Die Leistbarkeit von Wohnraum in den Ballungsräumen Österreichs wird wesentlich von der Zahl der Neubauten bestimmt. Die Wohnbauförderung, die in der Kompetenz der Länder liegt, ist wiederum das zentrale Instrument, mit dem gesteuert werden kann. Insofern ist es logisch, dass fast alle Stakeholder die Länder in der Pflicht sehen. Übersehen wird dabei aber geflissentlich, dass der Bund mittels Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), Mietrecht, indirekten Förderinstrumenten und der Bundesverfassung selbst wichtige Hebel in der Hand hält – die allerdings nur unzureichend für leistbares Wohnen in Bewegung gesetzt werden.
Es müsse mehr neu gebaut werden, ist zurecht das fast universelle Credo. Mehr Neubau ist aber noch kein Garant dafür, dass sich selbst besserverdienende Familien die neuen Wohnungen auch leisten können. In der Regel sind die Mieten in Neubauwohnungen für breite Bevölkerungskreise nur dann bezahlbar, wenn die Wohnbauten mit öffentlichen Wohnbauförderungsmitteln errichtet werden und die Fördernehmer verpflichtet sind, die Fördervorteile an die BewohnerInnen weiterzugeben. Es stellt sich aber in weiterer Folge die Frage, wie man sicherstellen kann, dass die mit öffentlichen Fördermitteln errichteten Wohnungen auch dauerhaft und nachhaltig leistbar bleiben.
Vor kurzem empörte sich ein Journalist mir gegenüber, dass es doch bei einer geförderten Mietwohnung nicht möglich sein könne, dass eine Familie mit einem Einkommen von 2450 Euro vor wenigen Jahren in eine 96 m² große Wohnung mit einem Mietzins von brutto 780 Euro eingezogen sei und jetzt wegen einer Mietanhebung auf brutto 1.400 Euro gezwungen sei, die Wohnung zu verlassen. Meine Antwort: In nicht wenigen Fällen ist das leider durchaus möglich. Das hängt damit zusammen, dass die Übertragung der Kompetenz für die Wohnbauförderung vom Bund auf die einzelnen Bundesländer gewisse rechtliche Besonderheiten und Lücken hatte; diese erweisen sich jetzt eher als Tücken.
Die „Verländerung“ der Wohnbauförderung Ende der 1980er-Jahre
Durch eine entsprechende Änderung der Bundesverfassung (B-VG) wurde die Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung an die Länder übertragen. Nicht übertragen wurde allerdings die Möglichkeit, den Wohnbauförderungsbeitrag selbst zu bestimmen und einheben zu können – hier folgten noch mehrere Änderungen des Finanzausgleichs, die letzte im Jänner 2018.
Seitdem kommt den Ländern Zivilgesetzgebungskompetenz (etwa zur Festlegung förderrechtlicher Mietobergrenzen) zu. Diese Kompetenz der Länder ist aber eingeschränkt, da der Bund den Ländern nur die Möglichkeit übertragen hat, die „notwendigen“ Bestimmungen auf dem Gebiet des Zivilrechts zu erlassen. Diese Einschränkung führte dazu, dass Bestimmungen wie etwa zur zulässigen Mietzinshöhe oder hinsichtlich der Vergaberichtlinien nur bis zur gänzlichen Rückzahlung der Förderungsmittel anzuwenden sind.
Zudem umfasst die „Verländerung“ nicht das Recht, den gemeinnützigen Bauvereinigungen bei ihren geförderten Bauten die Mietzinshöhe gesetzlich vorzuschreiben. Das ist nicht weiter „schlimm“, weil ja das WGG sowieso schon eine Mietenbegrenzung vorsieht – im Übrigen eine sehr nachhaltige Bestimmung, die leistbare Mieten auf Bestanddauer des Gebäudes garantiert (mit Ausnahme der Fälle des sogenannten „Mietkaufs“).
Auch wenn die Länder für die gemeinnützigen Bauvereinigungen zwar keine Mietzinsbestimmungen festlegen können, sind sie zu anderen Regelungen zivilrechtlicher Art ermächtigt; etwa zu Bestimmungen, wie und an wen die gefördert errichteten Wohnungen zu vergeben sind. Aber diese Förderungsauflagen (z. B. die Vergaberichtlinien) gelten nur so lange, als die Förderdarlehen noch nicht vollständig zurückbezahlt sind (bzw. bei Förderungen mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen: solange 25 Jahre noch nicht vorbei sind).
