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Für das untere Einkommensdrittel hält die Demokratie ihre zentralen Versprechen nicht
Fragen wir die Menschen im unteren Einkommensdrittel, warum sie nicht (mehr) zur Wahl gehen, stehen Ungleichwertigkeit, fehlende Repräsentation und mangelnde Mitbestimmung ganz oben auf der Liste der Antworten: Die überwiegende Mehrzahl von ihnen berichtet, von der Politik als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden und von der Gesellschaft wenig Wertschätzung für ihre Arbeit zu erhalten. Auch im Parlament sieht sich das untere Einkommensdrittel kaum vertreten und mehr als die Hälfte von ihnen findet derzeit keine Partei, die ihre politischen Anliegen vertritt. Mit politischer Beteiligung – z. B. der Wahlteilnahme – etwas bewirken können? Davon ist nur mehr jede:r Vierte überzeugt. Dass sie und ihre Stimme nicht zählen, ist dabei oft die prägendste Erfahrung, von der die Menschen im unteren Einkommensdrittel im Zusammenhang mit Demokratie berichten.
Ist dies „nur“ ein subjektiver Eindruck oder übersetzt sich ökonomische Ungleichheit tatsächlich in ungleiche politische Mitbestimmung? Inzwischen belegen zahlreiche Forschungsergebnisse, dass auch in Demokratien unseren Zuschnitts die politischen Entscheidungen zugunsten der ohnehin schon Bessergestellten verzerrt sind. Die Anliegen der unteren Einkommensgruppen haben demgegenüber kaum Chancen auf Umsetzung. Damit untergräbt die auf den Märkten erzeugte Ungleichheit die politische Gleichheit, weil sich ökonomische Ressourcen in politischen Einfluss übersetzen. Dies hat weitreichende Auswirkungen, in erster Linie auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen jener in schlecht bezahlten Jobs, gerade in Zeiten zunehmender ökonomischer Ungleichheit.
Auch bei der Arbeit sind Gleichheit und Mitbestimmung eine Frage des Einkommens. So ist es für 6 Prozent der Beschäftigten im oberen, jedoch für 24 Prozent der Beschäftigten im unteren Einkommensdrittel völlig normal, dass im Betrieb das Arbeitsrecht nicht eingehalten wird. Werden für die Belegschaft wichtige Entscheidungen getroffen, können wiederum 67 Prozent der Beschäftigten im oberen Einkommensdrittel zumindest ihre Meinung dazu äußern. Im unteren Einkommensdrittel gilt dies für nicht einmal halb so viele Beschäftigte. Betriebliche Demokratie kann jedoch mehr:
Betriebliche Mitbestimmung stärkt die Demokratie
Im Gegensatz zu Parlaments- und Bundespräsident:innenwahlen sind bei Arbeiterkammer- und Betriebsratswahlen alle Beschäftigten wahlberechtigt, egal welchen Pass sie haben. Bei Wahlen im Betrieb geben nicht nur Kolleg:innen mit ausländischen Staatsbürgerschaften, sondern auch österreichische Staatsbürger:innen im unteren Einkommensdrittel und Lehrlinge oft zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Stimme ab. Dass sie dabei überwiegend positive Erfahrungen machen, liegt vor allem an den Betriebsrät:innen. „Der Betriebsrat hat mit mir über die Wahl gesprochen, da hab ich zum ersten Mal gedacht: Politik hat etwas mit meinem Leben zu tun.“ Diese und ähnliche Aussagen hören wir in unserer Forschung häufig von den Beschäftigten der genannten Gruppen.
Betriebliche Mitbestimmung stärkt die Demokratie, weil sie gerade jenen wirksame Beteiligung ermöglicht, die sonst oft nicht gehört werden. Haben diese Menschen einen engagierten Betriebsrat, stehen sie dem politischen System insgesamt positiver gegenüber und beteiligen sich auch häufiger außerhalb der Arbeit. Wird Mitbestimmung zunehmend zu einem Privileg der Alteingesessenen und Bessergestellten, ist die Demokratiearbeit der Betriebsrät:innen eines der Zahnräder, die es zu stärken gilt. Auf dem Spiel steht derzeit nichts weniger als die Demokratie selbst.
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