Crowdwork-Plattformen: Wie technische Limitierungen beseitigt und Arbeitsbedingungen verbessert werden können

24. August 2018

Der Arbeitsprozess von Crowdworkern wird wesentlich über die technischen Gegebenheiten von Software-Plattformen bestimmt. Sie beeinflussen die Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten zur Selbstorganisation der Menschen, die über diese Plattformen arbeiten. Eine Studie der Technischen Universität (TU) Wien in Kooperation mit der AK identifiziert aktuelle technische Limitierungen und zeigt Möglichkeiten auf, wie das digitale Arbeitsumfeld verbessert werden kann.

Die Ausgangslage

Crowdwork ist eine neue Form, Arbeitsprozesse zu organisieren. Dabei werden Arbeitsaufgaben über webbasierte Software-Plattformen an eine große externe Gruppe von Arbeitskräften, die „Crowd“, ausgelagert. Die Steuerung des Arbeitsprozesses – von der Beschreibung der Arbeitsaufgabe, der Anwerbung und Koordination von Workern bis zur Abwicklung der Bezahlung – erfolgt über die Plattform. Jeder, der Zugang zum Internet hat, kann theoretisch an plattformbasierter Arbeit teilnehmen. Auch in Österreich spielt das eine wachsende Rolle.

Mit zunehmender Bekanntheit rückt das Phänomen ins Zentrum öffentlicher Debatten, etwa mit der Frage, wie die Worker arbeits- und sozialrechtlich abgesichert werden können. Während viele arbeits- und sozialrechtliche Fragen auf politischer Ebene gelöst werden müssen, könnten Verbesserungen der konkreten Arbeitsbedingungen zusätzlich von den Plattformen selbst gelöst werden – etwa durch technische Adaptionen. Das Ziel der Studie war nun zweierlei: erstens die technischen Prozesse von Crowdwork verständlich zu machen und zweitens technische Limitierungen aufzuzeigen, deren Lösungen die Arbeitsbedingungen von Crowdworkern verbessern würden. Damit sollten drittens Gestaltungsalternativen aufgezeigt werden.

Dazu wurde nach einer Literaturanalyse eine qualitative Untersuchung von acht Crowdwork-Plattformen sowie von 25 Online-Community-Plattformen, die Crowdworker zur Selbstorganisation nutzen, durchgeführt.

Der Mythos vom einsamen Worker

Die erste wesentliche Erkenntnis: Die weit verbreitete Annahme, dass Crowdworker vollkommen isoliert arbeiten, erweist sich als falsch. Wie die Studie aufzeigt, hat sich rund um Crowdwork-Plattformen ein Ökosystem aus Foren, Gruppen und Werkzeugen entwickelt, in dem Worker sich auf vielfältige Weise austauschen und zusammenarbeiten. Der Grund dafür ist recht einfach: Worker haben solche Netzwerke entwickelt, weil wichtige Community-Funktionen und Unterstützung für Zusammenarbeit bei Crowdwork-Plattformen selbst meist fehlen. Der Austausch passiert dabei über vier Arten:

  1. Online-Foren von Drittanbietern, die meist nur von Crowdworkern einer bestimmten Plattform genutzt werden (z.B. MTurkGrind, CloudMeBaby, Fahrradkurier-Forum)
  2. Online-Foren, die von Crowdwork-Plattformen selbst betrieben werden (z.B. Upwork Community, Clickworker Lounge)
  3. Gruppen auf Social-Media-Plattformen (z.B. Facebook-Gruppen, WhatsApp-Gruppen)
  4. Crowdwork-spezifische Plattformen, die von Dritten entwickelt wurden, um bestimmte Aspekte im Crowdwork-Prozess zu verbessern (z.B. Dynamo, TurkerView)

Die Motive für die Selbstorganisation sind vielfältig:

  • Bewältigung von administrativem Aufwand und Schaffung von Sicherheit: Hier geht es etwa um das Informationsbedürfnis von „Neulingen“ bei der Accounterstellung, das Vermeiden von Betrug, die Abwicklung von Bezahlung.
  • Informationsaustausch: etwa über neue Aufgaben (z.B. über Stundenaufwand) und Auftraggeber (z.B. über deren Reputation in Bezug auf Bezahlung, Erreichbarkeit, Vertrauenswürdigkeit)
  • Kollaboration: z.B. zusammen an einer Aufgabe zu arbeiten und sie gemeinsam fertigzustellen
  • Soziale Interaktion: um sich gegenseitig zu unterstützen und auszutauschen, da eine traditionelle Arbeitsumgebung fehlt

Zentrale Themen

Außerdem wurde untersucht, über welche Themenbereiche und Problemfelder die Worker sich auf den Online-Community-Plattformen vor allem austauschen. Dabei hat er folgende, besonders relevante Themen identifiziert:

