Kommunale Antworten auf die Share Economy

03. März 2016

In den vergangenen Monaten ist viel über die neuen technologischen Entwicklungen und ihren Impact auf den Arbeitsmarkt diskutiert worden. Auch hier im Blog wurde die Frage aufgeworfen, ob die neuen Produktionsmöglichkeiten der Industrie 4.0 menschliche Arbeit ersetzen oder verändern und wie neue Arbeitsmodelle wie das Crowdworking einzuschätzen sind (hier und hier). Auch die Share Economy wurde beleuchtet. Die Stadt Wien hat nun einen Bericht vorgelegt, wie sie mit Teilen der Share Economy umgehen will.

Was ist die Share Economy

Die „Ökonomie des Teilens“ (Share Economy) wird oft als Hoffnungsträger für mehr soziale Verantwortung und Ressourcenschonung gesehen. Nachbarschaftsgärten, privates Car- und Food-Sharing oder die City Bikes in Wien stehen auch für eine Wertehaltung, die der Konsum- und Wachstumsorientierung kritisch gegenübersteht. Diese Entwicklung ist positiv, werden doch brachliegende Ressourcen deutlich besser genutzt. So wirklich neu ist diese Entwicklung allerdings nicht: Man denke nur an Bibliotheken, öffentliche Schwimmbäder oder die traditionellen Maschinenringe und Genossenschaften.

Neben diesen „Nachbarschaftshilfemodellen“ gibt es zunehmend eine kommerziell geprägte Share Economy. „Teilen statt besitzen“ ist hier das Geschäftsmodell. Die massenhafte Verbreitung von Internet und Smartphone ermöglicht es, potenzielle AnbieterInnen und NutzerInnen in Sekundenschnelle miteinander zu verbinden – und das global. Neue Unternehmen – beispielsweise im Bereich der Nächtigungsbetriebe (wie Airbnb, wimdu, 9Flats usw.) und des Transportgewerbes (Uber, Flynt, Checkrobin usw.) – sind Internetplattformen, die über Apps den UserInnen die Möglichkeit bieten, als MikrounternehmerInnen direkt mit ihren KundInnen in Kontakt zu treten.

Offene Fragen und Wiener Antworten

Dabei stellen sich zahlreiche Fragen an den Sozialstaat, das Wettbewerbsrecht, die Stadtplanung und in diversen anderen (Rechts-) Materien:

  • Wie werden Steuern und Sozialabgaben eingehoben?
  • Wie wird eine faire Entlohnung durchgesetzt?
  • Welche Versicherungen sind notwendig?
  • Wie kann eine Diskriminierung von AnbieterInnen verhindert werden?
  • Wie werden Kartellpreise vermieden?
  • Wie kann ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden?
  • Kommt es zu mehr oder weniger Autoverkehr?
  • Werden Wohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen?
  • Sind die Plattformen tatsächlich lediglich IT-Dienstleisterinnen?

In Wien sind vor allem die Bereiche des Personentransportes und der Nächtigungen aufgetreten. Diese Branchen hat die Stadt bereits 2014/15 in einer Studie untersuchen lassen. In der Folge wurde auf Initiative von Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner eine Arbeitsgruppe im Magistrat eingesetzt, um den Fragen landesrechtlicher Regulierungen nachzugehen.

Worum es geht: Durchsetzbarkeit geltender Gesetze und Bestimmungen

In Wien gibt es Sharing-Angebote im Bereich des Personentransportes, des Pakettransportes und von Nächtigungen. Im Bereich des Personentransportes werden die sehr umstrittenen Fahrten von Privatpersonen mit privaten PKW nicht angeboten. Bei diesen Modellen können KundInnen über eine App Fahrten privater Personen buchen, die dann im privaten PKW quasi als Taxi-Ersatz dienen. Gegen diese Art des Sharings hat sich in vielen Ländern juristischer (bspw. Deutschland), aber auch handfester Widerstand (wie in Frankreich) formiert.

Diese Art des Personentransportes wäre auch in Österreich illegal und würde in Wien entsprechend bekämpft werden. Sie verstößt gegen die spezifischen Regelungen des Taxigewerbes (z.B. Taxameter, Kontrahierungszwang und geregelte Preise). Da in Wien nur die Zusammenarbeit der Plattformen mit kommerziellen MietwagenanbieterInnen bekannt ist, besteht derzeit kein Handlungsbedarf im Bereich Personentransportwesen.

Wichtig ist jedoch zu betonen, dass sich alle an die geltenden Gesetze und Bestimmungen zu halten haben. Pilotprojekte zur besseren Ressourcennutzung sind durchaus denkbar, ebenso kann über die Nutzung neuerer Technologien gesprochen werden, wenn der Zweck der derzeitigen Regelungen dadurch bestehen bleibt.

