Datenquelle: Statistik Austria (Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung). © A&W Blog
Datenquelle: Statistik Austria (Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung).Ursachen der geschlechtsbezogene berufliche Segregation
Die Ursachen für die geschlechtsbezogene berufliche Segregation sind sehr vielfältig: Bildungs- und in der Folge Berufsentscheidungen werden nach wie vor – und in Österreich in besonderem Maße – durch die soziale Herkunft beeinflusst: den Elternhaushalt und dessen soziales Umfeld, Gleichaltrige und SchulkollegInnen aus diesem sozialen Milieu. Geschlechtsspezifische Vorstellungen über erstrebenswerte und erreichbare Berufe bilden einen Teil des bildungs- und klassenspezifischen Habitus einer Person. Töchter von Eltern mit Matura oder Universitätsabschluss haben also andere Bilder von anzustrebenden und erreichbaren Berufen als Töchter von Eltern mit Facharbeiterberufen.
Derartige Vorstellungen über typische Frauen- bzw. Männerberufe werden in der Schule oft unbewusst verstärkt, und die Medien transportieren ebenfalls solch gängige Zuschreibungen. Berufe, deren VertreterInnen besonders prägend für Kinder sind, nämlich KindergartenpädagogInnen und VolksschullehrerInnen, zählen zu jenen mit dem höchsten Frauenanteil. Kindergärten und Volksschulen sind bedauerlicherweise Einrichtungen weitgehend ohne männliche Bezugspersonen. Auf diese Weise werden den Kindern in einer entscheidenden Bildungsphase stereotype Arbeitsteilungsmuster ganz unmittelbar vermittelt.
Weil berufliche Interessen von Kindern und Jugendlichen in bestimmten Altersphasen unterschiedlich stark von Vorstellungen über Geschlechterrollen beeinflusst werden, kommt den frühzeitigen Entscheidungspunkten und Abzweigungen (mit 10 Jahren und 14 Jahren) eine große Bedeutung zu. Die besonders starke Segregation in den mittel qualifizierten Berufen hat mit dem engen Zusammenhang von Ausbildungstyp und Beruf im dualen System der beruflichen Ausbildung zu tun: Stark segregierte Männerberufe sind großteils Lehrberufe.
Die ungleiche Belastung mit Betreuungsaufgaben im Haushalt ist eine weitere sehr wichtige Ursache der geschlechtsbezogenen Segregation. Überlegungen bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beeinflussen die Berufswahl von jungen Frauen, berufliche Veränderungen in späteren Lebensphasen und die Chancen auf leitende Positionen. Frauen suchen dann häufig nach Vollzeitberufen mit günstigen Arbeitszeiten oder nach Teilzeitbeschäftigungen. Derartige Berufe sind daher zumeist stark segregierte Frauenberufe.
Der deutliche Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Frauen in den letzten Jahren hat die berufliche Segregation eher verstärkt. Denn erstens bewirkt die höhere Frauenerwerbstätigkeit zusätzliche Nachfrage nach personenbezogenen Dienstleistungen, bspw. nach Kinderbetreuung und Pflegeleistungen. Diese Berufe sind überwiegend stark segregierte Frauenberufe. Und zweitens erfolgt die Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen vorwiegend in der Form von Teilzeitbeschäftigung – gleichfalls ein in hohem Maße von stark segregierten Frauenberufen dominiertes Arbeitsmarktsegment.
Folgen der Teilung in Männer- und Frauenberufe
Die Tatsache, dass viele Frauen und Männer nur bestimmte, den geschlechtlichen Stereotypen entsprechende Berufe für sich in Erwägung ziehen, hat zur Folge, dass potenzielle Berufs- und Lebenschancen nicht verwirklicht werden, Talente unerkannt und Möglichkeiten der Gesellschaft ungenutzt bleiben.
Die geschlechtsbezogene berufliche Segregation ist eine der Ursachen der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen auf den einzelnen Qualifikationsebenen. Länderspezifische Analysen zeigen, dass berufliche Segregation zur Lohndiskriminierung von Frauen beiträgt, also zu Lohnnachteilen, die sich nicht durch persönliche Merkmale der betreffenden Personen oder durch Merkmale der betreffenden Arbeitsplätze (betriebliche Funktion, Tätigkeiten etc.) erklären lassen.
Die Konzentration von Frauen in bestimmten Beschäftigungssegmenten und Berufen und ihr weitgehender Ausschluss aus vielen von Männern dominierten Berufen und -branchen zieht eine ungleiche Bewertung von – im Hinblick auf Qualifikationsanforderungen und Tätigkeiten vergleichbaren – Frauenberufen und Männerberufen nach sich, bedingt unterschiedliche Karrierechancen und Arbeitsqualitäten (Häufung von Teilzeitbeschäftigung und von prekären Beschäftigungsverhältnissen in Frauenberufen).
Schließlich begünstigt geschlechtsbezogene berufliche Segregation den hartnäckigen Fortbestand überkommener Vorstellungen über typische Frauen- bzw. Männerberufe und traditioneller Geschlechterrollen.
Gleichstellungspolitik
Der Abbau der beruflichen Segregation ist eines der Ziele der Gleichstellungspolitik. Angestrebt werden eine stärkere Durchmischung der Berufe (mehr Frauen in Männerberufe, mehr Männer in Frauenberufe) und die Verringerung der vertikalen Segregation (mehr Frauen in leitende Positionen, insbesondere in jene der oberen Ebenen).
Eine stärkere Durchmischung der Berufe hätte auch eine Annäherung der Arbeitseinkommen der Frauen an jene der Männer vergleichbarer Qualifikation zur Folge, weiters eine Annäherung im Hinblick auf Karrierechancen, Arbeitszeitregime und andere Arbeitsbedingungen. Damit förderte ein Abbau der beruflichen Segregation auch die Erreichung anderer Ziele der Gleichstellungspolitik, nämlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit, höhere Qualität der Beschäftigung und erweiterter Zugang zur Erwerbstätigkeit für Frauen.
In Österreich haben mehrere gezielte Einzelmaßnahmen bereits gewisse Erfolge beim Abbau der beruflichen Segregation erzielt: beispielsweise Initiativen zur Förderung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik; der „Wiener Töchtertag“, an dem Mädchen unterschiedliche Berufe kennenlernen können; das Programm „Frauen in Handwerk und Technik“ im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Was bislang weitgehend fehlt, sind Initiativen (wie zB der Boys’ Day) bzw. Maßnahmen, die Anreize für junge Männer setzen, stark segregierte Frauenberufe (zB Kindergartenpädagoge, Volksschullehrer) zu ergreifen.
In den letzten beiden Jahrzehnten ist die berufliche Segregation leicht zurückgegangen. Innerhalb der EU liegt Österreich im Mittelfeld: Um eine berufliche Gleichverteilung von Frauen und Männern zu erzielen, müsste rund die Hälfte der Beschäftigten ihren Beruf wechseln. Es bleibt also viel zu tun.