Flexibilisierung, Digitalisierung, Arbeit 4.0. Begriffe wie diese sind in aller Munde. Eine Studie der TU Wien / AK Niederösterreich analysiert anhand von vier Arbeitstypen, wie sich flexible und traditionelle Arbeitsformen auf Arbeitszufriedenheit und das Verschwimmen von Beruf und Privatleben auswirken.
Zeitliche und örtliche Flexibilität
ArbeitnehmerInnen verbinden mit flexiblen Arbeitsformen die Hoffnung auf eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Die Arbeit soll besser auf private Bedürfnisse abgestimmt werden können, um beispielsweise Betreuungspflichten in der Familie nachzugehen. Empirische Studien zeigen, dass selbstbestimmte Flexibilisierung der Arbeit zwar mit einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben einhergeht, jedoch die Erfordernis zu Flexibilität bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Erschöpfung und Konflikten zwischen Arbeit und Privatleben führt (Kattenbach, Demerouti & Nachreiner (2010)).
Die Studie „Flexibles Arbeiten in Niederösterreich“
Die TU Wien (Institut für Managementwissenschaften – Arbeitswissenschaft und Organisation) hat in Kooperation mit der AK Niederösterreich eine Studie zum flexiblen Arbeiten in Niederösterreich durchgeführt. Die postalische Fragebogenerhebung wurde an eine Zufallsstichprobe von rund 10.100 niederösterreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus elf ausgewählten Branchen versandt. Insgesamt wurden 758 ausgefüllte Papierfragebögen retourniert. Die Studienteilnehmer_innen waren von 16 bis 68 Jahre alt, hinsichtlich Geschlecht annähernd gleich verteilt (51,6 % Frauen) und großteils angestellt (87 %) tätig. Eine Leitungsfunktion hatten 28 % der Teilnehmer_innen inne.
Eine Arbeitstypologie
Zur Bildung der Arbeitstypologie wurde mit den Fragen zur zeitlichen und örtlichen Flexibilität (in Bezug auf die selbstbestimmten Möglichkeiten als auch in Bezug auf die Erfordernisse durch die Arbeit) eine hierarchische Clusteranalyse unternommen. Dabei ergaben sich die folgenden vier Cluster bzw. Arbeitstypen: die Avantgarde, die zeitlich Flexiblen, die Konventionellen und die Fremdbestimmten.
Übersicht über die vier Arbeitstypen
Arbeitstyp 1: Die Avantgarde
Der Arbeitstyp „Avantgarde“ kann sowohl Arbeitszeit als auch Arbeitsort selbst bestimmen. Gleichzeitig wird aber auch gefordert, zeitlich und örtlich flexibel zu sein. Auffallend ist, dass im Vergleich zu den anderen Arbeitstypen eine höhere Identifikation mit der Arbeit, höhere Lebenszufriedenheit und gemeinsam mit den zeitlich Flexiblen die höchste Arbeitszufriedenheit zu finden ist. Obwohl dieser Arbeitstyp sehr viel Autonomie und Freiheiten beinhaltet, zeigen sich die stärksten Konflikte zwischen Arbeit und Familie. Um hier ein Gleichgewicht zu erhalten, braucht es selbstregulative Kompetenzen, aber auch Unterstützung und Akzeptanz von Seiten der Vorgesetzten sowie eine passende Unternehmenskultur, die das psychologische Abschalten fördert, um Erholungsprozesse zu gewährleisten.
Arbeitstyp 2: Die zeitlich Flexiblen
Der Arbeitstyp der „zeitlich Flexiblen“ hat punkto Arbeitszeit große Freiheiten und kann flexibel entscheiden, wann gearbeitet wird. Der Großteil der Arbeitnehmer_innen dieses Arbeitstyps (70 %) gibt an, unter einer Gleitzeit mit Kernzeit zu arbeiten. Der Anteil an Frauen liegt bei diesem Arbeitstyp bei rund 57 %. Etwa ein Viertel der Beschäftigten dieser Gruppe hat eine Leitungsfunktion inne (23 %). Auffallend ist, dass bei Menschen dieses Arbeitstyps nicht nur die Identifikation mit der Arbeit und die Lebens- und Arbeitszufriedenheit hoch sind, sondern auch die Vereinbarkeit zwischen Arbeit und Privatleben gut zu funktionieren scheint. Es gibt nur wenig „Spillovers“ von der Arbeit in das Familienleben.
