Die Automatisierung von Pkw wird vor allem in Kombination mit der Elektrifizierung des Antriebs als die Lösung der drängenden verkehrs- und klimapolitischen Probleme gepusht. Zu klärende Rahmenbedingungen werden demgegenüber auf die lange Bank geschoben. Nachhaltige Lösungen brauchen allerdings einen starken öffentlichen Verkehr und klare Vorgaben, wo Automatisierung aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll ist.
Prozesse der Digitalisierung haben auch im Verkehr längst Einzug gehalten. Ob Fahrplanauskunft am Handy, dynamische Fahrgastinformationen in U-Bahnen und Zügen, Einpark-, Spur- und Stauassistenten beim Pkw und digitalem Lkw-Flotten Management, in all diesen Bereichen spielen Digitalisierung und Automatisierung eine immer größere Rolle. Der Verkehr auf Schiene und Straße ist von entsprechenden Veränderungen betroffen und dabei sowohl der Güter- als auch der Personenverkehr. Sicherlich den größten Hype erlebt derzeit die Automatisierung beim Pkw. Aber auch beim Lkw werden Automatisierungsschritte medienwirksam inszeniert, wie Anfang 2016 bei der „European Truck Platooning Challenge“. Dabei fuhren Lkw von verschiedenen Herstellerzentralen in vernetzten Kolonnen (dem sogenannten Platooning) quer durch Europa.
Die verkehrspolitischen Herausforderungen sind nicht neu
Die im Auto zurückgelegten Tagesdistanzen haben in den vergangenen 20 Jahren um fast 40 Prozent zugenommen. Allerdings ist der Traum von der unbegrenzten individuellen motorisierten Mobilität mittlerweile einer gewissen Ernüchterung gewichen. Immerhin zählt der Verkehrssektor zu den großen Sorgenkindern bei der Reduktion von Treibhausgasen und in den Städten fehlt der Platz für mehr motorisierten Individualverkehr.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich die Problemstellungen im Verkehrsbereich im Grunde wiederholen. Ende des 19. Jahrhunderts standen die Städte vor enormen Herausforderungen u. a. infolge ihres massiven Bevölkerungswachstums. Damals waren Pferdewagen das vorwiegende Transportmittel im Güterverkehr und sie bewältigten auch Teile des Personenverkehrs. Der steigende Wohlstand hatte dazu geführt, dass die Zahl der Pferde in den USA weitaus stärker gestiegen war als die Zahl der EinwohnerInnen. Zu dieser Zeit wurden die Folgen dieser Mobilitätsart immer unerträglicher: Neben dem Problem, dass die Pferde enorme Mengen an Futter brauchten, machten auch Pferdekot und Lärm sowie Unfälle und Staus die Situation in den Städten immer prekärer. Auch in Wien wird vom Problem des Mistgestanks berichtet, gab es um 1900 immerhin 40.000 Pferde, die täglich etwa 200.000 Liter Harn und über 400 Tonnen Pferdemist produzierten. Man war also auf der Suche nach Innovationen. Die höheren Geschwindigkeiten des Automobils ließen mehr Effizienz bei der Nutzung der vorhandenen Infrastrukturen erwarten und schon um 1912 gab es etwa in New York mehr Autos als Pferdefuhrwerke. Vor dem Hintergrund der massiven Probleme mit dem Pferdemist in den Städten ist es nicht verwunderlich, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor als Retter der Umwelt gesehen wurden.
Automatisierung braucht Gestaltung und Mitsprache
Automatisiertes Fahren wird vor allem in Kombination mit der Elektrifizierung des Antriebs als die Lösungsstrategie der verkehrs- und klimapolitischen Probleme propagiert. Außer Acht bleiben dabei aber Flächenverbrauch und Lärmemissionen – die ab 35 km/h hauptsächlich durch die Reifenabrollgeräusche entstehen. Mit dem Blick zurück lässt sich feststellen, dass technisch fortgeführt wird, was vor über 100 Jahren begonnen hat, als beim Wagen das Pferd durch einen Motor ersetzt wurde. Nun hoffen viele erneut, dass mit dem Ersatz des „Kutschers“ und einer weiteren Adaption des Antriebs die drängenden Probleme gelöst werden könnten, was aber zu bezweifeln ist, wenn der motorisierte Individualverkehr weiter ungebremst zunimmt. Vor diesem Hintergrund fordert auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, dass sich die öffentliche Hand, Verkehrsverbünde und Anbieter im Umweltverbund dafür einsetzen, dass autonome Fahrzeuge dort eingesetzt werden, wo sie gesamt am meisten Sinn machen: Als Zubringer zum öffentlichen Verkehr vor allem im ländlichen Raum und als Zusatzangebot im städtischen Verkehr, der aber mehr Raum für das Zu-Fußgehen und Radfahren bieten muss und damit überwiegend auf den Umweltverbund setzt. Übrigens, schon von Cäsar ist belegt, dass er aus Lärmschutzgründen in allen römischen Städten den Wagenverkehr tagsüber gesetzlich massiv eingeschränkt hat.
Dieser Artikel ist eine Kurzfassung zum Themenschwerpunkt „Autonomer Verkehr“ der Zeitschrift Wirtschaft und Umwelt, Ausgabe 1/2017