Das Bruttoinlandsprodukt ist noch immer die dominierende Kennzahl zur Messung von Wohlstand. Es bildet jedoch viele Aspekte einer hohen Lebensqualität, wie Gesundheit, soziale Sicherheit und eine intakte Umwelt, nicht ab. Im Sinne einer differenzierten Messung von Wohlstand und Wohlergehen gibt es u.a. den jährlichen AK Wohlstandsbericht. In diesem Jahr warnen wir vor deutlichen Rückschritten infolge der Corona-Krise und zeigen Wege, um diese zu bekämpfen. Höchste Priorität hat eine Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsoffensive. Gleichzeitig muss der sozial-ökologische Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft vorangetrieben werden.
Differenzierte Wohlstandsmessung
Um Wohlstand und Wohlergehen zu messen und nachhaltig zu sichern, sind differenzierte Konzepte unter Einbeziehung wesentlicher Dimensionen eines guten Lebens notwendig. Weltweit gab es im letzten Jahrzehnt zahlreiche Initiativen, die Wohlstand und Lebensqualität neu definierten und in den Mittelpunkt der (wirtschafts-)politischen Debatte rückten, nicht zuletzt die vielbeachtete Kommission um Joseph Stiglitz und Amartya Sen. Politisch besonders einflussreich war die Annahme der UN-Agenda 2030 im Jahr 2015, in deren Rahmen für beinahe alle Staaten der Erde 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals, auch SDGs) definiert wurden. Mit dem AK-Wohlstandsbericht greifen wir diese Diskussionen auf. Unser Bericht soll nicht nur die aktuelle Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen in Österreich messen, sondern auch politisch kohärente Strategien zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der SDGs aufzeigen.
… im AK-Wohlstandsbericht
Anhand eines Sets von 30 Indikatoren werfen wir nicht nur einen Blick auf vergangene Entwicklungen, sondern analysieren einen mehrjährigen Trend bis 2021. Je sechs Indikatoren sind fünf Wohlstandsdimensionen zugeordnet, die wir aus unserem modifizierten magischen Vieleck wohlstandsorientierter Wirtschaftspolitik ableiten: fair verteilter materieller Wohlstand, Vollbeschäftigung und gute Arbeit, Lebensqualität, intakte Umwelt sowie ökonomische Stabilität. Für jeden Indikator werden politische Empfehlungen für die Steigerung des Wohlstands präsentiert. Als ArbeitnehmerInnenorganisation stellen wir dabei interessenpolitische Forderungen ins Zentrum.
Von einem hohen Wohlstandsniveau in die Krise
Der Wohlstand in Österreich ist – auch im internationalen Vergleich – hoch: Das heimische Wohlstandsmodell führt zu wirtschaftlicher Stabilität, sehr hoher Arbeitsproduktivität und hohen real verfügbaren Einkommen bei gleichzeitiger hoher Lebenszufriedenheit und physischer Sicherheit. Das Armutsrisiko ist im europäischen Vergleich gering, Beschäftigung und Forschungsausgaben sind hoch, der öffentliche Verkehr ist gut ausgebaut, die Luft wenig feinstaubbelastet und die Mitbestimmung auf unterschiedlichen Ebenen etabliert.
Die durch COVID-19 ausgelöste Sozial- und Wirtschaftskrise führt jedoch bereits zu einem erheblichen Rückschlag für die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen. Im diesjährigen AK-Wohlstandsbericht werden für den Beobachtungszeitraum 2016 bis 2021 nur noch acht der 30 Indikatoren positiv bewertet. Der kurzfristige Ausblick für 2020/21 ist überhaupt nur für drei Indikatoren positiv.