Wohnbauförderungsrecht (Länderkompetenz) vs. Mietrecht (Bundeskompetenz)
Die förderungsrechtlichen Mietzinsbestimmungen gelten jedenfalls für Fördernehmer, die nicht dem WGG unterliegen. Die Länder dürfen aber Mietzinsobergrenzen (wenn eine Förderung mittels Darlehen erfolgt) nur bis zur Rückzahlung der Förderdarlehen (bzw. 25 Jahre nach Zuschussgewährung) vorsehen. Danach greift nur mehr das Mietrechtsgesetz. Dann sind zwei Fälle zu unterscheiden:
- Die gefördert errichteten Mietwohnungen werden nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt: Das Mietrechtsgesetz ist zwar weiter voll anwendbar und es gilt ein „angemessener“ Hauptmietzins als gesetzliche Mietzinsobergrenze. Sie ist aber im Sinn der Leitbarkeit der Mieten de facto unwirksam; die Rechtsprechung erlaubt nämlich unter diesem Begriff den „ortsüblichen“ Mietzins, der/die VermieterIn darf dabei also im Prinzip verlangen, was der Markt hergibt.
- Die gefördert errichteten Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt: Das Mietrechtsgesetz ist dann nur mehr teilweise anwendbar. Der/Die jeweilige EigentümerIn darf gleich einen völlig ungeregelten freien Hauptmietzins verlangen. Also selbst für Wohnungen, deren Herstellungskosten komplett von der Allgemeinheit und von den BewohnerInnen finanziert wurden, kann der/die VermieterIn freie Marktpreise verlangen.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Bundesländer in ihrem Förderrecht für die nicht gemeinnützigen Bauträger und VermieterInnen nur bis zum Zeitpunkt der Abzahlung der geförderten Kredite Mietobergrenzen vorschreiben dürfen. Für den anschließenden Zeitraum gilt nur die bundesgesetzliche Mietenregelung; diese „versagt“ aber, weil die geförderten Wohnungen für DurchschnittsverdienerInnen dann kaum mehr leistbar sind.
Ein Beispiel: geförderte Mietwohnung mit 108 m², von einem privaten (nicht gemeinnützigen) Bauträger, kostendeckende Miete während der Förderungsdauer (bis Ende 2017) ca. 500 Euro netto (zzgl. BK und USt.). Ab 2018 Miete 1.067 Euro netto (zzgl. BK und USt.); bei einer GBV wäre die Miete nach vollständiger Ausfinanzierung 405 Euro netto (zzgl. BK und USt.).
Bei genau derselben, gleich geförderten Wohnung senkt eine GBV die Miete (weil ja WGG), der private geförderte Bauträger kann die Miete jedoch mehr als verdoppeln (weil das MRG keine Obergrenze bietet). Hier wird deutlich, wie krass das Mietrechtsgesetz versagt; nicht einmal bei geförderten Wohnungen, bei denen nur die Länder und die BewohnerInnen alle Errichtungskosten binnen einer gewissen Zeit refinanziert haben, bietet es eine brauchbare Mietzinsobergrenze. Eine sachlich gerechtfertigte Änderung des MRG auch für solche Fälle scheitert an jahrelanger Blockade der Immobilienwirtschaft und der ihr nahestehenden Partei. Ein Versagen des Mietrechtsgesetzes, also des Bundesgesetzgebers.
Für mit öffentlichen Mitteln geförderte (Sockel-)Sanierungen gilt übrigens Ähnliches. Sind diese meist über zehn oder 15 Jahre geförderten Kredite durch die Fördermittel und die MieterInnen einmal abbezahlt, gelten die landesgesetzlichen Mietenbegrenzungen ebenfalls nicht mehr. Es dürfen die Wohnungen in diesen so geförderten Altbauten also schon nach zehn oder 15 Jahren oft zu ortsüblichen Marktmieten oder zum Richtwertmietzins mit weitgehend ungeregelten Zuschlagsmöglichkeiten vermietet werden.
Wohnbauinvestitionsbank als vergebene Chance für leistbares Wohnen seitens des Bundes
Die erste und bisher einzige von der türkis/blauen Bundesregierung beschlossene Maßnahme im Wohnbereich ist der im ersten Halbjahr 2018 vollzogene Ausstieg des Bundes aus der Wohnbauinvestitionsbank (WBIB). Begründet wurde der Rückzug mit der Bereinigung von Doppelgleisigkeiten – angesichts der oben beschriebenen rechtlichen Überlappungen eine Farce. Vielmehr fühlt sich der Bund für leistbares Wohnen nicht mehr zuständig.
Der Hintergrund: Die europäischen und österreichischen Fiskalregeln haben dazu geführt, dass die öffentliche Hand kaum Geld zur Verfügung hat, um brennende Probleme der Wohnungsknappheit in den Ballungszentren in Österreich zu lösen. Und das selbst dann, wenn die auf Kredit erfolgten Investitionen erhebliche Vermögenswerte schaffen oder klar wachstumsfördernd sind. Daher wurde 2015 die WBIB auf gesetzliche Füße gestellt, um über diese Bank – versehen mit Haftungen des Bundes – an günstiges Geld der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu kommen.
