Sharing Economy – gut oder böse?

08. August 2017

Teilen über das Internet liegt voll im Trend. Durch die „Sharing Economy“ entstehen neue Chancen, aber auch Risiken. Der Beitrag beschäftigt sich mit positiven und negativen Folgen der „Sharing Economy“ und der Arbeit in Cloud & Crowd. Es werden internationale Forderungen, Bewegungen und Beispiele zu betrieblicher Mitbestimmung auf Onlineplattformen beleuchtet und mögliche neue Wege für eine „gute“ Sharing Economy aufgezeigt.

Vielfältige, gute und böse „Sharing Economy“

In der „Sharing Economy“ können Güter und Dienstleistungen kostengünstiger, ressourcenschonender und nachhaltiger angeboten, verkauft oder getauscht werden. Mithilfe innovativer Mietkonzepte, Tausch-, und Vermittlungsplattformen für geteilte Güter- und Dienstleistungsnutzung sprangen neben gemeinnützigen Plattformen (z. B. Foodsharing, FragNebenan, Fairleihen) auch viele gewinnorientierte Unternehmen (z. B. Airbnb, Book a Tiger, Car2Go) auf den Trend des Teilens auf. Das Prinzip ist an sich nichts Neues, da Unternehmen und Privatpersonen untereinander schon immer Güter und Dienstleistungen geteilt und getauscht haben (z. B. Büchereien, Maschinenringe). Das Neue betrifft allerdings die Zuhilfenahme der digitalen Technik und Infrastruktur (insbesondere Computer, Smartphones und das Internet), die einen Boom von „Sharing Economy“-Praktiken ausgelöst hat. Durch die Digitalisierung und die Entstehung von Onlineplattformen konnten die Transaktionskosten erheblich gesenkt werden und mithilfe von Ratings Vertrauensmechanismen geschaffen werden, die das kleinteilige und kurzfristige Teilen, Leihen und Verkaufen von Gütern und Dienstleistungen lohnenswert machen. „Sharing Economy“-Plattformen gibt es mittlerweile in unterschiedlichen Segmenten (z. B. Mobilität, Unterkunft, Service, Mode).

Abbildung 1: „Sharing Economy“ in unterschiedlichen Bereichen

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Heiling/Schumich (2016), in Anlehnung an Antalovsky/Bartik/Lutter

Cloud-, Crowd- und Gigwork

Als Gewerkschaften und Arbeiterkammern gilt unser besonderes Augenmerk der Arbeit, die auf Plattformen geleistet wird. Sie ist vielfältig, sowohl was die Art als auch den Ort anbelangt. Es gibt Plattformen, die Arbeit vor Ort organisieren, wie etwa Fahrtendienste (Uber, Foodora) oder Reinigungsdienstleistungen (Helpling, Book a Tiger). Diese Art der Dienstleistungsarbeit auf Abruf wird auch Gigwork genannt, angelehnt an MusikerInnen, die nur pro Gig/Auftritt bezahlt werden. In diesem Fall ist die Einhaltung von nationalen rechtlichen Grundlagen leichter handhabbar. Jene Plattformen, die Arbeit online organisieren und verrichten – auch Cloudwork genannt –, agieren oft weltweit (etwa Clickworker, Amazon Mechanical Turk, 99 Designs). Hier ist es bedeutend schwieriger, geltende Rechte durchzusetzen. Auch die Art der Arbeit ist unterschiedlich: Es gibt Plattformen (siehe Abbildung 2), die sehr kleinteilige Arbeiten vergeben, sogenannte Mikrotasks: Beschriften von Kleidungsstücken oder Fotos sind hier gängige Aufträge. Andere richten sich an ProfessionalistInnen, wie ÜbersetzerInnen oder GrafikdesignerInnen. René Schindler, Bundessekretär der PRO-GE, stellt im Video zur Veranstaltung „Sharing Economy: Fluch oder Segen“ die Kernfrage: „Wo funktioniert das Geschäftsmodell der Sharing Economy wirklich auf Basis des ‚Teilens‘ und wo basiert es darauf, dass es gesetzliche Regelungen umgeht?“. Eine rechtliche Einschätzung dieser Frage unternimmt das Buch Arbeit in der Gig Economy.