Ebenfalls kein Handlungsbedarf wird derzeit im Bereich der Paketmitnahme gesehen, sofern keine gewerbsmäßige Tätigkeit vorliegt. Als gewerbsmäßig wäre eine solche Tätigkeit grundsätzlich dann anzusehen, wenn das geleistete Entgelt das amtliche Kilometergeld übersteigt.

Anders sieht es im Bereich der Nächtigungen aus: Alleine der in Wien größte Anbieter bietet derzeit rund 5.600 Angebote auf seiner Plattform an. Das ist ein Anstieg um über 300 % in 1,5 Jahren, rund 70 % der Angebote umfassen ganze Unterkünfte, nur knapp 2 % Gemeinschaftszimmer.

Share Economy, Wien, Zimmerangebot © A&W Blog
Quelle: Stadt Wien. © A&W Blog
Quelle: Stadt Wien.

Von der Share zur fair Economy

Prinzipiell gilt, dass Innovationen, die das Leben der Menschen verbessern, zu begrüßen und zu unterstützen sind. Sich grundsätzlich gegen Neues stellen macht wenig Sinn. So bekennt sich die Stadt Wien in ihrer FTI-Strategie „Innovatives Wien 2020“ zu Innovation und neuen Ideen, wenn diese zur Lösung von Problemen beitragen und sich an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientieren. Dabei ist der Innovationsbegriff bewusst weit gefasst (technologische, soziale, künstlerische Innovationen werden angesprochen).

Das gilt auch für die Stadtverwaltung, die selbst innovativer werden und Innovationen durch Adaptierung und effizienter Vollziehung von Regelungen auf Grund der technologischen Entwicklungen unterstützen will, so lange fairer Wettbewerb gewährleistet ist. So soll mit den „Leitlinien der Wiener Wirtschaftspolitik“ das Prinzip der „Guten Arbeit“ verankert werden. Dies bedeutet: Gleiche Regeln für alle, egal ob es sich um online oder offline handelt. Dies bedeutet auch: Sozialbetrug und Dumping sind inakzeptabel. Es darf keine Geschäfte auf Kosten der Allgemeinheit geben. Besonders ist in diesem Zusammenhang der Wohnungsmarkt zu beachten, beispielsweise indem Gemeindewohnungen nicht weitervermietet werden.

Es ist klarzustellen, dass die geltenden Regelungen auch für die Share Economy gelten. Entgegen immer wieder anzutreffenden Vermutungen gibt es in Wien keine Sonderregelungen, auch VermieterInnen über Plattformen müssen die Ortstaxe abführen, sind steuerpflichtig, müssen entsprechende Statistikmeldungen abgeben usw. Mit einer Novellierung des Wiener Tourismusförderungsgesetzes werden weitere Klarstellungen angestrebt und die Informationsverpflichtungen verschärft (z.B. AnbieterInnen-Meldepflicht der PlattformbetreiberInnen).

Es ist jedoch davon auszugehen, dass evtl. Verstöße gegen geltendes Recht auch aus Unwissen geschehen. Auch wenn Unwissen bekanntlich vor Strafe nicht schützt, soll in einem ersten Schritt informiert und erst dann gestraft werden. Dies geschieht bspw. mit einer Homepage zur privaten Vermietung seitens der Stadt Wien.

Ergänzt werden diese Maßnahmen durch Kontrollen des Magistrats der Stadt Wien. Es soll sichergestellt werden, dass einerseits die neuen Formen des Urlaubens genutzt werden können, andererseits aber auch die Interessen der BürgerInnen, der KonsumentInnen und der ArbeitnehmerInnen gewahrt werden.

Damit ist das Thema keinesfalls abgeschlossen, alleine schon deshalb, weil es immer wieder neue Angebote der Share Economy geben wird. Hier gilt es die Entwicklungen genau zu beobachten und ggf. weitere Schritte einzuleiten.

Ausblick

Das generelle Problem wird sich in Zukunft verschärfen: Immer mehr Angebote werden kleinteilig über Plattformen vermittelt werden. Einerseits stellt sich hier die drängende Frage nach der Sicherstellung der Prinzipien guter Arbeit. Andererseits stellen sich Fragen der Administrierbarkeit etwa von Steuern und Abgaben. Hier wird es darauf ankommen, die entsprechenden Daten der PlattformbetreiberInnen zu bekommen – eine Aufgabe, die aber auf Bundesebene oder sogar auf Ebene der EU zu lösen sein wird.

Daneben stellt sich die grundsätzliche Frage, was diese Plattformen sind: Sind es wirklich nur IT-Dienstleister (wie sie selbst oft behaupten), die Angebot und Nachfrage zusammenbringen oder sind sie nicht mehr? Hier stehen einige spannende Gerichtsurteile aus – und politische Auseinandersetzungen um die Gestaltung unserer Gesellschaft.