Die Diskussion über die Freihandelsabkommen CETA und TTIP hat die Frage der Verantwortung für die Daseinsvorsorge wieder in den Mittelpunkt gerückt. Mit ihren Liberalisierungsbestimmungen gehen die Entwürfe für CETA und TTIP weit über bisherige Freihandelsabkommen hinaus. Gleichzeitig macht die Europäische Kommission in den verschuldeten Ländern Südeuropas unvermindert Druck, öffentliche Daseinsvorsorge wie Energienetze und Verkehrsinfrastruktur zu privatisieren. Ein guter Anlass, aus den Folgen bisheriger Privatisierungen Bilanz zu ziehen und den Blick auf eine Gegenbewegung zu richten, die sich in den vergangenen Jahren schon zu formieren begonnen hat: Rekommunalisierungen – die Rückabwicklung von Privatisierungen.
Rekommunalisierung – ein globaler Trend
Das Transnational Institute in Amsterdam (TNI) hat bereits im Jahr 2015 eine internationale Studie zu Rekommunalisierungen im Wassersektor veröffentlicht. Dabei wurde festgestellt, dass die Zahl der Rekommunalisierungen in 37 Ländern von zwei Fällen im Jahr 2000 auf 235 Fälle bis zum Jahr 2015 gestiegen ist. Aufbauend darauf wurde ein Forschungsprojekt initiiert, um die Entwicklung von Rekommunalisierungen öffentlicher Dienstleistungen in allen Sektoren in den letzten 15 Jahren zu beleuchten. Das aktuelle Projekt wurde vor wenigen Tagen abgeschlossen: Für „Reclaiming Public Services: How cities and citizens are turning back privatisation“ wurden Entwicklungen und Trends analysiert sowie weltweit 835 Fallbeispiele in mehr als 1.600 Städten und 45 Ländern gesammelt, davon über 300 im deutschsprachigen Raum. Betroffen sind viele Branchen, wie zum Beispiel Wasserversorgung, Energie, Abfallentsorgung und soziale Dienstleistungen.
Privatisierungen brachten Arbeitsplatzverluste und Lohneinbußen
Die Erfahrungen mit Privatisierungen sind aus Sicht der ArbeitnehmerInnen vorwiegend negativ. In den meisten Fällen brachten sie Verschlechterungen der Löhne und Arbeitsbedingungen mit sich. In England, dem Mutterland des Privatisierungstrends ab den 1980er-Jahren, war es sogar deklariertes Ziel von Premierministerin Margaret Thatcher, die Macht der Gewerkschaften zu brechen und Löhne niedrig zu halten.
In Deutschland und Österreich wurden Privatisierungen weniger radikal argumentiert – betont wurden in den Debatten vorwiegend vermeintliche Kosten- und Effizienzvorteile privater Leistungserbringung. Dennoch hatten auch in Deutschland und Österreich Privatisierungen gravierende Folgen für die Beschäftigten der vormals öffentlichen Unternehmen. Nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung gingen allein in Deutschland durch Privatisierungen in der Daseinsvorsorge zwischen 1989 und 2007 rund 600.000 Arbeitsplätze verloren. Für jene Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz behalten konnten, waren Privatisierungen häufig mit deutlicher Intensivierung der Arbeit bei geringerer Bezahlung und schlechteren Arbeitsbedingungen verbunden. Ebenso üblich war eine vertragliche Schlechterstellung neu eingestellter MitarbeiterInnen gegenüber der alten Stammbelegschaft nach einer Privatisierung. Prekäre Beschäftigungsformen und Leiharbeit nahmen zu.
Die Rolle der ArbeitnehmerInnenvertretungen in der Rekommunalisierungsdebatte
Die ArbeitnehmerInnenvertretungen setzen in Rekommunalisierungen die Hoffnung, dass Verschlechterungen für die Beschäftigten wieder zurückgenommen werden. Der öffentliche Sektor hat nach wie vor ein Arbeitsregime mit vergleichsweise guten Arbeitsbedingungen und gesicherten Beschäftigungsverhältnissen. Sobald die öffentliche Hand politische Steuerungsmöglichkeiten zurückgewinnt, kann sie prekärer Beschäftigung einen Riegel vorschieben und reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen. Vorteile können sich auch für den Arbeitsmarkt der Städte und Regionen ergeben, wo die Rekommunalisierung stattfindet. Beschäftigung kann vor Ort geschaffen und so die lokale Kaufkraft gestärkt werden.
Es geht den ArbeitnehmerInnenvertretungen bei ihren Forderungen nach Rekommunalisierungen aber nicht nur um unmittelbare Besserstellungen für die Beschäftigten. Die deutsche Gewerkschaft Ver.di betont etwa die Generierung von Einnahmen für die öffentliche Hand sowie den Rückgewinn von politischem Gestaltungsspielraum als Chancen von Rekommunalisierungen. Auch könne der Zielkonflikt zwischen privater Gewinnmaximierung und Gemeinwohlorientierung zugunsten der Allgemeinheit gelöst werden.
Trotz all dieser Argumente für Rekommunalisierungen gab es in Deutschland vereinzelt Fälle, in denen sich ArbeitnehmerInnenvertretungen gegen die Rückabwicklung von Privatisierungen stark machten. Die Ursachen dieser Skepsis lagen vor allem in der schlechten finanziellen Lage mancher Kommunen sowie im nach vielen Jahren privater Betriebsführung fehlenden Know-how. Insbesondere im Energiesektor kam es zu kontroversiellen Auseinandersetzungen zwischen der Vertretung der Belegschaft und den Gewerkschaften des öffentlichen Sektors.
Verbesserungen durch Rekommunalisierungen besonders in Niedriglohnbranchen
Im Rahmen des TNI-Forschungsprojekts wurden zu etwa zwanzig Rekommunalisierungsfällen in Deutschland und Österreich genauere Informationen über die Auswirkungen auf die Beschäftigten gesammelt. In einem Großteil der dokumentierten Fälle führte die Rekommunalisierung zu spürbaren Verbesserungen für die Beschäftigten. Besonders häufig sind Verbesserungen in jenen Branchen, wo ArbeitnehmerInnen mit niedrigen Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen und befristeten Verträgen zu kämpfen haben, wie beispielsweise in der Gebäudereinigung, der Abfallwirtschaft und im Rettungsdienst. Befürchtungen bezüglich Verschlechterungen haben sich bisher nicht bewahrheitet.
Eine wichtige Rolle spielt das Motiv der Rekommunalisierung. Ist das Ziel nicht stärkere Gemeinwohlorientierung, sondern Kosteneinsparungen und höhere Effizienz, ist zumindest Vorsicht geboten. Diese Ziele dürfen nicht auf Kosten der Beschäftigten realisiert werden. Bei aller Freude über die Rückkehr zur öffentlichen Daseinsvorsorge gilt es also, die damit verbundenen gesellschaftspolitischen Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren. Rekommunalisierungen allein lösen kein Problem, da mit ihnen nicht zwangsläufig ein Ausstieg aus einer engen betriebswirtschaftlichen Logik verbunden ist. Auseinandersetzungen über die Daseinsvorsorge dürfen nicht bei der Frage der Eigentümerkonstruktion stehen bleiben, sondern müssen die ökonomischen Rahmenbedingungen der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen selbst zum Thema machen.
Dieser Beitrag ist in englischer Sprache als Langfassung in der TNI-Publikation „Reclaiming Public Services: How cities and citizens are turning back privatisation“ veröffentlicht.