  • Die jeweilige nationale Rechtslage und Pflichten: Hier geht es etwa um Fragen zu Steuern und Versicherung.
  • Sozialer Austausch: Wie bereits beschrieben besteht offenbar ein großes Bedürfnis nach sozialem Austausch auch zu Crowdwork-fernen Themen, wie z.B. Sport oder Unterhaltung.
  • Tools und Werkzeuge, die im Arbeitsprozess verwendet werden
  • Fragen zu den Prozessen: Oft werden z.B. Schwierigkeiten mit dem Registrierungsprozess und der effektiven Task-Auswahl diskutiert, aber auch Unklarheiten über das Zustandekommen von Worker-Profilen und Qualifikationen oder Kriterien für das Sperren von Worker-Accounts werden besprochen. Oft wird auch erfragt, wie es um die Möglichkeit steht, die Auftraggeber direkt zu kontaktieren, um eventuelle Unklarheiten bei der Aufgabenbeschreibung klären zu können.
  • Arbeitsbedingungen: Hier steht der Austausch über die Ablehnung von Arbeitsergebnissen und damit verbundene Nicht-Bezahlung der Arbeitsleistung, unfaire Bezahlpraktiken, Massen-Ablehnungen im Zentrum. Es geht aber auch um Probleme wie unerwartete Änderungen von Fälligkeitsdaten für Arbeitsaufgaben, fehlende Möglichkeit, einen Urlaub bekannt zu geben, oder Accountsperren nach Interaktion mit anderen Workern.
  • Bezahlung: alle Fragen um Entlohnung – von der Überweisungsabwicklung bis hin zur Möglichkeit von Bonuszahlungen.
  • Aufgaben (Tasks): Die Diskussion der Qualität von Aufgaben ist ein zentrales Thema, dem meist viel Raum gewidmet wird.
  • Verbesserungsmöglichkeiten
  • Auftraggeber (Requester): Oft werden Listen mit „schlechten“ Auftraggebern als Warnung für andere Worker gepflegt. Ein anderes oft diskutiertes Thema ist die Frage, wie viele Requester eigentlich von den Plattformen über die Crowdworker erfahren.

Limitierungen und Verbesserungspotentiale

An mehreren Stellen im Crowdwork-Prozess wurden technische Limitierungen festgestellt, durch deren Behebung eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erreicht werden kann. Dazu gehört etwa, dass die Abnahmeprozesse nicht gut strukturiert sind und es keine Requester-Bewertungsmöglichkeiten gibt. Diese könnten auf den jeweiligen Plattformen realisiert werden.

Ein weiteres Problemfeld ist fehlende Transparenz, etwa darüber, welche Metadaten von Workern gesammelt werden und ob diese in die Worker-Profile einfließen.

Notwendig wäre auch, die mangelnde Daten-Interoperabilität zu beheben. Denn im Moment haben Worker kaum die Möglichkeit, ihre Arbeitshistorie von einer Plattform zu exportieren. In der Praxis heißt das: Wenn Worker für eine andere Plattform arbeiten wollen, müssen sie quasi bei null beginnen und sich erneut eine Reputation aufbauen. Das führt zu einer niedrigen Mobilität der Worker und auch der Wettbewerb zwischen Plattformen leidet. Hier könnten Exportfunktionen Abhilfe schaffen. So könnte man einen mitnehmbaren digitalen Lebenslauf schaffen.

Ein weiterer Vorschlag des Reports ist, eine Ombuds-API zu schaffen – also die Verfügbarmachung einer Anknüpfung an bestehende Schlichtungsstellen, über die Crowdworker Beschwerden durch wenige Klicks abgeben könnten. Das erscheint vor allem deshalb sinnvoll, weil es sich bei Crowdwork-Prozessen oft um kurze Tätigkeiten handelt und der Aufwand einer Meldung von Problemen den Wert der eigentlichen Tätigkeit um ein Vielfaches übersteigt, was dazu führt, dass Mängel selten gemeldet werden und erst spät oder bei gravierenden Verstößen auffallen.

Vorgeschlagen wird auch ein auditierbarer Prozess für Crowdwork-Systeme, um überhaupt überprüfen zu können, ob Empfehlungen oder Richtlinien in Software-Systemen umgesetzt werden. Dafür schlägt der Studienautor die Erarbeitung eines ISO/IEC-Standards für Crowdwork-Systeme vor, der die Definition von wesentlichen Prozessen und Richtlinien und deren Umsetzung regelt. Plattformbetreibern wird damit ermöglicht, sich durch einen unabhängigen, externen Auditor auf Konformität prüfen zu lassen.

 

Den gesamten Projektbericht finden Sie hier: Projektbericht downloaden