Der Rechnungshof hat die Steuerprivilegien für Konzerne im Rahmen der Gruppenbesteuerung analysiert und besorgniserregendes festgestellt. Die Gruppenbesteuerung kostet viel, man weiß aber nicht, ob sie positive wirtschaftliche Effekte hat. Das wird nämlich nicht erhoben und evaluiert. Prompt reagierte das Finanzministerium, indem es einer Zeitung Informationen aus einer eigenen „Studie“ zuspielte. Daraus geht angeblich hervor, dass durch Abwanderungen von Unternehmen alleine von 2008 bis 2012 70.000 Arbeitsplätzen verloren gegangen sind. Außerdem sei ein Steuerentfall von 1,26 Mrd. EUR entstanden. Es wird also wieder die Geschichte des permanent an Attraktivität verlierenden Wirtschaftsstandortes Österreich aufgetischt. Das spricht zwar nicht gerade für den positiven Standorteffekt der Gruppenbesteuerung, aber hier geht es um etwas anderes: Mit der Keule der drohenden Abwanderung sollen Steuerprivilegien gedeckt werden. Was haben die Menschen schon von mehr Steuergerechtigkeit, wenn sie dadurch arbeitslos werden. Dass die Zahlen völlig unplausibel sind, scheint da eine Nebensache zu sein. Überprüfen kann man die Behauptungen jedenfalls nicht, wurde die angebliche Studie doch nicht öffentlich zugänglich gemacht. – Warum bloß?
Die Gruppenbesteuerung wurde unter Finanzminister Grasser 2005 eingeführt und bewirkt, dass international tätige Unternehmen Auslandsverluste gegen Gewinne in Österreich gegenrechnen können. Folge: Sie zahlen für Gewinne in Österreich weniger oder gar keine Steuern. Die Gruppenbesteuerung ist in Österreich besonders großzügig gestaltet. Jährlich entgehen dem Budget dadurch etwa 450 Mio. an Steuereinnahmen. Das Aufkommen aus Gewinnsteuern ist dadurch um 10% gesunken. Diese Löcher im Steueraufkommen zahlen letztlich die ArbeitnehmerInnen durch eine steigende Steuerlast.
Den Bericht des Rechnungshofes finden Sie hier.
Es gibt in Österreich keine regionale Beschränkung bei der Gegenrechnung von Verlusten. Nur 3 EU–Mitgliedstaaten (Dänemark, Italien und Österreich) ermöglichten es ihren Unternehmen auch Verluste außerhalb des EU/EWR–Raums zu berücksichtigen. 9 EU–Mitgliedstaaten kannten gar kein System der Gruppenbesteuerung. In Österreich ist es sogar zulässig, ausländische Gruppenmitglieder zu berücksichtigen, mit denen kein Doppelbesteuerungsabkommen bzw. Amtshilfeabkommen besteht (so vorgekommen z.B. bei Burundi, Costa Rica und Panama). Nicht einmal die Hälfte der ausländischen Gruppenmitglieder kam aus dem „EU/ EWR–Raum“, bei einem Drittel aller ausländischen Gruppenmitglieder gab es nicht einmal eine Länderkennzeichnung in den Datenbanken der Finanzverwaltung. Dies bedeutet, dass die Angaben der Unternehmen über die Verluste im Ausland welche ihre Steuerschuld verringern oft nicht durch die Finanzbehörden überprüft werden können.
Neben der Frage der regionalen Einschränkung der Verrechenbarkeit von Verlusten von Auslandstöchtern, stellt sich die Frage, wie stark Unternehmen zusammengehören müssen, damit sie als zu einer Gruppe gehörend anerkannt werden. Müssen die Unternehmen wirtschaftlich stark verflochten sein oder werden Gruppen nur zur aggressiven Steuervermeidung zusammengebastelt? Auch hier weisen sich die österreichischen Bestimmungen laut Rechnungshof durch eine deutlich niedrigere Mindestbeteiligungsquote und eine kürzere Bindungsfrist als in anderen EU–Mitgliedstaaten aus.
So ist es kein Wunder, dass seit der Einführung der österreichischen Gruppenbesteuerung 2005 die Gesamtzahl der ausländischen Gruppenmitglieder auf mehr als das Dreifache (von 515 auf 1.792; + 248 %) angestiegen ist.
2005 bis 2010 machten österreichische Unternehmen ca. 3,1 Mrd. EUR an Verlusten und ca. 500 Mio. EUR an Nachversteuerungsbeträgen ihrer ausländischen Gruppenmitglieder geltend.
Wenn die steuerliche Gestaltung die wirtschaftlichen Verhältnisse wiederspiegeln würde, sollten sich die österreichischen Unternehmen möglichst rasch ihrer ausländischen Töchter entledigen. Denn anscheinend sind die überwiegend in den roten Zahlen.
Der Rechnungshof kritisierte weiters, dass das Finanzministerium nicht prüft ob die Ziele der Gruppenbesteuerung erreicht werden. Somit kann man nicht bekanntgeben, ob der Steuerentfall gerechtfertigt erscheint. Das Ziel der Gruppenbesteuerung war angeblich, dass sich möglichst viele Unternehmen finden, die wegen der attraktiven Rahmenbedingungen ihre Headquarter in Österreich ansiedeln. Es sollten also Konzernzentralen nach Österreich gelockt werden. Das BMF verfügt aber laut Rechnungshof über keine überprüfbaren Angaben über die Wirkungen der Gruppenbesteuerung. Im Gegenteil es stellt sich sogar die Frage ob die Gruppenbesteuerung nicht sogar einen Anreiz schafft etwa die Produktion von Österreich ins Ausland zu verlagern. Können die dort (durch Investitionen) entstandenen Verluste doch dazu genutzt werden die Steuerlast zu reduzieren.
Das wollte man natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Wenige Tage nach Veröffentlichung des Rechnungshofberichts am 18.Julio2013 ließ das Finanzministerium einer Zeitung Informationen aus einer angeblichen Studie zukommen, wonach durch Abwanderungen von Unternehmen von 2008 bis 2012 70.000 Arbeitsplätzen verloren gegangen sind und ein Steuerentfall von 1,26 Mrd. EUR entstand.
Diese Zahlen sind erschreckend, wirken aber eher unplausibel. Die AK hat einen Verlagerungsmonitor, bei der sämtliche Verlagerungen registriert werden, auf die man durch Medien, Unternehmensmeldungen oder sonstige Quellen aufmerksam wird. Dieser führt für denselben Zeitraum 2008 bis 2012 56 Verlagerungen mit 8.957 Beschäftigten an. Selbst wenn nicht alle Verlagerungen erfasst werden sollten, ist das schon eine sehr erhebliche Differenz. Eine Anfrage unsererseits um Übermittlung der Studie blieb seitens des Finanzministeriums unbeantwortet. Es ist bemerkenswert, dass die Finanzministerin Steuerprivilegien für Konzerne mit der Drohung der Abwanderung rechtfertigt und dafür unüberprüfbare Zahlen publizieren lässt. Letztlich führt sich diese Argumentation aber ad absurdum. Denn wenn derart viele Unternehmen abgewandert sein sollten, hat die Gruppenbesteuerung offenbar nur Löcher ins Budget gerissen, ohne einen positiven wirtschaftlichen Effekt zu bewirken.
P.S. Falls es noch keine Studie gibt, die zeigt, dass es umfangreiche Verlagerungen aus Österreich gegeben hat und gleichzeitig die Gruppenbesteuerung sehr effektiv war, um Konzernzentralen nach Österreich zu locken, kann diese sicher von „EcoAustria“ nachgereicht werden.