Im Auftrag der Arbeiterkammer hat die TU Wien die Wohnversorgung in fünf wachsenden europäischen Millionenstädten untersucht. Wien steht dabei verhältnismäßig gut da. Doch auch die Hauptstadt muss aktiv gegen stark steigende Bodenpreise vorgehen.
Für jedes Haus braucht es bekanntlich ein Grundstück. Deshalb ist zuallererst die Entwicklung der Grundstückspreise von Interesse. Anhand von verfügbaren Daten hat die AK-Studie „Wohnungspolitik und Wohnversorgung, Bericht aus fünf wachsenden europäischen Millionenstädten “ die Entwicklung von Wien, Berlin, Hamburg, Paris und London – alles Städte, in denen die Bevölkerungsanzahl seit der Jahrtausendwende rasch ansteigt – unter die Lupe genommen. Für Berlin, Hamburg und Wien ist hier ein enormer Preisanstieg in der vergangenen Dekade ersichtlich. In Hamburg und Wien haben sich die Grundstückspreise innerhalb von neun Jahren mehr als verdoppelt – in Berlin sogar verfünffacht.
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Die sogenannte „Flucht ins Betongold“ hat also markante Spuren auf den Bodenmärkten hinterlassen. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 wird in großem Maßstab Geld auf den Immobilienmärkten geparkt. Sowohl große Kapitalanlagegesellschaften, wie etwa Investmentfonds, als auch reiche Privatpersonen folgten und folgen diesem Trend. Sie sind dabei vom Mangel an anderen Veranlagungsformen getrieben. Derzeit dürften nur Immobilien sowohl Sicherheit wie auch positive Erträge versprechen. Gleichzeitig deutet alles darauf hin, dass die Zinsen extrem niedrig bleiben werden. Deshalb wird die Flucht ins Betongold bedauerlicherweise auch weiter anhalten. Der Druck in den Wohnungsmärkten ist natürlich auch an den Mieten und den Eigentumspreisen ersichtlich. Sowohl Mieten wie auch Kaufen ist im vergangenen Jahrzehnt unverhältnismäßig teurer geworden.
Gegenmacht am Wohnungsmarkt? Vor dem Hintergrund dieser explosiven Preisentwicklungen ist es hoch relevant, wie groß der Anteil an Wohnungen in den jeweiligen Städten ist, die von den Schwankungen am Bodenmarkt abgekoppelt sind. Wie groß ist die wohnpolitische Steuerungsmasse in den einzelnen Städten? Gibt es dort eine Gegenmacht zur gewinnorientierten Immobilienwirtschaft? Aus nun besprochenen Daten kann zudem auch sehr viel über das wohnpolitische Erbe in den jeweiligen Städten abgelesen werden.
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In London und Paris beträgt der Anteil der sozialen Wohnungsbestände nur knapp über ein Fünftel. In London war dieser Wert vor 30 Jahren noch spürbar höher gelegen, aber seither haben sich dort die kommunalen Wohnungsbestände massiv verkleinert. In Berlin sind nur zehn Prozent des Bestandes miet- oder belegungsgebundene Sozialwohnungen. Daneben gibt es zwar auch noch weitere 10 Prozent an genossenschaftlichen Wohnungsbeständen. Für diese gibt es aber keine öffentliche Mietpreisbindung mehr. Das deutsche Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ist nämlich schon Ende der 1980er-Jahre abgeschafft worden. In der deutschen Hauptstadt ist wegen der Wiedervereinigung ein langfristiger Vergleich schwierig. Aber es ist klar, dass der Anteil von sozial gebundenen Wohnungen in Berlin über die Zeit stark zurückgegangen ist. In Hamburg beträgt der Anteil an Sozialwohnungen sogar nur acht Prozent. Genossenschaftliche Bestände ohne Mietpreisbindung gibt es in Hamburg im Ausmaß von 14 Prozent. Wien verzeichnet in dieser Statistik mit deutlichem Abstand den höchsten Wert. Der Anteil von kommunalen und gemeinnützigen Wohnungen beträgt 43 Prozent vom gesamten Bestand. Zudem gibt es in Wien auch noch private Mietwohnungen, die aufgrund von Wohnbauförderungen mietpreisgebunden sind. Der wahre Anteil an sozial gebundenen Wohnungen ist daher spürbar höher als 43 Prozent. Es kann also mit Fug und Recht gesagt werden, dass Wien Europameister im sozialen Wohnbau ist.