Abbildung 2: Kategorisierung von Arbeitsplattformen in der Plattformökonomie

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: Schmidt (2017), URL: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/12826.pdf © A&W Blog
Quelle: Schmidt (2017), URL: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/12826.pdf

Internationale Forderungen: Frankfurter Erklärung

Die technisch einfache Handhabung, Arbeit über Plattformen theoretisch weltweit zu organisieren, schreit förmlich nach internationaler Zusammenarbeit. Der ÖGB und die AK haben gemeinsam mit Gewerkschaften aus Deutschland, Schweden, Dänemark und den USA mit der Frankfurter Erklärung eine erste Grundlage für grenzüberschreitende Forderungen für faire Plattformarbeit geschaffen. Diese reichen von fairer Bezahlung, dem Recht sich gewerkschaftlich zu organisieren, einer guten sozialen Absicherung bis hin zu mehr Transparenz von Unternehmensdaten von Plattformen.

Die ersten Schritte der Organisierung

Rund um Plattformen haben die PlattformarbeiterInnen bereits erste Schritte unternommen, sich zu organisieren. In der Arbeitsplattform des Online-Händlers Amazon zum Beispiel, haben sich die Online-ArbeiterInnen vernetzt und ein Programm entwickelt, mit dem sie Informationen über ihre AuftraggeberInnen austauschen und so mehr Transparenz herstellen können. Und weltweit schaffen es PlattformarbeiterInnen immer öfter in die Schlagzeilen. Seien es Uber-FahrerInnen, die in London ihren ArbeitnehmerInnenstatus erfolgreich vor Gericht einklagen oder streikende FahrradbotInnen in Italien und Schweden, die mehr Lohn für ihre Arbeit von der Onlineplattform fordern. Es tut sich was.

Plattform-Betriebsrat: Foodora

Aus dem ehemals kleinen Unternehmen Foodora, das Essen durch auffällig rosa gekleidete FahrradbotInnen zustellt, ist binnen drei Jahren ein europaweit agierendes Unternehmen geworden. Die Bestellung und Zuteilung der Arbeit erfolgt über eine Onlineplattform. Eine Gruppe engagierter Foodora-FahrerInnen hat nun mit Unterstützung der Gewerkschaft vida einen Betriebsrat gegründet. „Wir wollen ein Unternehmen, für das wir auch gerne arbeiten“, sagt die neue Betriebsratsvorsitzende Adele Siegl in einem Video.

Neue Wege: Plattformkooperativen

Einen gänzlich neuen Weg für faire Arbeitsbedingungen in der Gig Economy stellt die Bewegung des Plattform-Kooperatismus dar, eine genossenschaftliche Organisation von Plattformen. Die Menschen, die für Plattformen arbeiten, besitzen diese auch. Ein Beispiel dafür ist Up & Go, eine amerikanische Plattform, die professionell Reinigungsdienste und Kinderbetreuung anbietet. Anders als herkömmliche Plattformen, die bis zu 30 Prozent der Einkommen der Beschäftigten einbehalten, braucht Up & Go lediglich fünf Prozent für Plattformbetrieb und Werbung. Die PlattformarbeiterInnen bestimmen als EigentümerInnen ihre Arbeitsbedingungen und arbeiten zu besseren Löhnen.

Die gute Nachricht ist also: Innovation findet statt. Wir müssen aber sicherstellen, dass innovative Geschäftsmodelle auf fairen Spielregeln basieren und nicht zulasten der arbeitenden Menschen gehen. Denn Lohn-, Sozial- und Steuerdumping ist nicht innovativ.

Weiterführende Literatur:

Sharing Economy: Die Ökonomie des Teilens aus Sicht der ArbeitnehmerInnen. Das Buch befasst sich mit der Vielfältigkeit von „Sharing Economy“-Onlineplattformen und geht auf neue Trends aus Sicht der ArbeitnehmerInnen ein.

Arbeit in der Gig-Economy: Rechtsfragen neuer Arbeitsformen in Crowd und Cloud. Das Buch behandelt konkrete Fallbeispiele aus unterschiedlichen Bereichen der Gig-Economy und beinhaltet Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, Organisationstrategien für Gewerkschaften, das Datenschutzrecht sowie rechtspolitische Schlussfolgerungen.

Heiling, Michael/ Schumich, Simon (2016): Zwischen Teilhabe & Marktanteilen, Entwurf einer Landkarte für die „Sharing Economy“, Kongressbeitrag für Momentum 2016, Track #3: Markt, Macht & Globalisierung.