Der Wahlkampf führt den Österreicherinnen und Österreichern immer merkwürdigere Szenarien vor. Zuletzt etwa in Form der harschen Kritik von Wirtschaftsseite am – sonst selbst so hoch gelobten – Standort. (Die Original-URL auf wko.at wurde mittlerweile gelöscht) Tatsächlich halten diese Äußerungen zum Wirtschaftstandort Österreich einem Faktencheck nicht Stand. Wie wichtige Indikatoren zeigen.
Die Finanzministerin erklärte zunächst, dass nach einer nur ihr vorliegenden Studie (aus dem eigenen Ressort, laut Medienberichten im Gesamtausmaß von weniger als einer Seite) in den letzte Jahren tausende Arbeitsplätze, und hunderte Steuermillionen verloren gingen. Veröffentlichen will man die Studie freilich nicht. Nur wenige Woche später bläst Wirtschaftskammerpräsident Leitl ins selbe Horn, wenn er meint der Standort Österreich sei „abgesandelt“.
Hat man die europäische Entwicklung der letzten Jahre in den Zeitungen verfolgt, oder verfolgt man die Entwicklung gar von Berufs wegen, könnte man glauben, von einem völlig anderen Land ist die Rede. Da sollen zuhauf die Unternehmen abwandern, Arbeitsplätze verschwinden, ausländische Unternehmen die investieren wollen kalte Füße bekommen sobald sie den Namen Österreich hören.
Was sagen uns Rankings?
Eine der Quellen, die gerne zitiert werden sind diverse Rankings über Standort, Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand, usw. Diese Rankings werden je nach Anlassfall gerne von WirtschaftsvertreterInnen als getarntes Lobbyinginstrument benützt – in diesem Fall bezog sich Christoph Leitl auf jenes des IMD. Die Rankings lassen sich gut an die Medien verkaufen, sind sie doch so einfach zu verstehen wie das Ergebnis eines Schirennens. Aussagen wie „Wir brauchen mehr Arbeitszeitflexibilisierung – in Aserbaidschan ist das viel besser“ oder „die Lohnnebenkosten sind bei uns höher als in Thailand“ lassen sich aus den Rankings ableiten, und kommen der Wirtschaft gerade Recht. Dabei sind die Ergebnisse dieser Rankings oft absurd. Beim letzten Ranking des World Economic Forums etwa waren die Kosten für Gewalt und Verbrechen für Unternehmen in Österreich höher als in Ruanda, Kuwait und Armenien.
Diese absurden Ergebnisse sind keine Einzelfälle, sondern die Rankings sind systematisch falsch. Sie bestehen nämlich aus einer Mischung von Umfragen unter Managerinnen und Managern und verschiedensten statistischen Daten. Diese werden zu einer einzigen Zahl komprimiert und dann der Größe nach gereiht. Da stehen dann Daten über Säuglingssterblichkeit neben der Forschungsquote, der Steuerbelastung der BestverdienerInnen, und der Anzahl der Formulare für eine Betriebsgründung. Dass der Versuch, diese Dinge auf einen einzigen Nenner zu bringen, scheitern muss, ist wohl klar.
Ob Österreich in solchen Humbug-Rankings ein paar Plätze hinauf- oder hinunterrutscht, sagt somit gar nichts über die derzeitige Wirtschaftslage aus. Richtig wäre hingegen, sich je nach Fragestellung Daten zu sammeln und ökonomisch zu analysieren. Unter diesem methodisch seriösen Blickwinkel steht Österreich – in Anbetracht der Finanz- und Wirtschaftskrise – verhältnismäßig gut da.
Wie ist die Situation tatsächlich?
