In den Tagen vor der letzten Nationalratswahl wurde im Parlament eine wichtige Forderung der Arbeitnehmer/innen durchgesetzt: Die Anrechnung des Partner/innen-Einkommens auf die Notstandshilfe – eine durch bezahlte Beiträge in die Arbeitslosenversicherung erworbene Versicherungsleistung – soll mit 1.7.2018 nicht mehr vorgenommen werden.
Davon würden alle Betroffenen, aber vor allem Frauen, profitieren, die bisher nach dem Arbeitslosengeldbezug oft ohne oder mit deutlich reduzierter Notstandshilfe dastanden und vom Einkommen des Partners abhängig waren. Neoliberale und konservative Kräfte stimmten gegen die Abschaffung. Mit Verschärfungen ist aber auch in Zukunft zu rechnen.
Sind Sie einmal arbeitslos gewesen, wissen Sie vermutlich, wovon hier die Rede ist
Für den Fall, dass Sie arbeitslos sind, sieht die Arbeitslosenversicherung zwei Versicherungsleistungen vor: zuerst das – zeitlich befristete – Arbeitslosengeld (zwischen 20 und 52 Wochen je nach Beschäftigungsjahren und Alter) und danach die Notstandshilfe. Die Notstandshilfe muss jährlich neu beantragt werden, so lange die Arbeitslosigkeit andauert – sprich die „Notlage“ nicht zu Ende ist.
Wichtig: Die Notstandshilfe ist eine beitragsfinanzierte Versicherungsleistung wie das Arbeitslosengeld. Es ist ein häufiger Irrtum, aber die Notstandshilfe ist nicht Teil der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (früher: Sozialhilfe). Ihre (historische) Bezeichnung weist aber darauf hin, dass die Notstandshilfe – zur Verschärfung – Elemente der Sozialhilfe enthält.
Partner/innen-Einkommensanrechnung – völlig unzeitgemäß
In der Notstandshilfe schlägt bisher eine umfassende Einkommensanrechnung des Einkommens des Partners oder der Partnerin auf die Höhe der Notstandshilfe durch. Allen Menschen, die mit Notstandshilfe Arbeit suchen und in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft leben, wird die Notstandshilfe durch das Einkommen des Partners bzw. der Partnerin gekürzt oder gestrichen, sobald das Nettoeinkommen die (durchaus niedrigen) Freigrenzen überschreitet (Freigrenze 647,- €, Freigrenze für zu versorgende Angehörige 281,- €).
Eine eigenständige, individuelle soziale Absicherung sollte aber das Kennzeichen eines modernen Sozialschutzsystems sein. Die Partner/innen-Einkommensanrechnung ist daher völlig unzeitgemäß und rückwärtsgewandt. Das Unverständnis über diese Regelung war seit Jahrzehnten groß.
Reduzierte oder keine Notstandshilfe – vor allem Frauen ohne Versicherungsleistung
2016 waren im Durchschnitt rund 21.500 Menschen mit Notstandshilfe von der Anrechnung des Einkommens ihres Partners oder ihrer Partnerin auf ihre Notstandshilfe betroffen. Zu 60 Prozent waren die von der Anrechnung Betroffenen Frauen und zu 40 Prozent Männer. Bei rund 15.400 Menschen dieser Gruppe reduzierte sich die Notstandshilfe im Durchschnitt um 330,- € pro Monat. Rund 6.100 Menschen erhielten anstelle der Notstandshilfe nur noch eine Kranken- und Pensionsversicherung durch das Arbeitsmarktservice. Insgesamt wurde im Jahr 2016 in rund 18.600 Fällen die Notstandshilfe wegen der Einkommensanrechnung abgelehnt. Von diesen Menschen waren 80 Prozent Frauen und 20 Prozent Männer.
Die Betroffenheit zeigt ganz deutlich, dass die Partner/innen-Einkommensanrechnung auf die Notstandshilfe alles andere als geschlechtsneutral ist. Sie diskriminiert seit Jahrzehnten Arbeit suchende Frauen in hohem Ausmaß.
Frauen trifft die Partner/innen-Einkommensanrechnung besonders – warum?
Bei den vom Einkommen berechneten Sozialversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pension etc.) schlägt ein geringes Erwerbseinkommen natürlich auf die Höhe durch.
Hier wirkt sich die Arbeitsmarktsituation von Frauen aus: Frauen verdienen in den überwiegenden Fällen weniger als Männer, sie bekommen für gleichwertige Arbeit weniger bezahlt, haben geringere Aufstiegschancen und übernehmen für gewöhnlich die (unbezahlte) Haushalts-, Familien- und Erziehungsarbeit. Sie haben sich daher öfter für Teilzeitbeschäftigung oder geringfügige Beschäftigung zu entscheiden und arbeiten häufig in Bereichen, die mit niedrigen Löhnen entlohnt werden bzw. in sogenannten „Frauenberufen“. Für viele Frauen sichert auch eine Vollzeitbeschäftigung kaum ein eigenständiges Leben ab. Arbeitslosigkeit und Pension sind mit erhöhtem Armutsrisiko verbunden.
Die Abschaffung der Partner/innen-Einkommensanrechnung ist auch deshalb ein wichtiger frauenpolitischer Schritt. Frauen erhalten endlich ihre eigenständige Versicherungsleistung, entkoppelt vom Einkommen des Partners.
Vergleich: Höhe des Arbeitslosengeldes, Notstandshilfe, mittleres Monatseinkommen und Armutsgefährdungsschwelle
Um einen Eindruck davon zu bekommen, um welche Einkommen es in der Diskussion geht, der anschließende Vergleich von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe mit dem mittleren Monatseinkommen und der Armutsgefährdungsschwelle.
Vorweg: Er zeigt, wie drastisch sich die Einkommenssituation während der Arbeitslosigkeit mit Arbeitslosengeld und Notstandshilfe verändert. Dass mit den angeführten Leistungshöhen leicht gravierende Probleme dabei entstehen, die Existenz während der Arbeitslosigkeit zu sichern, ist nachvollziehbar (Details dazu siehe hier). Umso mehr, wenn die Notstandshilfe als Einkommen des Partners bzw. der Partnerin ganz wegfällt oder auch „nur“ reduziert wird.