Arbeitstyp 3: Die Konventionellen
Der Arbeitstyp der „Konventionellen“ kann weder Arbeitszeit, noch Arbeitsort selbst bestimmen, aber auch von Arbeitgeberseite wird keine große Flexibilität eingefordert. Beschäftigte dieses Arbeitstyps haben meist fixe Arbeitszeiten. Mit 37 % liegt hier der höchste Anteil an Teilzeitbeschäftigten und mit 17 % der höchste Arbeiter_innen-Anteil im Vergleich zu den anderen Arbeitstypen. Nur 13 % haben eine Leitungsfunktion inne. Die Lebenszufriedenheit ist hoch, auch wenn die Arbeitszufriedenheit und die Identität mit der Arbeit geringer als bei den ersten beiden Arbeitstypen sind. Auffallend ist, dass die Handlungsautonomie hier am niedrigsten von allen vier Arbeitstypen und auf der anderen Seite die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben am stärksten gegeben ist.
Arbeitstyp 4: Die Fremdbestimmten
Der Arbeitstyp der „Fremdbestimmten“ kann selbst weder autonom über Arbeitszeit noch über Arbeitsort bestimmen. Es finden sich bei diesem Arbeitstyp vergleichsmäßig viele Schichtarbeiter_innen und Leiharbeitnehmer_innen (Arbeitskräfteüberlassung). Überstunden werden mit im Schnitt 5,8 Stunden pro Woche ähnlich viele wie in der Gruppe der Avantgarde geleistet. Die Fremdbestimmten weisen die geringste Arbeits- und Lebenszufriedenheit auf. Obwohl es zu keiner extremen Vermischung zwischen Arbeit und Familie kommt, wird die Zufriedenheit mit dem Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben am geringsten eingeschätzt. Die Abhängigkeit von Kolleg_innen beim Arbeiten ist hoch. Im Vergleich zu den anderen Arbeitstypen, scheinen Personen im Arbeitstyp der Fremdbestimmten die Schattenseite der Flexibilisierung zu erleben.
Flexibel arbeiten, ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen
Neue Informations- und Kommunikationstechnologien erlauben gänzlich neue Formen der Abstimmung und Koordination, die auch dafür genützt werden können, dass Arbeit wieder ganzheitlicher, autonomer und damit auch sinnstiftender erlebt werden kann. Wir wissen, dass sich Autonomie positiv auf den Menschen auswirkt. Es stellt sich die Frage, wie wir die Gestaltung von Arbeit so verändern können, dass diese Freiräume allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugestanden werden können. Ziel ist es, von den Möglichkeiten flexibler Arbeit zu profitieren, ohne dabei gesundheitliche Beeinträchtigungen durch diese potenzielle Allzeit-Verfügbarkeit zu erfahren. Wenn die Arbeit so überhandnimmt, dass es keine Zeit oder Möglichkeit der Ruhe mehr gibt, dann ist eine Autonomie hinsichtlich Arbeitszeit nur bedingt gegeben und die Vereinbarkeit zwischen Arbeit und Privatleben gefährdet.
Dieser Blog-Artikel ist eine Kurzfassung des Beitrages „Von Avantgarde bis Fremdbestimmt: Chancen und Risiken unterschiedlicher Arbeitstypen“ der WISO-Schwerpunktausgabe „Zukunft der Arbeit“ (4/2016) des ISW-Linz. Der gesamte Text findet sich unter:
http://www.isw-linz.at/themen/dbdocs/LF_Hartner-Tiefenthaler_Feuchtl_Koeszegi_4_16.pdf