Glaubt man den internationalen Rankings, so driftet der Wirtschaftsstandort Österreich trotz zuletzt hervorragender Wirtschaftsdaten langsam, aber sicher ab – und die neue Regierung hat daran bisher nichts ändern können. Aber leisten die Standortvergleiche tatsächlich das, was sie vorgeben – nämlich wissenschaftlich unterstützte Politikberatung in Fragen langfristiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung? Kaum, bestenfalls im Detail bei einzelnen Subindikatoren, aber auch hier ist man bei den erhebenden Institutionen selbst besser beraten. Was am Ende übrig bleibt, ist Lobbyismus für die Interessen der „Wirtschaft“.
Wenn schon die Rankings auf der ganzheitlichen Ebene kaum wirkliche Erkenntnisse liefern, kann man wenigstens im Detail etwas aus ihnen herauslesen?
Im vergangenen Mai schien es noch so, als hätte allein schon die Absichtserklärung der neuen Bundesregierung, eine „Staatszielbestimmung Wirtschaftsstandort“ in der Verfassung zu verankern, ihren ersten Niederschlag in den Standortrankings gefunden. Im „World Competitiveness Scoreboard“ (WCS) des „Institute for Management Development“ (IMD) machte Österreich einen beachtlichen Sprung vom 25. auf den 18. Platz. Im Oktober kehrte allerdings wieder Ernüchterung ein. Im „Global Competitiveness Index“ (GCI) des „World Economic Forum“ (WEF), dem zweiten der breitangelegten internationalen Standortvergleiche, rutschte der heimische Standort vier Plätze ab. Ebenso viele Ränge gingen im „Doing Business“-Index (DB) der Weltbank (WB), einem weltweiten Vergleich der unternehmensrelevanten Regulierungsregime, verloren. Diese Resultate stehen nicht nur – wie auf diesem Blog schon des Öfteren angesprochen, zuletzt von Markus Marterbauer – im Widerspruch zu den v. a. im internationalen Vergleich hervorragenden (aktuellen) Wirtschaftsdaten, sie sind auch symptomatisch für die Grundproblematik des Versuchs, die Qualität eines Lebens- und Wirtschaftsraumes in einer einzigen Zahl abzubilden und zu beurteilen.
Stimmen die Messungen?
Fakt ist, und das zeigt auch die Grafik, dass in jedem der drei analysierten Rankings Österreich seit 2009 tendenziell mehr oder weniger deutlich an Boden verloren hat (trendbereinigt etwa sechs Plätze im Durchschnitt). Dies geschah in einem Auf und Ab, bei dem Sprünge von vier und mehr Plätzen innerhalb eines Jahres keine Seltenheit waren, ebenso wenig wie die gegenläufigen Bewegungen des heurigen Jahres. Nimmt man einmal die langfristige Entwicklung als gegeben an, geht aber von der Tatsache aus, dass sich Wirtschaftsstandorte nicht sprunghaft, sondern stetig entwickeln, drängt sich dem kritischen Betrachter sofort eine Frage auf: Wären die Standortrankings Thermometer, die in einem sich kontinuierlich abkühlenden Raum nicht nur einmal eine deutliche Temperaturerhöhung, ein anderes Mal eine signifikante Senkung anzeigen, sondern sich auch gegenseitig immer wieder widersprechen, was würde man von deren Messgenauigkeit halten?