Der neue Arbeitsmarktmonitor des WIFO im Auftrag der AK zeigt, dass Österreich von anderen EU-Ländern in der Arbeitsmarktperformance überholt wird und in den meisten Bereichen nur noch im Mittelfeld liegt. Insbesondere im Bereich der Ausgrenzungsrisiken am Arbeitsmarkt schneidet Österreich relativ schlecht ab. Die Daten bestätigen viele Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte, etwa bei der Situation von Frauen am Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarktmonitor zeigt hier und in vielen anderen Bereichen konkreten Handlungsbedarf auf.
Neuer Arbeitsmarktmonitor zeigt Stärken, aber auch zunehmend Schwächen auf Wie ist es insgesamt um die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt bestellt? Zu dieser Frage führt das WIFO seit 2010 im Auftrag der AK ein jährliches Monitoring der wichtigsten Arbeitsmarkt-Indikatoren durch. Im Fokus stehen dabei fünf Bereiche (über die aus den Daten sog. „Bereichsindizes“ gebildet werden), die ein Gesamtbild der europäischen Arbeitsmärkte geben: 1) die allgemeine Leistungskraft des Arbeitsmarktes, 2) die Erwerbsteilnahme unterschiedlicher Personengruppen, 3) Ausgrenzungsrisiken auf dem Arbeitsmarkt, 4) die Verteilung der Erwerbseinkommen sowie 5) die Umverteilung durch den Sozialstaat. Der Bericht umfasst alle EU-Länder, sodass Österreich mit den anderen Mitgliedsstaaten der EU verglichen werden kann.
Wie die einzelnen EU-Länder in den Arbeitsmarktbereichen performen, zeigt der grafische Überblick (Datenbasis: EUROSTAT 2021):
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Insgesamt zeigt sich, dass andere EU-Länder ihre Arbeitsmarktsituation schneller verbessern und Österreich damit überholen. So ist Österreich im Jahr 2022 im EU-Vergleich nur noch hinsichtlich der Dimension „Umverteilung durch den Sozialstaat“ im EU-Spitzenfeld und in gleich zwei Bereichen bereits im unteren Mittelfeld: in der „allgemeinen Leistungskraft des Arbeitsmarktes“ sowie den „Ausgrenzungsrisiken“. Das ist eine deutliche Verschlechterung zum Vorjahr (2021), wo Österreich in puncto Erwerbsteilnahme unterschiedlicher Personengruppen noch im Spitzenfeld abschnitt und auch die allgemeine Leistungskraft des Arbeitsmarktes noch im oberen Mittelfeld lag.
Stärken des österreichischen Arbeitsmarktes Zunächst zu den erfreulichen Nachrichten: Die Umverteilungswirkung durch den österreichischen Sozialstaat ist nach wie vor hoch. Österreich hat einen besser ausgebauten Sozialstaat als die meisten anderen EU-Länder und lag mit Ausgaben von 33,2% des BIP im Jahr 2020 auf Rang 3 in der EU (EU-Durchschnitt waren 30,3%). Dadurch liegt die Armutsgefährdungsquote nach dem Erhalt von Sozialleistungen bei 14,7% und wäre ohne Sozialstaat dreimal so hoch. Österreich gehört außerdem mit einem realen BIP pro Kopf von 36.950 € im Jahr 2021 zu den reichsten Ländern der EU . Damit nimmt Österreich Rang 7 ein (der EU-Durchschnitt sind 27.880 €). Auch die Arbeitsproduktivität der Beschäftigten ist nach wie vor hoch und die siebthöchste innerhalb der EU. Damit sind auch die Löhne und Gehälter vergleichsweise hoch . Was die Erwerbsteilnahme betrifft, gibt es in Österreich nur sehr Wenige, die unfreiwillig befristete Arbeitsverträge haben. Der Anteil der unfreiwillig befristeten Beschäftigten ist mit 0,3% der geringste der ganzen EU (im EU-Durchschnitt sind es 5%). Auch die Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren ist vergleichsweise niedrig , hier liegt Österreich mit 11% am 6. Platz (EU-Schnitt: 16,6%). Schwächen des österreichischen Arbeitsmarktes Besonders hoch sind in Österreich die sogenannten Ausgrenzungsrisiken am Arbeitsmarkt. Insbesondere Frauen mit Betreuungspflichten haben es am österreichischen Arbeitsmarkt schwer. So liegt Österreich beim Anteil der Frauen, die aufgrund von Betreuungspflichten nur Teilzeit arbeiten können mit fast 20% am vorletzten Platz der EU (dahinter sind nur noch die Niederlande). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Betreuungsquote von Kindern unter 3 Jahren in formalen Betreuungseinrichtungen in Österreich sehr niedrig ist. Sie liegt mit knappen 10% der Kinder, die über 30 Stunden pro Woche betreut werden, auf dem fünftletzten Platz der EU (im EU-Schnitt sind es 21,1%, in Dänemark z.B. 61%). Eine weitere Dauerbaustelle betrifft den Gender-Pay-Gap , der gemessen als Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Männern und Frauen in Österreich mit 18,8% der zweithöchste der gesamten EU ist (nach Estland, EU-Schnitt sind 12,7%).
