Ende April gelangte ein Entwurf des Klimaschutzgesetzes (KSG) an die Öffentlichkeit, das den Rahmen für die Klimapolitik Österreichs bis 2040 vorgeben soll. Viel öffentliche Kritik gab es für einen Steuerautomatismus, der in Kraft treten soll, wenn die Reduktion von Klimagasen nicht schnell genug vonstattengeht. In diesem Beitrag werden einige umstrittene Punkte des Entwurfs kurz dargestellt und bewertet.
Der Entwurf des neuen KSG macht unter anderem das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 rechtlich verbindlich. Dazu wird für jedes Jahr bis dahin die höchste zulässige Menge an Treibhausgasen festgelegt, die insgesamt emittiert werden darf. Sie wird auf sechs Sektoren aufgeteilt: Energie und Industrie (soweit nicht im EU-Emissionshandel erfasst), Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft sowie fluorierte technische Gase. Auch für die Bindung von CO2, in erster Linie durch forstwirtschaftliche Maßnahmen, wird ein Pfad festgelegt. Zusammengenommen ergeben sie die Netto-Emissionen in jedem Jahr. Diese sollen bis 2040 auf null sinken – dann ist Klimaneutralität erreicht, wie es das Regierungsprogramm vorsieht.
Klimaneutralität in Verfassungsrang
Dieses Ziel der Klimaneutralität bis 2040 wird in § 2 des Entwurfs gesetzlich verbindlich gemacht, und zwar in Verfassungsrang. Sein Beschluss wird also eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erfordern, so wie einige weitere Bestimmungen des Gesetzes.
Die Emissionen in den einzelnen Sektoren sinken natürlich nicht von selbst. Dafür braucht es klimapolitische Maßnahmen, etwa den Ausbau erneuerbarer Energieträger, die Steigerung der Energieeffizienz, den Ersatz emissionsintensiver Produktionsverfahren durch emissionsfreie etc. Das KSG selbst enthält freilich keine konkreten Klimaschutzmaßnahmen, sondern gibt dafür bloß den organisatorischen und mengenmäßigen Rahmen vor. Vor allem geht es um die Aufteilung der Verantwortung zwischen Bund und Ländern und zwischen den verschiedenen Ministerien. Denn mehrere Ressorts sind – unmittelbar oder mittelbar – für Regelungen zur Verringerung der Treibhausgase zuständig; neben der Klimaministerin spielen etwa die Landwirtschaftsministerin, der Finanzminister, die Wirtschaftsministerin wesentliche Rollen.
Alle Macht den Beiräten?
Der Entwurf enthält umfangreiche Bestimmungen zu Komitees und Gremien. Sie heißen Klimakabinett, Nationales Klimakomitee, Österreichischer Klimadialog, Wissenschaftlicher Klimabeirat, Klimarat der Bürgerinnen und Bürger, und sie haben verschiedene Rollen bei der Erarbeitung von Maßnahmenvorschlägen. Auch wenn dies teilweise auf Forderungen des Klimavolksbegehrens zurückgeht, ist eine derartige Vielzahl an Institutionen für die Erarbeitung wirksamer Maßnahmenvorschläge wohl überschießend. Denn am Ende liegt die Verantwortung für die Erarbeitung und Umsetzung der Maßnahmenprogramme auf Bundesebene weiterhin bei der Bundesregierung und beim Gesetzgeber.
Immer wieder entsteht bei der Lektüre des Entwurfs nämlich der Eindruck, dass schlussendlich der Nationalrat gar nicht mehr anders können soll, als die Empfehlungen der verschiedenen Gremien in Gesetze zu gießen, und dass dann endlich wirksame Klimapolitik gelingt. Doch dies ist eine irrige Vorstellung. Denn der Grund dafür, dass bisher in der österreichischen Klimapolitik nichts weitergegangen ist, liegt nicht darin, dass es an Empfehlungen konkreter Maßnahmen gefehlt hätte. Was fehlt, ist ein gesellschaftlich breit getragener Konsens, dass Emissionsreduktionen der Treibhausgase notwendig sind und dass dies auch Veränderungen der eigenen Lebensführung bedeuten wird. Dieser mühevolle Prozess kann in einer repräsentativen Demokratie nicht durch einen parallelen, pseudodemokratischen Entscheidungsprozess ersetzt werden.
