Die Redewendung von Zeit, die Geld ist, ist zwar abgedroschen, enthält aber viel Wahrheit – vor allem dort, wo es um den Abtausch bezahlter Erwerbsarbeit mit gesellschaftlich notwendiger unbezahlter Arbeit geht. Letzteres leisten bekanntlich vor allem Frauen, womit ihnen Zeit für Ersteres oft fehlt.
Beeindruckende 6,7 Mio. Stunden erbringen Frauen in Österreich täglich an Hausarbeit, Kinderbetreuung oder Betreuung von pflegebedürftigen Erwachsenen, wie die letzte Zeitverwendungsstudie zeigt. Männer kommen mit 2,9 Mio. Stunden nicht einmal auf die Hälfte dieses Volumens. Kein Wunder, dass sich die Verhältnisse bei der Erwerbsarbeit umkehren: Hier haben Männer mit 3,1 Mio. Stunden die Nase vorn, bei Frauen sind es “nur” 2,3 Mio. Stunden. Damit arbeiten Frauen aber insgesamt deutlich mehr als Männer, die es nur auf 60 Prozent des weiblichen – bezahlt oder nicht – Arbeitsvolumens bringen.
© A&W Blog
Es geht also um eine Form extremer Ungleichverteilung. Allerdings ist, wenn von ungleicher Verteilung gesprochen wird, meist von Geld die Rede. Das ist verständlich, denn Geld ist in der kapitalistischen Gesellschaft die Grundvoraussetzung, um sich (und seine Angehörigen) versorgen zu können. Es bestimmt zudem das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten und damit in hohem Maß die Möglichkeiten der Gestaltung des eigenen Lebens.
Geld kann man durch bezahlte Erwerbsarbeit verdienen. Dabei haben Frauen einen geringeren Anteil. Ihre Erwerbsquote ist zwar in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, liegt aber mit 67% noch immer deutlich unter der der Männer von 78 %. Häufigere Arbeit in Teilzeit und der schlechtere Zugang zur Weiterbildung sind unter anderem Gründe für die um 39% niedrigeren Einkommen. Damit verbunden sind eine schlechtere soziale Absicherung und eine höhere Armutsgefährdung.
Zeit ist auch Macht
Zeit ist aber auch in anderer Hinsicht wertvoll, beispielsweise als Zeit für (Weiter-)Bildung oder Zeit, die eigene Karriere oder die eigenen Interessen zu lobbyieren. Frauen sind durch die hohe Belastung mit unbezahlter Arbeit dabei deutlich weniger erfolgreich, wie ein Blick auf die Führungs- und Entscheidungspositionen in Wirtschaft oder Politik zeigt: Frauen sind in diesen Positionen notorisch unterrepräsentiert, wie eine Auswertung der AK Wien zeigt. Nicht einmal 4 % der Geschäftsführungen und 13,5% der Aufsichtsratsmandate der Top-200 österreichischen Unternehmen sind mit Frauen besetzt. Der Anteil an weiblichen Abgeordneten zum Nationalrat war nie höher als 34 % und in den letzten Gesetzgebungsperioden im Sinken begriffen.
Dabei ist der Zusammenhang von Macht und (Ungleich-)Verteilung offensichtlich: wer Entscheidungspositionen innehat, hat die Möglichkeit selbst Verteilungsmechanismen (mit) zu bestimmen und kann damit auch Einfluss auf die eigene Zuteilung nehmen (Stichwort Managergehälter).
Gerechte Zeitverteilung braucht viele Maßnahmen
In diesem Sinn hat die Frage von Verteilungsgerechtigkeit und Ungleichverteilung unterschiedlichste Facetten, deren politische Implikationen ebenso vielfältig sind. Ohne eine gerechtere Verteilung von Zeitressourcen zwischen Frauen und Männern lässt sich echte Gleichstellung aber auf keinen Fall verwirklichen. Es braucht daher eine Reihe von Maßnahmen, allen voran eine Entlastung der privaten Haushalte durch öffentliche, flächendeckende und bedarfsgerechte Angebote (primär Kinderbetreuung und Pflege). Steuern, Transfers und arbeitsrechtliche Bestimmungen sind darauf zu prüfen, wie Anreize für eine partnerInnenschaftlichere Teilung von unbezahlter Arbeit gesetzt werden können. Dabei müssen natürlich neue Familienformen und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften berücksichtigt werden.
Darüber hinaus geht es um die Schaffung von Freiräumen durch Phasen von Einkommen ohne Arbeit, zB. in Form von Sabbaticals und Bildungskarenz. Und nicht zuletzt wäre es dringend notwendig, anstatt der derzeit stattfindenden individuellen Arbeitszeitverkürzung in Form weiblicher Teilzeitarbeit, die wöchentliche Arbeitszeit generell zu reduzieren. Die Umsetzung dieser langjährigen, aber kaum noch verbalisierten Forderung der Gewerkschaften wäre ein wichtiger Schritt zu mehr Zeitressourcen für Frauen und Männer.
Beitrag teilen
Nichts mehr verpassen! Jetzt zu unserem Newsletter anmelden!