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Im Bereich der Arbeitslosigkeit besteht insbesondere bezüglich der Langzeitarbeitslosenquote bei älteren Männern (55- bis 64-jährig) großer Aufholbedarf. Sie ist in Österreich mit 57,6% überdurchschnittlich hoch (EU-Schnitt sind 54,7%). Auch der Anteil der Menschen, die für einen Niedriglohn arbeiten, ist in Österreich hoch. Als Niedriglohn gelten Löhne, die höchstens zwei Drittel des nationalen Medianlohnes ausmachen (gemessen am Bruttostundenverdienst). Die Niedriglohnbeschäftigtenquote ist mit 14,8% nur leicht unterdurchschnittlich (EU-Schnitt sind 15,2%). Bei Frauen ist sie mit 22,4% mehr als doppelt so hoch als bei Männern (9,3%) und deutlich über dem EU-Schnitt von 18,2%. Die Armutsgefährdungsquote der Erwerbstätigen ist mit 7,5% ebenfalls unterdurchschnittlich (EU-Schnitt: 8,9%). Einen Platz im unteren Mittelfeld nimmt Österreich auch bei der Frage ein, wie weit unter der Armutsgefährdungsgrenze das Einkommen der armutsgefährdeten Personen liegt, also wie tiefgreifend die Armutsgefährdung von betroffenen Menschen ist. Dies wird ausgedrückt in der Armutsgefährdungslücke , die als Abstand zwischen dem Medianeinkommen von armutsgefährdeten Personen und der Armutsgefährdungsschwelle berechnet wird. In Österreich beträgt sie 22,2% (im EU-Schnitt sind es 24,2%). In puncto Gesundheit gäbe es für Österreich viel aufzuholen. Die erwartbaren gesunden Lebensjahre liegen deutlich unter dem EU-Schnitt (bei Frauen sind es 59,3 Jahre im Vergleich zum EU-Schnitt von 64,5 Jahren und bei Männern 58,2 Jahre im Vergleich zum EU-Schnitt von 63,5 Jahren). Außerdem gibt es in Österreich überdurchschnittlich viele tödliche Arbeitsunfälle (2,4 pro 100.000 Beschäftigte im Vergleich zum EU-Schnitt von 1,8). Zu guter Letzt hinkt Österreich im Bereich der Bildungsausgaben hinterher. Mit 5,1% des BIP befindet sich Österreich im unteren Mittelfeld (EU-Schnitt sind 5,0%). Die Teilnahme von Erwachsenen an Aus- und Weiterbildung ist zwar insgesamt überdurchschnittlich, jene an betrieblicher Weiterbildung jedoch mit knappen 35% deutlich unterdurchschnittlich (EU-Schnitt sind immerhin 42,4%). Forderungen für einen besseren Arbeitsmarkt Viele langjährige Forderungen der AK würden zu einer deutlichen Verbesserung der österreichischen Arbeitsmarktperformance beitragen, wie die neuen Analysen zum wiederholten Mal beweisen .
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