Ziele der WBIB waren „im Sinn eines leistbaren Wohnens und in Ergänzung zur Wohnbauförderung der Länder“
- sowohl die Finanzierung und Förderung einer kurz- und mittelfristig erhöhten Wohnbautätigkeit – und damit ein erhöhtes Wohnungsangebot in Miete und Wohnungseigentum in Österreich – als auch
- die Weiterreichung erzielbarer Kostenvorteile unmittelbar an die endbegünstigten Wohnungsnutzer.
Davon hat sich die Regierung nun verabschiedet. Es wird keine Bundeshaftung für die WBIB geben, die Millionen der EIB zur Ergänzung der Wohnbauförderung der Länder wird es ebenso nicht geben. Damit wird nicht so viel leistbarer Wohnraum wie geplant gebaut werden können – mit entsprechend negativen Jobeffekten. Man hat hier ganz offensichtlich den privaten Immobilienkonzernen mit ihren überteuerten Wohnungen ein Geschenk gemacht; mehr von den Ländern geförderte günstige Wohnungen hätten ihnen Konkurrenz gemacht. Die Leidtragenden sind die Wohnungssuchenden, denen weniger geförderte günstige Wohnungen zur Verfügung stehen – und die damit im wahrsten Sinne des Wortes einen hohen Preis zu zahlen haben.
Verfassungsrechtliche Grundlage für günstige Grundstücke fehlt
Der geförderte Wohnbau (auch der nicht geförderte) braucht günstigere Grundstücke. Im Falle von Umwidmungen von Grün- in Bauland machen GrundstückseigentümerInnen oft ungeheure Windfall Profits und bei den völlig überteuerten Grundstückspreisen wird der soziale Wohnbau unmöglich. Da könnten die Bundesländer mit Maßnahmen der Raumordnung zur Baulandmobilisierung gegensteuern; beispielsweise durch die Widmungskategorie geförderter Wohnbau oder durch die sogenannten Vertragsraumordnungen.
Das Problem ist aber die Kompetenzlage in der Bundesverfassung: Während das „Volkswohnungswesen“ in der Kompetenz des Bundes liegt (eben mit Ausnahme der Wohnbauförderung), ist die Raumordnung aber in der Zuständigkeit der Länder. Wenn also ein Land in der Raumordnung eine Widmungskategorie geförderter Wohnbau schafft (oder wenn man sonst im Rahmen der Raumordnung Elemente einführt), die man auch unter den Themenbereich „Volkswohnungswesen“ einordnen kann, dann besteht die Gefahr, dass der VfGH zum Ergebnis kommt, dass dem Bundesland diese Kompetenz gar nicht zukommt. Begründung könnte etwa sein, dass das Land zwar „normale“ Raumordnungskompetenz habe, aber keine „das Volkswohnungswesen betreffende Raumordnungskompetenz“; denn das gehöre zum Volkswohnungswesen, und damit dem Bund.
Seit mehreren Jahren liegt ein Vorschlag zur Änderung des Bundesverfassungsgesetzes auf dem Tisch, der es den Ländern eindeutig ermöglichen würde, Regelungen im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung günstiger Grundstücke für den geförderten Wohnbau klar festzulegen. In Anlehnung an ein Rechtsgutachten sollten „Maßnahmen zur Baulandmobilisierung für Zwecke des Volkswohnungswesen“ ausdrücklich in die Kompetenz der Länder fallen. Damit wären alle diese Kompetenzen (Förderung des Wohnbaus, Förderung der Wohnhaussanierung, Maßnahmen zur Baulandmobilisierung für Zwecke des Volkswohnungswesens) eindeutig bei den Ländern.
Freilich: Der Bund verweigert bisher die Beschlussfassung über dieses Gesetz, das zuletzt im Juni 2017 erfolglos an den Nationalrat herangetragen wurde.
Fazit: Die Bundesregierung kann und soll sich für leistbares Wohnen einsetzen
Es wäre wohl zu kurz gegriffen, wenn man den auf der Bundesebene handelnden oder die notwendigen Maßnahmen unterlassenden PolitikerInnen nur Böswilligkeit oder Einseitigkeit zugunsten der Interessen der Immobilienkonzerne unterstellt. Andererseits darf man die Bundesländer bei der Schaffung und Sicherung nachhaltig leistbaren Wohnraums nicht allein lassen und ihnen nicht die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen verweigern, die dafür notwendig sind.