Der Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer hat jüngst die Diskussion über den Standort Österreichs in einem bekannten Diktum neuerlich angefacht und damit wieder jenes Standortargument strapaziert, welches fest im Argumentationspool der Industrie zu liegen scheint. Argumente, Vergleichszahlen und Indikatoren finden sich zuhauf, denn es existiert bereits eine große Zahl an internationalen Benchmarkingstudien und Rankings, welche allesamt eine Fülle an Vergleichsindikatoren anbieten. Daraus werden dann – je nach Standpunkt und Interessenslage – Argumente in Hinblick auf eine Standortproblematik oder auch in Richtung Standortvorteile abgeleitet. Für politische Entscheidungsträger ist dies ein beliebtes Indikatorensammelsurium, um politische Botschaften zu untermauern. Doch wie steht es wirklich um den Standort Österreich? – Versuch einer seriösen Antwort.
Standortattraktivität allgemein
In den letzten Jahren sind Fragen nach der internationalen Standortattraktivität in vielen Ländern auf der wirtschaftspolitischen Agenda nach oben gerückt. Schließlich verschärft die zunehmende Mobilität der Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Wissen die Konkurrenz nicht nur unter den Unternehmen sondern auch unter den Volkswirtschaften. Denn eine Volkswirtschaft ist dann in der Lage, die Voraussetzungen für nachhaltigen Wohlstand zu erfüllen, wenn sie im internationalen Standortwettbewerb Kapital und Knowhow in Form von hochqualifizierten Arbeitskräften anzuziehen und der Abwanderung solcher Faktoren entgegenzuwirken vermag. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind daher so zu gestalten, dass der Standort im Rahmen der globalen Arbeitsteilung eine hinreichende Rendite von innovations- und wertschöpfungsintensiven Aktivitäten ermöglicht.
Industrierelevante Standortfaktoren
Allerdings nehmen viele Studien zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit häufig entweder eine makroökonomische oder eine explizite mikroökonomische Perspektive ein, fragen also nach den Erfolgsfaktoren von Volkswirtschaften insgesamt oder von einzelnen Unternehmen. Hingegen stehen Fragen nach den Rahmenbedingungen sowie den Standortfaktoren, welche für die Industrie besonders relevant sind, kaum im Fokus internationaler Vergleichsstudien. Aber auch bei der Herausarbeitung industrierelevanter Standortfaktoren besteht die Gefahr einer zu engen Fokussierung auf die Motive von Direktinvestitionen oder auch einer oberflächlichen Betrachtung relevanter Standortfaktoren.
Die Standortfaktorenanalyse des IW Köln
Einen umfassenden und methodisch interessanten Versuch, maßgebliche Standortfaktoren für die Industrie international zu vergleichen, unternahm jüngst das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW 2012). Auf der Basis von 58 Einzelindikatoren aus internationalen Datenbanken (Weltbank, OECD etc.) wurden in der Studie sechs Themenbereiche definiert, welche allesamt relevant für die Standortqualität von Unternehmen sind: