige Ressourcen, die zu Wachstum und wirtschaftlicher Stabilität beitragen könnten.

Dieser Beitrag ist als Kommentar in Arbeit&Wirtschaft 9/2016 erschienen. Die November-Ausgabe ist ganz dem Schwerpunkt Gleichstellung gewidmet.
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