Future is public – die Zukunft in öffentlicher Hand

12. Mai 2020

Die Corona-Krise führt uns deutlich die Vorteile eines gut ausgebauten öffentlichen Gesundheitssystems, einer guten öffentlichen Infrastruktur und die Vorteile eines starken Sozialstaates vor Augen. Andere Länder, die bei öffentlichen Leistungen jahrelang den Sparstift angesetzt und Privatisierungen – insbesondere im Gesundheitsbereich – durchgeführt haben, haben in der aktuellen Gesundheitskrise eindeutig schlechtere Karten. Eine weltweite Bewegung zeigt, dass es auch anders geht: Über 2.400 Städte in 58 Ländern weltweit führten private Dienstleistungen wieder zurück in die öffentliche Hand: Future is public!

Auswirkungen jahrelanger Sparmaßnahmen

Die COVID-19-Krise zeigt deutlich die katastrophalen Auswirkungen jahrelanger Sparmaßnahmen, des Abbaus der sozialen Sicherheit und der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Insbesondere nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 wurde die öffentliche Verwaltung in vielen Bereichen „optimiert“, beim Personal gespart, Investitionsstopps verhängt, um den Budgethaushalt zu konsolidieren. Dieser Sparkurs machte auch vor den Gesundheitssystemen nicht halt. Die Ausgaben für das Spitalswesen wurden beispielsweise in Italien, Spanien und Griechenland nach der Finanzkrise drastisch gesenkt, um die Anforderungen der europäischen Sparprogramme erfüllen zu können, wie Alexis Passadakis beschreibt. Daher litten insbesondere diese Länder unter den negativen Auswirkungen dieses Sparkurses mit tödlichen Auswirkungen in der aktuellen Gesundheitskrise.

Die COVID-19-Krise zeigt aber auch, dass öffentliche Dienste und die Menschen, die sie betreiben, die Grundlage für die Gesundheit und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaften und die Basis für eine widerstandsfähige Wirtschaft sind. Länder wie Österreich, die seit Jahren in den öffentlichen Sektor investieren, können diese Krise um einiges besser bestehen als Länder, die jahrelang auf Sparpolitik und Privatisierung setzten. Die aktuelle Studie des Transnational Instituts – TNI zeigt, dass die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen in vielen Ländern gescheitert ist. Daher führt eine wachsende Zahl von Kommunen privatisierte Dienste zurück in die öffentliche Hand.

Rekommunalisierung – ein globaler Trend

In den letzten 20 Jahren hat die Forschung des Transnational Instituts (TNI) gemeinsam mit Gewerkschaften verschiedener Länder mehr als 1.400 erfolgreiche Fälle von Rekommunalisierungen ausgemacht, an denen mehr als 2.400 Städte in 58 Ländern der Welt beteiligt waren. In Europa konnten dabei mehr als 900 Rekommunalisierungen in über 20 Ländern innerhalb der letzten 20 Jahre aufgezeigt werden. Besonders viele Fälle sind dabei in Deutschland (411), Frankreich (156), Spanien (119) und Großbritannien (110) zu finden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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In welchen Bereichen findet Rekommunalisierung statt?

Die meisten Rekommunalisierungen konnten weltweit im Bereich der Energieversorgung (374 Fälle) und im Wassersektor (311 Fälle) gezählt werden; darüber hinaus im Bereich der Telekommunikation (192 Fälle), Gesundheitsversorgung und sozialen Dienstleistungen (138 Fälle), Müllversorgung (85), im öffentlichen Verkehr (47 Fälle) und im Bildungswesen (38). Weitere 223 Rekommunalisierungen sind Dienste, die im Aufgabenbereich der Gemeinden stehen, wie zum Beispiel Essensversorgung im Kindergarten und in der Schule, Wohnprojekte, Sicherheitsdienste, kulturelle Leistungen und vieles andere.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Beweggründe für die Rekommunalisierung

Vor allem die negativen Erfahrungen mit der Privatisierung von Dienstleistungen haben diese Städte und Gemeinden dazu gebracht, die Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wieder zurück in die öffentliche Hand zu überführen. Geringere Investitionen in die Infrastruktur, schlechtere Arbeitsbedingungen, höhere Kosten für die Menschen, aber auch Kontrollverlust waren oft die Begleiterscheinungen. Mit der Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen werden die politische Handlungsfähigkeit sowie die demokratische Kontrolle und die Einflussmöglichkeiten der Städte und Gemeinden zurückgewonnen.

Wenn private Betreiber öffentliche Unternehmen übernehmen, werden meist die Ausgaben reduziert, und die ersten Posten, die sie betrachten, sind die Arbeitskosten. Durch den Abbau von Arbeitsplätzen, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die Untergrabung von Tarifverhandlungen ist die Privatisierung eine starke Triebkraft für prekäre Arbeit. Bereits im Buchbeitrag zu 2017 wurde aufgezeigt, dass Rekommunalisierungen in vielen Fällen zu verbesserten Arbeitsbedingungen für ArbeitnehmerInnen führen. Nun wurden weitere Beispiele zusammengetragen:

So wurden beispielsweise in London seit 2011 Aufträge im Wert von etwa 380 Millionen Pfund in den Bereichen Reinigung, Gebäude- und Grundstückspflege sowie Abfallmanagement zurückgenommen. Die Rekommunalisierung bedeutete bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen für 1.200 Beschäftigte und brachte Einsparungen in Höhe von etwa 14 Millionen Pfund. Eine weitere Erfolgsgeschichte für die ArbeitnehmerInnen ist die Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft in Norwegen, die zu einer 14-prozentigen Senkung der Gebühren für die BürgerInnen führte, während gleichzeitig die Löhne und Renten der ArbeitnehmerInnen erhöht wurden.

Lavinia Steinfort beschreibt fünf Hauptgründe, warum privatisierte Dienstleistungen meist teurer sind, als wenn sie von der öffentlichen Hand betrieben werden:

  1. Private Konzerne müssen Gewinne erwirtschaften und Dividenden an ihre Aktionäre und Muttergesellschaften ausschütten.
  2. Die Privatisierung bringt zusätzliche Komplexitäts- und Kostenschichten mit sich, darunter die Zahlung hoher Honorare an die Berater und Anwälte, die die Verträge ausformulieren.
  3.  Öffentliche Behörden verlieren die Kontrolle über die Kosten für den Betrieb des Service (private Betreiber neigen dazu, einen Teil der Arbeit an andere Unternehmen weiterzugeben, oft innerhalb desselben Konzerns und oft mit hohen Kosten).
  4. Privaten Betreibern fehlt meist eine langfristige Vision.
  5. Öffentliche Einrichtungen zahlen in der Regel niedrigere Darlehenszinsen als private Entitäten, die zum Beispiel bei der Finanzierung von Infrastrukturbedürfnissen helfen können.

Im Gegensatz dazu kann mit öffentlichem Eigentum an Dienstleistungen, Steuereinnahmen und Einnahmen aus Benutzergebühren direkt in den Dienst investiert werden und die Verfolgung umfassenderer sozialer und ökologischer Ziele gewährleistet werden.

Die Kommunen stärken und die Krise überwinden – europäische Lösungen sind notwendig

Derzeit zeigt sich, wie überlebenswichtig Investitionen in die öffentlichen Dienstleistungen (z. B. ins Gesundheits- und Pflegesystem) sind. Öffentliche Finanzen können und sollten die öffentliche Gesundheit, das Gemeinwohl und den ökologischen Übergang auch in der Zukunft stärken.

Angesichts der Tatsache, dass die Sparmaßnahmen nach der Finanzkrise von 2008 die kommunalen und nationalen Haushalte zu drastischen Kürzungen gezwungen haben, ist es von größter Bedeutung, diesen Fehler in der aktuellen Krise nicht zu wiederholen. Öffentliche Dienstleistungen bilden das Rückgrat unserer Gesellschaft und halten sie am Laufen. Sie benötigen auch dann ausreichende Finanzierung und Beschäftigte, wenn diese Pandemie überwunden ist. Es mehren sich bereits die Stimmen, die ein Sparpaket nach Überwindung dieser Krise einfordern, um die wirtschaftliche Stabilität angesichts der drohenden Rezession sicherzustellen. Wie falsch das wäre, hat die Corona-Krise aber gerade erst bewiesen. Öffentliche Investitionen müssen stattdessen auf die Stärkung der öffentlichen Dienste auf der Grundlage demokratischer Modelle des öffentlichen Eigentums sowie auf soziale und ökologische Ziele, wie die Bewältigung der Klimakrise und die Fürsorge für die Schwächsten, ausgerichtet werden. Die Finanzierung der Krise muss statt am Vermögen der öffentlichen Hand am Vermögen der Privaten ansetzen.

Wie könnte es nach der Krise für die Kommunen und die Wirtschaft weitergehen?

Die Krise zeigt, dass wir einen starken öffentlichen Sektor brauchen. Kommunen fordern bereits einen Rettungsschirm, damit ihnen Einnahmen nicht völlig wegbrechen und sie ihre öffentlichen Dienstleistungen auch zukünftig für die Menschen anbieten und auch bezahlen können. WissenschafterInnen, die sich im Foundational Economy Collective zusammengeschlossen haben, plädieren für eine Erneuerung der Wirtschaft nach dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise und haben dafür ein 10-Punkte-Programm entworfen. Ihr Ziel ist es, eine bessere Balance zwischen der Sorge um Arbeitsplätze und Löhne auf der einen Seite und der kollektiven Bereitstellung von lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen wie Wohnen, Energie, Wasser, Gesundheit, Bildung und Pflege auf der anderen Seite zu schaffen.

Weiters braucht es ein  Stabilisierungs-, Finanzierungs- und Investitionsprogrammen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sowie zukünftig auch mehr Flexibilität im EU-Budget (Stichwort goldene Investitionsregel). Nur so kommen wir gemeinsam aus dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise und ersparen den Menschen umfangreiche Sparpakete mit ähnlich verheerenden Folgen wie in der Vergangenheit.

Dieser Beitrag basiert auf den Schlussfolgerungen des von TNI am 12. Mai veröffentlichten Buches: „The Future is Public: Towards Democratic Ownership of Public Services”.

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