Weil die EU Kommission kolportierterweise kurz davor steht, den Mitgliedstaaten eine Frauenquote von 40% für ihre Aufsichtsräte zu verordnen, kommen ökonomische Theoretiker auf die Idee, einen Zertifikatehandel zu diesem Thema einzuführen. In Analogie zu den „Verschmutzungszertifikaten“ beim CO2. Die Ökonomen, die sich diesen skurrilen Lösungsvorschlag ausgedacht haben, haben offenkundig das Problem nicht verstanden .
Kuriose Theorien
Manche Wissenschaften erheben nicht mal mehr den Anspruch, einen sinnstiftenden Beitrag zu der Gesellschaft zu leisten, die sie finanziert. So ist es manchmal auch in der Ökonomie. Gar kuriose Dinge wurden da schon mathematisch fundiert hergeleitet, auf deren Entdeckung die Menschheit lange gewartet hat. Beispielhaft sei hier Gary S. Becker genannt, der mit seiner konsequenten Forschung auf Basis der Nutzentheorie spannende Wortkreationen („taste of discrimination“) und noch spannendere Studien u.a. zum ökonomischen Nutzen von Kindern) schuf und dafür 1992 mit dem Nobelpreis belohnt wurde.
Jetzt ist es wieder soweit und Stockholm sollte hellhörig werden:
Weil die EU Kommission kurz davor steht, den lahmen Mitgliedstaaten eine Frauenquote für ihre Aufsichtsräte zu verordnen, kommen ökonomische Theoretiker auf die grenzgeniale Idee, einen Zertifikatehandel zu diesem Thema einzuführen (http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/europa/4844777/Zertifikatehandel-statt-Frauenquote?_vl_backlink=%2Fhome%2Findex.do) . In Analogie zu den „Verschmutzungszertifikaten“ beim CO2. Derzeit wird auf europäischer Ebene darüber diskutiert, bis 2020 in allen EU-Ländern eine fixe, verpflichtende Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten umzusetzen. Das bringt natürlich ein paar Länder in Bedrängnis, bzw. einige Unternehmen, die bei dieser Art der Beteiligung am Kuchen etwas nachlässig waren.
Die absurde Idee hinter dem Zertifikate-Vorschlag
An diese Unternehmen bzw. Länder richtet sich wohl nun der Vorschlag der drei Ökonomen Stefan Pichler (ETH Zürich), Michael Neugart und Metin Akyol (Uni Darmstadt). Die Politik soll also allen Unternehmen Zertifikate verteilen (nach bestimmten Kriterien, wie der Höhe der Frauenbeschäftigung in einer Branche), die diese dann zu Marktpreisen untereinander handeln können. Beim CO2-Zertifikatehandel ging es ökonomisch gesehen darum, externe Kosten (Umweltschäden) zu internalisieren (für Firmen/Verursacher „spürbar“ zu machen) – übrigens mit sichtbar durchschlagendem Erfolg, der den Unterschied zwischen Theorie und Praxis recht deutlich vor Augen führt.
Die Forscher sehen nun die Probleme eines fixen Limits, das manche über- und manche unterfordert, offenbar ähnlich. Zitat: „Eine einheitliche Quote belastet jedoch Firmen unterschiedlich, unter anderem weil das Arbeitsangebot von Frauen in den Ländern nach Sektoren unterschiedlich hoch ist.“ (http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2015/10/mehr-frauen-in-fuehrungspositionen-ein-vorschlag–zur-flexibilisierung-der-frauenquote/). Ihr Vorschlag, um die Kosten für die Unternehmen, die dafür ja wirklich nix können, zu reduzieren: Beim Handel mit CO2-Emissionsrechten „… bewirken Zertifikate, dass jene Firmen, die am kostengünstigsten CO2 einsparen können, dies auch tun und dafür auf dem Zertifikatemarkt belohnt werden. Umgekehrt können Firmen mit hohen Einsparungskosten Zertifikate erwerben, anstatt große Investitionen für eine geringe CO2-Ersparnis zu tätigen. Auf dem Arbeitsmarkt verhält es sich ähnlich: Einige Firmen agieren in Sektoren oder in Ländern in denen das Arbeitsangebot der Frauen gering ist und haben deshalb hohe Kosten, geeignete Frauen zu finden. In anderen Sektoren und Ländern hingegen ist es deutlich einfacher, geeignete Frauen für Führungspositionen zu finden.“ Gehandelt soll das Ganze auf einem nationalen Handelsplatz oder EU-weit werden.
Welches Problem soll hier gelöst werden?
Kleine Frage an die Wissenschafter: Habt ihr eigentlich kapiert, welches reale gesellschaftliche Problem ihr mit dieser spannenden Theorie lösen wollt? Offenbar nicht, denn die Grundidee der 3 Ökonomen ist ja zusammengefasst folgende: „Die Anbieter solcher Zertifikate wären dann all jene Firmen, die weniger Männer eingestellt haben, als sie Zertifikate halten. … . Auf der Nachfrageseite wären Marktteilnehmer in Sektoren mit weniger Frauen, für die es günstiger ist Zertifikate zu kaufen, als Frauen aus anderen Sektoren zu überzeugen ihren alten Beruf aufzugeben und für sie zu arbeiten.“ Erwartbare Konsequenz aus realitätsnäherer Perspektive: Damit wird wohl eher die starke Teilung am Arbeitsmarkt, die es bereits gibt, noch verstärkt.
Nein, wir sind kein Emissionsproblem an dem die Welt zugrunde geht und dessen Verursachung mann bestimmten Firmen zuordnen sollte, sondern Menschen, die schlicht und ergreifend am Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Und es ist kein ökonomisches Problem, das wir darstellen, sondern die Nicht-Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen ist ein Verwehren von Grundrechten. Und ob Grundrechte geeignet sind für einen Handelsplatz mit Angebot und Nachfrage, das steht hoffentlich in der realen Welt nicht zur Diskussion.