Fünf Gründe für eine „Initiative Investieren“

03. Mai 2021

Öffentliche Investitionen bringen nicht nur kurzfristig mehr Beschäftigung, sie vergrößern auch das öffentliche Vermögen und erhöhen damit die Lebensqualität der Bevölkerung. Sie bilden demgemäß eine wichtige Grundlage für nachhaltigen Wohlstand und Wohlergehen. Wenngleich die Investitionen auf Bundesebene bereits steigen, ist gerade jetzt eine neue Initiative Investieren seitens der Bundesregierung notwendig. Als Schwerpunkte bieten sich Klimaschutz, digitale Infrastruktur und Betreuungseinrichtungen an – gerade auch auf kommunaler Ebene.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Öffentliche Investitionen schaffen Wohlstand und Wohlergehen

Unter öffentlichen Investitionen werden Ausgaben des Staates (Bund, Länder und Gemeinden) verstanden, die einen erheblichen künftigen Nutzen schaffen bzw. über einen längeren Zeitraum genutzt werden können. Das unterscheidet sie von den laufenden Ausgaben für das Aufrechterhalten öffentlicher Leistungen mit unmittelbarem Nutzen. Öffentliche Investitionen schaffen die öffentliche Infrastruktur für ein gutes Leben in einer modernen und produktiven Gesellschaft: von Gesundheits-, Sozial-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen über Verkehrs-, Energie-, Kommunikations- und Entsorgungssysteme bis hin zur Grundlagenforschung. Hochwertige Infrastruktur ist auch eine wesentliche Voraussetzung, um die Produktivität der privaten Unternehmen – etwa über verringerte Transportkosten oder schnellere Kommunikationstechnologien – zu steigern.

Öffentliche Investitionen über die Abschreibungen hinaus erhöhen bzw. erneuern also den öffentlichen Kapitalstock: Durch den Ausbau bzw. die Modernisierung der Infrastruktur wächst das öffentliche Vermögen. Denn von mehr Schulen und Spitälern, einem besser ausgebauten Bus- und Bahnsystem oder leistbarem Wohnraum mit hohen Energiestandards profitieren breite Bevölkerungsschichten. Somit tragen öffentliche Investitionen wesentlich zur Schaffung von gesellschaftlichem Wohlstand und Wohlergehen – insbesondere auch für künftige Generationen – bei. Die österreichische Bevölkerung ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 500.000 EinwohnerInnen gewachsen. Allein der dadurch steigende Bedarf an Infrastruktur verdeutlicht die Notwendigkeit von öffentlichen Investitionen, um den hohen Wohlstand in Österreich auch langfristig sichern zu können.

Hohes Beschäftigungspotenzial

Die besondere volkswirtschaftliche Bedeutung öffentlicher Investitionen ergibt sich daraus, dass sie nicht nur langfristig die Produktionsmöglichkeiten erweitern, sondern auch kurzfristig die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage und somit Produktion und Beschäftigung ankurbeln können. Öffentliche Investitionen verbessern direkt und über indirekte Einkommenseffekte die Absatzaussichten privater Unternehmen, sodass diese zumindest teilweise ebenso ihre Investitionen ausweiten („Crowding-in“ von Investitionen). So kann ein neuer Wirtschaftsaufschwung mit entsprechendem Beschäftigungseffekt in Gang gesetzt werden.

Öffentliche Investitionen bilden daher ein zentrales Mittel des Staates im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und können auch in Zeiten der COVID-19-Massenarbeitslosigkeit wichtige Impulse setzen. Ausgehend von ökonomischen Studien führen öffentliche Investitionen im Ausmaß von einem Prozent der Wirtschaftsleistung zu einer Steigerung derselben von deutlich über einem Prozent – mit entsprechenden Beschäftigungseffekten. Einen höheren Beschäftigungseffekt hat lediglich die direkte Ausweitung der öffentlichen Beschäftigung für soziale Dienstleistungen (weshalb diese auch Teil eines Investitions- und Beschäftigungspakets sein sollte). Gezielte Investitionen in Betreuungseinrichtungen können sich dabei indirekt positiv auf die Frauenerwerbstätigkeit auswirken, da sie mittelfristig ein erhöhtes Betreuungsangebot bewirken und zudem Beschäftigung in Bereichen mit einem hohen Frauenanteil schaffen.

Ökologisch entscheidend

Die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist eine Herkulesaufgabe. Die öffentliche Hand spielt eine zentrale Rolle, soll diese „Mission“ – eingebettet in die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – gelingen. Der öffentliche Sektor inklusive kontrollierter Unternehmen muss rasch Milliarden investieren, um klimaschonende Mobilität und Energieversorgung zu ermöglichen, öffentliche Gebäude und den Fuhrpark zu erneuern und um die Probleme verstärkt auftretender Wetterextreme für Stadt und Land zu mildern. Der Staat darf nicht länger der Nachzügler sein, sondern muss voranschreiten und Weichen für die sozial-ökologische Transformation stellen, um den privaten Sektor mitzuziehen – gerade auch in der Forschung.

