Die Einleitungsfrage – „Was wissen wir über Arbeitslosigkeit?“ – der bahnbrechenden Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von 1933 hat auch heute, unter den Bedingungen ausgebauter sozialer Sicherungssysteme, ihre Berechtigung. Gerade der öffentliche Diskurs über Arbeitslosigkeit greift immer wieder auf stereotype Bilder zurück, die Arbeitslosigkeit als eigenverschuldeten und von den Betroffenen absichtlich aufrecht erhaltenen Zustand darstellen. Ziel einer von IFES und SORA gemeinsam im Auftrag der Arbeiterkammer Wien durchgeführten Studie ist es, dem gegenüber Einblicke in die reale soziale und finanzielle Situation von Arbeitslosen in Wien und deren Strategien zur Sicherung ihrer Existenz zu liefern.
Arbeitslosigkeit verursacht hohe Armutsgefährdung
Fast die Hälfte der Befragten gibt an, ihre Ausgaben mit den ihnen in der Arbeitslosigkeit zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln nicht decken zu können. Rund ein Drittel kommt mit Zahlungen in Verzug, am häufigsten bei Miete und Betriebskosten sowie Telefon-, Internet- oder Rundfunkrechnungen.
„Soziale Hängematte“?
Arbeitslosigkeit ist in der Regel kein selbst gewählter Zustand: Nur jede/r zehnte hat selbst gekündigt.
Etwa jede/r dritte Arbeitslose geht einer Beschäftigung nach, in der Regel einer geringfügige Beschäftigung oder Ausbildung.
Über die Leistungen des AMS hinaus nutzt nur eine Minderheit der Befragten (37%) weitere Unterstützungen bzw. Sozialleistungen wie z.B. Gebührenbefreiung, Wohnbeihilfe oder verbilligte Fahrscheine.
Um mit dem niedrigeren Einkommen während der Arbeitslosigkeit auszukommen, werden im Durchschnitt 324 Euro im Monat an Ausgaben eingespart. Jede/r Dritte spart 30% des persönlichen Nettoeinkommens vor der Arbeitslosigkeit oder mehr an Ausgaben ein.
Massive Ausgabenreduktionen im Lebensalltag
Sieben von zehn Befragten sparen bei Kleidung, etwa die Hälfte bei Lebensmittel. Diese Form der materiellen Einschränkung reicht aber oftmals nicht aus, weshalb auch soziale Aktivitäten reduziert werden: Jeweils über 60% der Befragten berichten von Ausgabenreduktionen beim Ausgehen, bei Urlaubsreisen sowie bei Hobbies und Kultur.