Wer es gewohnt ist mit Fakten zu arbeiten, diese auf Plausibilität zu prüfen, sie gegeneinander abzuwägen, wichtige Punkte von unwichtigen zu unterscheiden usw steht solchen oberflächlichen Befunden ratlos gegenüber. Zeigen doch robuste Zahlen aus seriösen Quellen ein ganz anderes Bild:
- Die Industrieproduktion in Österreich hat sich weit über dem Durchschnitt der Länder der Eurozone und der EU insgesamt entwickelt, sie ist auch kräftiger gewachsen als in Deutschland. (Quelle: Eurostat)
- Österreich befindet sich seit 20 Jahren stabil in der Gruppe der wohlhabendsten Länder (BIP pro Kopf) der Europäischen Union. Und rückte dabei vom fünften Platz 2001/2002 nach aktuellsten Daten (2012) auf den 2.Platz vor. (Quelle: AMECO Datenbank, Europäische Kommission)
- Österreichs Güter und Dienstleistungen sind international beliebt, die Leistungsbilanz ist seit über 10 Jahren positiv. (Quelle: Eurostat)
- In den letzten 30 Jahren konnte der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am BIP mehr als verdoppelt werden. Österreich liegt damit heute am 5.Platz in der EU. (Quelle: Statistik Austria, Eurostat)
- Österreich hat mit +10,4% seit 2005 die die drittbeste Entwicklung bei der Beschäftigung in der EU. Deutschland (+8,0%), Niederlande (+2,7%) und Schweden (+7,5%) liegen deutlich dahinter. (Quelle: AMECO Datenbank, Europäische Kommission)
- Nationale und internationale AnlegerInnen vertrauen Österreich. Der Zinssatz befindet sich auf einem historischen Tiefstand. (Quelle: Eurostat)
Es ist daher auch keine Überraschung, dass die an und für sich kritische OECD in ihrem aktuellen Wirtschaftsbericht zu Österreich (S.6) vorwiegend positive Worte verliert:
„Mit seiner niedrigen Arbeitslosenquote und der stetigen Annäherung an die höchsten Pro-Kopf-BIP-Niveaus konnte Österreich beachtliche Ergebnisse erzielen. Diese gingen mit geringer Einkommensungleichheit, hohen Umweltstandards und einer steigenden Lebenserwartung Hand in Hand. Möglich wurde diese Entwicklung durch eine einzigartige Kombination aus günstigen Bedingungen für den dynamischen Unternehmenssektor, einer Priorisierung der Betreuung im familiären Umfeld, einem breit gefächerten und weitreichenden öffentlichen Dienstleistungsangebot sowie einer gut funktionierenden Sozialpartnerschaft. Die Herausforderung besteht darin, diese Errungenschaften zu erhalten und den Spannungen in einem sich verändernden globalen Umfeld zu begegnen.“
Ebenfalls wenig verwunderlich erscheinen angesichts dessen auch die Ergebnisse einer europaweiten Umfrage die nach den größten Sorgen der Menschen fragte. Dabei zeigt sich, dass sich die in Österreich lebenden Menschen deutlich weniger Sorgen um Beschäftigung, wirtschaftliche Entwicklung und Pensionen machen als in anderen EU-Ländern.
Conclusio:
Der internationale Vergleich anhand seriöser Zahlen zeigt, Österreich Wirtschaft hat sehr gute Rahmenbedingungen und ist dementsprechend erfolgreich. Oder um es mit den Worten der WKO zu sagen: “Österreich – wo wirtschaftlicher Erfolg zu Hause ist” (S.2) Freilich bedarf es weiter massiver Anstrengungen um diese gute Position aufrecht zu erhalten. Dies gilt insbesondere für Reformen und Investitionen im Bildungsbereich, aber auch in Bezug auf soziale Dienstleistungen wie Pflege und Kinderbetreuung oder den sozialen Wohnbau. Sind dies doch Investitionen die nicht nur kurzfristig positive Beschäftigungseffekte erzeugen sondern sich auch langfristig positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Daneben ist Standortpolitik aber auch eine Frage des Images. Und es sei dahingestellt ob die jüngsten Äußerungen dieses nicht selbst ramponieren.