Kohlenstoffbepreisung bei Zielverfehlung
Die Hoffnung, um die Herstellung einer solchen gesellschaftlichen Zustimmung für die Klimapolitik herumzukommen, spricht auch aus der Bestimmung des Entwurfs, die wohl die meiste mediale Aufmerksamkeit erhielt: dem Steuerautomatismus bei Zielverfehlung. Für den Fall, dass in einem Jahr die Höchstmenge an Emissionen überschritten wird, sieht der Entwurf vor, dass eine zusätzliche Kohlenstoffbepreisung von fossilen Energieträgern eingeführt wird. Ihre Höhe liegt bei 50 Prozent der derzeit für fossile Energieträger eingehobenen Abgaben (Mineralölsteuer, Erdgasabgabe, Kohleabgabe).
Ein solcher Steuerautomatismus scheint für PolitikerInnen verlockend zu sein, weil der Unmut der ZahlerInnen erst mit Verzögerung zutage tritt. Freilich zeigen die Proteste der Gelbwesten in Frankreich, an deren Beginn auch ein Steuerautomatismus stand, dass dies eine trügerische Hoffnung sein kann.
Bei der vorgeschlagenen Kohlenstoffbepreisung gibt es zwei Probleme: die geringe Lenkungswirkung und die fehlende Kompensation für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen. Dennoch spricht sich die Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen – ganz im Sinn der neoliberalen Lehre – heutzutage für die Bepreisung von CO2-Emissionen als wirksames Instrument zur Verringerung der Treibhausgasemissionen aus.
Soziale Abfederung fehlt
Dabei wird aber übersehen, dass es viele Menschen gibt, die zumindest kurz- und mittelfristig keine Alternative zur Verwendung fossiler Energieträger haben. Typisches Beispiel sind dafür BerufspendlerInnen, deren Wohnort nicht oder nicht in ausreichender Qualität mit öffentlichem Verkehr versorgt ist. Bei ihnen wirkt also dieses „Preissignal“ nicht; es bleibt ihnen nichts übrig, als zähneknirschend die höheren Kosten zu tragen. Unter anderem aus diesem Grund sind die Wirkungen einer derartigen Steuer auf den Verbrauch gering (niedrige Preiselastizität des Verbrauchs). Dazu kommt das verteilungspolitische Problem, dass gerade Haushalte mit niedrigen Einkommen anteilsmäßig besonders viel für Energie ausgeben. Denn viele Bedürfnisse, für die Energie eingesetzt wird, sind Grundbedürfnisse – man denke an Beheizung, Beleuchtung, Kochen und Warmwasserbereitung. Das hat zur Folge, dass eine Besteuerung fossiler Energieträger die Haushalte mit niedrigen Einkommen anteilsmäßig besonders stark trifft (sogenannte regressive Wirkung der Besteuerung).
Um diese problematischen Verteilungswirkungen zu mildern, wird immer wieder eine Rückverteilung des Steueraufkommens als mögliche Maßnahme genannt. Auch für die Arbeiterkammer ist dies eine unabdingbare Voraussetzung für die höhere Besteuerung fossiler Brennstoffe. Wird die Rückverteilung als Pro-Kopf-Betrag ausgestaltet (sogenannter Öko-Bonus), so hat sie eine günstige Wirkung auf die Verteilung, weil ärmere Haushalte davon relativ stärker profitieren als reichere. Zusätzlich gehen positive Verteilungseffekte von einem zusätzlichen Transfer für Kinder im Haushalt aus (Kinderzuschlag).
Immer wieder wird vorgeschlagen, die Steuer durch Senkung der Lohnsteuer oder durch Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen zurückzuerstatten. Solche Vorschläge werden gern schönfärberisch als „Entlastung des Faktors Arbeit“ bezeichnet. Sie sind aber wegen ihrer Verteilungswirkungen strikt abzulehnen. Denn in beiden Fällen haben gerade die Haushalte mit geringen Einkommen nichts davon, denn sie zahlen wenig oder keine Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge. Die AK hat dazu eine Studie beauftragt, die diese Wirkung sehr deutlich zeigt. Grafik: Belastung der Haushalte durch eine CO2-Steuer von 50 €/Tonne CO2. Die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen werden anteilsmäßig am stärksten belastet, die reichsten Haushalte am wenigsten.