Mieten belasten Einkommen Von besonderem Interesse ist, welchen Teil ihrer verfügbaren Einkommen die Haushalte für die Miete aufwenden müssen . In der Studie wird deshalb für jede Stadt berechnet, wie viele Haushalte mehr als einen gewissen Schwellenwert ihres Einkommens für die warme Miete ausgeben.
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Für Berlin und London sind hierbei bereits im Jahr 2017 dramatische Situationen ersichtlich. Jeder zweite Miethaushalt in der deutschen Hauptstadt gibt mindestens 40 Prozent seines verfügbaren Haushaltseinkommens für die gesamten Mietkosten aus. In London ist das sogar bei 62 von 100 Miethaushalten der Fall.
Demgegenüber geben in Wien mehr als die Hälfte der Haushalte weniger als ein Viertel ihres Einkommens für die warme Miete aus. In Paris und Hamburg ist hingegen nur jeweils rund einer von drei Haushalten in einer derart günstigen Situation. Den Miethaushalten in Wien bleibt also deutlich mehr von ihrem Einkommen übrig. Diese frei verfügbaren Einkommensteile können für andere Notwendigkeiten und insbesondere auch Annehmlichkeiten verwendet werden.
Ein Bündel an Maßnahmen ist notwendig Die Wohnversorgung in Wien basiert bekanntlich auf einem Bündel an Maßnahmen. Kommunale und gemeinnützige Wohnungsbestände, die Wohnbauförderung, ein eigener Bodenfonds sowie der Mieterinnen- und Mieterschutz ergeben zusammen das sogenannte „Wiener Modell“. Die vorliegenden Resultate bestätigen deutlich, wie wirkungsvoll dieses Modell ist. Der Kontinuität und Beständigkeit in der Wiener Wohnpolitik wird damit ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt.
Aber der Druck wird auch in der österreichischen Hauptstadt immer höher. Einige internationale Ereignisse der letzten Jahre haben am Wiener Wohnungsmarkt deutliche Spuren hinterlassen. Das waren insbesondere die Finanzkrise 2008, die Öffnung des Arbeitsmarktes gegenüber den osteuropäischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie die anhaltende Niedrigzinsphase. Deshalb ist auch in Wien wohnpolitischer Handlungsbedarf gegeben. Die Studie zeigt etwa, dass die Stadt mit den jüngsten Bodenpreissteigerungen zurande kommen muss , wenn sie ihre Stellung als Europameisterin im sozialen Wohnbau halten will. Mit dem Wohnfonds Wien und der neuen Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ ist diesbezüglich aber ein geeignetes Instrumentarium vorhanden. Die Stadt soll daher einerseits die neue Widmungskategorie weiter konsequent umsetzen. Andererseits sollen auf städtischen Liegenschaften nur mehr gemeinnützige Bauvereinigungen oder die Gemeinde selbst gefördert bauen dürfen.
Die Bundesregierung allerdings ist seit längerer Zeit säumig. Sie darf in der Wohnungsfrage nicht länger pflichtschuldig bleiben. Als erste Sofortmaßnahme sollen befristete Mietverträge abgeschafft werden, außer für Kleinstvermietende. Ferner soll die Bundesregierung den Ländern ermöglichen, mit Werkzeugen aus Raumordnung und Widmung explizit Wohnpolitik machen zu können. Dazu bedarf es einer Änderung im sogenannten Volkswohnungswesen. Dadurch könnten etwa Zweitwohnsitze beschränkt oder leerstehende Wohnungen mit einer Abgabe belastet werden. Schließlich sollen auch verfügbare Grundstücke des Bundes und von Bundesgesellschaften nur mehr für den geförderten Wohnbau verwendet werden.
Die Langfassung des Artikels ist in der Zeitschrift AK Stadt: „Was kostet Wohnen?“, Ausgabe 03/2021 erschienen.
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