Die Arbeit der lohnabhängig Werktätigen ist in den letzten zwei Jahrzehnten um mehr als 30 Prozent ergiebiger geworden, der Bruttolohn allerdings ist nicht einmal halb so stark gestiegen. Nach einem Jahrzehnt des Kaufkraftverlusts wird es durch die Steuerreform endlich ein Plus beim Nettoeinkommen geben, was die wirtschaftliche Dynamik stärkt. Doch die Kollektivvertragsrunde ist bereits wieder vom Getöse um Arbeitszeitverlängerung und Lohnmäßigung durchzogen.
Steigende Ungleichheit und weniger Kaufkraft Wie der Blick zurück zeigt, ist die Verteilung der Lohn- und Gehaltseinkommen massiv ungleicher geworden. Jene lohnabhängig Beschäftigten mit den ohnedies kleinsten Einkommen haben am meisten verloren: das geringverdienende Viertel hat netto und preisbereinigt um fast acht Prozent weniger im Börsel als jenes zehn Jahre zuvor. Und wer 2014 in der Mitte der Einkommensverteilung verdient, kommt auf real rund zwei Prozent weniger Lohn bzw. Gehalt als jemand mit mittlerem Einkommen im Jahr 2004. Selbst am Rand zum hochverdienenden Viertel gab es ein Netto-Minus:
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Diese Entwicklungen kümmern ManagerInnen und Unternehmensbosse nicht, denn die Gage von Vorstandsvorsitzenden börsennotierter Unternehmen ist allein 2015 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Drittel höher geworden. Mit rund 2,2 Millionen Euro übersteigt deren Ein-Jahresverdienst das gesamte Lebensarbeitseinkommen eines Vollzeitbeschäftigten. Und: die umgerechnet 6000 Euro Manager-Tagesgage sind selbst als Monatsbruttolohn der allermeisten Lohnabhängigen unvorstellbar – schließlich liegt für mehr als 90 Prozent das Entgelt sogar unter der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage von 4.650 Euro (siehe AK OÖ ).
Kleine Einkommen zahlen soviel Steuern wie große Nach Jahren schwacher Wirtschaftsentwicklung und Kaufkrafteinbußen verbessert sich nun allmählich die Wirtschaftsdynamik, eine Folge u.a. des Netto-Kaufkrafteffekts der von Gewerkschaften und Arbeiterkammer erkämpften, mit Jahresbeginn 2016 in Kraft getretenen Lohnsteuerreform . Doch insgesamt gibt es nach wie vor noch zu bekämpfende Ungerechtigkeiten im Steuersystem – etwa, dass jene mit kleinem Einkommen zu viel Steuern und Abgaben leisten müssen. Hochverdienende zahlen verhältnismäßig kaum mehr:
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Vom ihrem gesamten Arbeits- und Sozialtransfereinkommen werden im niedrigstverdienenden Zehntel der österreichischen Erwerbstätigen-Haushalte etwa 40 Prozent für Steuern und Abgaben erbracht. Im hochverdienenden Zehntel sind es nur rund fünf Prozentpunkte mehr. Anders als oft dargestellt, werden die gesamten Sozialbeiträge (auch der sogenannte DienstgeberInnen-Beitrag) ökonomisch von den Arbeitenden getragen, wie auch das WIFO in seiner Studie feststellt, daher sind sie hier inkludiert.
Die – auch mit zunehmender „Digitalisierung“ – steigende Wertschöpfung muss gerecht verteilt werden. Auch das Aufkommen der Steuern kann wertschöpfungsorientierter gestaltet werden: indem die sogenannten DienstgeberInnen-Beiträge nicht allein von den Löhnen und Gehältern der Beschäftigten berechnet werden, sondern von der gesamten Wertschöpfung (inkl. Gewinnen etc.), die in einem Unternehmen erzielt wird. Das ist weder eine neue Unternehmenssteuer, noch eine Maschinenbesteuerung, sondern eine Änderung der Berechnungsbasis. Unternehmen, die mit wenig Personal hohe (Digitalisierungs-)Gewinne erzielen, sollen einen gerechteren Beitrag leisten. Das könnte auch wie ein Beschäftigungsbonus wirken, da personalintensive Betriebe nicht mehr den Hauptanteil zur Finanzierung sozialer Sicherheit aufbringen müssen.
Produktivität steigt doppelt so stark wie Lohn Ohne werteschaffende Arbeit gibt es keinen Wohlstand. Im wirtschaftlich hochentwickelten Österreich ist die Arbeit in den letzten Jahren deutlich produktiver geworden. Der dafür gezahlt Bruttolohn aber hinkt im Schnitt hinterher: während die Arbeitsproduktivität um etwa ein Drittel gewachsen ist, ist das Plus beim realen Bruttolohn mit 14 Prozent nicht einmal halb so hoch ausgefallen:
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Die Ursachen dafür reichen von den Verschlechterungen am Arbeitsmarkt (“Atypisierung” und hohe Arbeitslosigkeit), über das ungerechte Entlohnungsverhalten der Unternehmen (geringe über den kollektivvertraglichen Mindestlohn hinausgehende Überzahlungen oder unabgegoltene Überstunden) bis hin zu unternehmensschädigend hohen Gewinnausschüttungen an die UnternehmenseignerInnen.
Die herbstlichen Kollektivvertragstöne werden schon wieder rauer: gefordert werden noch mehr überlange Tagesarbeitszeiten bei weniger Lohn. Dabei muss ohnedies fast ein Drittel einmal oder mehrmals im Monat länger als zehn Stunden am Tag arbeiten, bei den Männern ist sogar fast die Hälfte betroffen, bei den Frauen knapp jede Fünfte (Eurofound ). Und: entgegen anderslautender Behauptungen hat Österreich bei der lohnbezogenen preislichen Wettbewerbsfähigkeit, gemessen durch den pro Wertschöpfungseinheit gezahlten Lohn, keine Probleme: “Lohnstückkostenposition der Warenherstellung 2015 leicht verbessert”, so das WIFO .
Werden die Arbeitenden mittelfristig produktivitäts-, also wertschöpfungsorientiert entlohnt, dann kann sich die Wirtschaft stabil entwickeln. Eine gerechte Lohnrunde ist möglich, wirtschaftlich leistbar und ein Beitrag für eine erfolgreiche Wirtschaft.
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