Kommende Generationen profitieren so mehrfach von heutigen öffentlichen Investitionen: Durch mehr und nachhaltigeres öffentliches Vermögen, das essenzielle Leistungen und ein gutes Leben ermöglicht, und unmittelbar durch mehr Beschäftigungs- und Einkommenschancen für ihre Eltern, die auch die Möglichkeiten der Kinder verbessern. Investitionen mit Verweis auf einen zu vermeidenden größeren „Schuldenrucksack“ durch zusätzliche finanzielle Mittel aufzuschieben, schadet ihnen mehr, als es nützt.

Investitionspotenzial in Gemeinden und Städten heben

Von den 12,8 Mrd. Euro an gesamtstaatlichen Bruttoinvestitionen im Jahr 2020 entfielen gut ein Viertel auf die Gemeinden und Städte. Während auf Bundesebene ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen war (+0,6 auf 7,4 Mrd. Euro), sanken die kommunalen Investitionen nominell um 3 Prozent (auf 3,5 Mrd. Euro) – trotz erster Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung.

Der Grund: Städte und Gemeinden unterliegen einem hochgradig prozyklischen Fiskalregime, da in Krisen ihre Ertragsanteile wegbrechen, sie aber kurzfristig kaum andere Einnahmen erschließen können und bei der Schuldenaufnahme beschränkt sind. Den Sparstift setzen sie – wie in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise vor gut einem Jahrzehnt – daher nur allzu oft bei den Investitionen an, die sich kurzfristig am leichtesten aufschieben lassen. Dabei ist der relative Anteil der Investitionen in den Haushalten der Städte und Gemeinden etwa doppelt so groß wie auf Bundes- und Landesebene, die stärker von Transfers (v. a. Bund) und Personal (v. a. Länder) geprägt sind:

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Nachdem die Investitionen der Städte und Gemeinden kurz- und langfristig gerade für die regionale Wirtschaft, die Beschäftigung und die Daseinsvorsorge vor Ort zentral sind und ein bislang besonders wenig genutztes ökologisches Potenzial aufweisen, gilt es, die Investitionsquote nicht nur zu stabilisieren, sondern auf mehrere Jahre hinweg auszuweiten. Ein Investitionsstau wie in den Jahren 2010 bis 2013 darf sich nicht wiederholen.

Vermögensaufbau zum Nulltarif

In der aktuellen Situation ist klar, dass eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen mit höheren Schulden verbunden ist. Der zu erwartende Gesamtnutzen ist in der Regel klar positiv, jedenfalls allerdings größer als die derzeit nicht vorhandenen Kosten zusätzlicher Verschuldung: Seit über einem Jahr ist die durchschnittliche Verzinsung von Bundesanleihen negativ.

Gleichzeitig ist die zweite große Barriere zum öffentlichen Vermögensaufbau ausgesetzt, nämlich die nationalen wie europäischen Budgetregeln. In normalen Zeiten schließen diese eine wachsende Staatsschuldenquote auch dann aus, wenn ihr ein gleich hoher Vermögenszuwachs auf der anderen Seite der Bilanz gegenübersteht.

Die kurzfristige Möglichkeit zum Aufbau öffentlichen Vermögens zum Nulltarif sollte nicht verpasst werden. Gleichzeitig gilt es, mittelfristig die Budgetregeln so zu verändern, dass die Investitionen in der Konsolidierungsphase nach der Krise nicht neuerlich eingeschränkt werden, wie das zumindest auf europäischer Ebene nach der Wirtschafts- und Finanzkrise der Fall war.

Initiative Investieren – wann, wenn nicht jetzt?

Angesichts der verheerenden Lage auf dem Arbeitsmarkt und des absehbaren Wegfalls der meisten pandemiebedingten Beschränkungen ist eine Initiative Investieren dringend gefordert. Sie muss die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen und zukunftsfähige Jobs schaffen, mit einem Mix aus Beschäftigungspolitik und öffentlichen Investitionen. Es ist an der Zeit, sich aus der Krise raus zu investieren und die Weichen für ökologische, soziale und wirtschaftliche Transformation – und damit die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen – zu stellen.

Städte und Gemeinden sind gefordert, sich an dieser Initiative zu beteiligen. Das kann nicht nur über zusätzliche Verschuldung (die seitens der Aufsicht auch ermöglicht werden muss) geschehen, sondern bedarf auch weiterer finanzieller Hilfen von Landes-, Bundes- und EU-Ebene.

Eine solche „Initiative Investieren“ lässt sich über zusätzliche Neuverschuldung zu sogar leicht negativen Zinsen auch problemlos finanzieren – sofern die Budgetregeln kurzfristig weiterhin flexibel gehandhabt werden. Mittelfristig gilt es sie aber jedenfalls zu reformieren, da – wie vom Hausbau oder der Privatwirtschaft bekannt – Verschuldung generell sinnvoll ist, wenn gleichzeitig auch das öffentliche Vermögen entsprechend steigt.

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