Neu gebaute gemeinnützige Wohnungen sind in Österreich fast ausschließlich im Eigentum gemeinnütziger Wohnbauvereinigungen. Diese sind allerdings in vielen Fällen verpflichtet, den MieterInnen eine sogenannte Eigentumsoption anzubieten, sprich die Wohnung nach zehn Jahren privat zu kaufen. Insbesondere der moderate Gewinnaufschlag sowie die öffentliche Förderung machen dieses Angebot für den Einzelnen lukrativ. Langfristig schmälert diese Angebotspflicht allerdings den gemeinnützigen Wohnungsbestand. Will man leistbares Wohnen auch für zukünftige Generationen erhalten, sollte die verpflichtende Eigentumsoption abgeschafft werden.
Über 2 Mio. BewohnerInnen – rund ein Viertel der in Österreich lebenden Menschen – sind im gemeinnützigen Wohnbau zu Hause. Wohlfahrtsstaatliche Wohnungspolitik hängt damit in hohem Maße von den Möglichkeiten dieses Sektors ab, die wiederum wesentlich von der gesetzlichen Regulierung abhängen. Während in anderen Ländern diese Form wohlfahrtsstaatlicher Wohnungspolitik durch Privatisierung und Kommodifizierung geschwächt oder zerschlagen wurde (sofern sie überhaupt jemals in relevantem Ausmaß existierte), wurde der gemeinwirtschaftliche Immobiliensektor eher gestärkt – mit einer wesentlichen Ausnahme: der Einführung der Eigentumsoption, die eine schleichende individuelle Privatisierung möglich machte.
Glaubensfrage individuelles Eigentum
Seit der Einführung gibt es eine regelmäßige Debatte über die Reform der Eigentumsoption. Während die einen privates Eigentum aus Prinzip stärken wollen, zielen die anderen auf leistbares Wohnen für eine möglichst breite Bevölkerungsschicht ab.
Dieser Grundkonflikt flammte kürzlich wieder auf, als der Verein für Wohnbauförderung (vwbf), ein Zusammenschluss fortschrittlicher VertreterInnen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, sein neues Grundsatzprogramm „Wo wir hinwollen – 6 Punkte für die Gemeinnützigen“ präsentierte. Neben vielen anderen wichtigen Themen (z. B. die klare Zurückweisung aller Versuche, die Gemeinnützigkeit zugunsten der Profitinteressen von Finanzinvestoren zu schwächen, oder die Forderung, Wohnbauförderungsmittel nur mehr an Gemeinnützige auszuschütten) enthält das Programm auch die Forderung nach Abschaffung der gesetzlichen Kaufoption zur Eindämmung der Immobilienspekulation. Konkret wird die Abschaffung der gesetzlichen Kaufoption gefordert. Außerdem sollen im Falle verkaufter Wohnungen bei der Vermietung dieselben Mietzinsbeschränkungen gelten, denen die gemeinnützige Bauvereinigung selbst unterliegt (dazu später mehr). Der freiwillige Weiterverkauf im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten soll aber weiterhin möglich sein. Jede gemeinnützige Bauvereinigung soll selbst entscheiden dürfen – letztlich entscheiden ja ohnehin die KundInnen, welches Modell das attraktivste ist.
Die Veröffentlichung dieser Forderung hat prompt Widerstand in der Politik ausgelöst, vor allem aber auch beim konservativen Teil der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. So hat die der ÖVP nahestehende ARGE Eigenheim bei ihrer Jahrestagung diese Forderung stark thematisiert und sich – schon im Hinblick auf den Namen dieser Vereinigung – erwartungsgemäß dagegen ausgesprochen. Da die Eigentumsoption ja freiwillig weiterhin angeboten werden könnte, überrascht es besonders, wenn ein Teil der Branche dem anderen Teil Verpflichtungen auferlegen will, obwohl man selbst nichts an Gestaltungsmöglichkeiten verlieren würde.
Wie sieht die Rechtslage derzeit aus?
Nach den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes hat ein/e MieterIn einer gemeinnützigen Wohnung zehn Jahre nach Erstbezug (bis zum Ablauf des fünfzehnten Jahres) bzw. nach Laufzeit des Mietvertrages insbesondere dann Anspruch auf Übertragung der Wohnung in das Wohnungseigentum, wenn
- er/sie einen Mindestbetrag an Eigenmitteln (Finanzierungsbeitrag – derzeit EUR 68,91/m2 Wohnfläche) eingezahlt hat,
- die Wohnung mit Wohnbauförderungsmitteln gefördert wurde und die Förderung noch aufrecht ist und
- es sich nicht um Baurecht handelt.
Mit der letzten WGG-Novelle wurde die unmittelbare Spekulation eingedämmt. Wird die mittels Eigentumsoption erworbene Wohnung binnen zehn Jahren neuerlich weiterverkauft, muss nun die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert an die Bauvereinigung nachgezahlt werden.
An der Grundproblematik der unbeschränkten Neuvermietung hat dies jedoch nichts geändert. Während für gemeinnützige Wohnungen der Grundsatz „Einmal WGG – immer WGG“ gilt, unterliegt eine allfällige neuerliche Vermietung keinerlei Preis- bzw. Gewinnbeschränkung. Eigentlich sieht das WGG vor, dass eine Wohnung, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet wurde, für die gesamte Bestandsdauer Regeln unterliegt – insbesondere den Entgeltbestimmungen, also dem Kostendeckungsprinzip. Diese Wohnungen sind daher in fast allen Fällen deutlich billiger als qualitativ vergleichbare Wohnungen von privaten VermieterInnen. Die einzige Ausnahme: Wenn der/die bisherige MieterIn die Wohnung kauft und dann vermietet, ist er/sie frei von diesen Beschränkungen und kann zu einem freien Mietzins vermieten.
„Mietkauf“-Wohnungen sind nicht mehr sozial gebunden
Damit fallen diese Wohnungen aus dem mietengeschützten, sozial gebundenen Bestand heraus. Das ist grundsätzlich schon eine unerwünschte Konsequenz – weder kann es das Ziel der Wohnbauförderung und der Wohnungsgemeinnützigkeit sein, Wohnungen zu bauen, die nach wenigen Jahren nicht mehr dem sozialen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen, noch dass bei Neuvermietung die Mieten deutlich über denen von gemeinnützigen Nachbarwohnungen liegen können.
Erst recht kontraproduktiv ist dieses Ergebnis in Zeiten wie diesen, in denen die Mietpreise so stark ansteigen und gleichzeitig zu wenig sozialer Wohnbau stattfindet. Jede Wohnung, die aus diesem System herausfällt, müsste eigentlich noch zusätzlich zum aktuellen Bedarf dazu gebaut werden, um die entsprechende Nachfrage befriedigen zu können.
Laut Statistik des Verbands der Gemeinnützigen befinden sich derzeit ca. 115.000 Wohnungen im Bestand von gemeinnützigen Bauvereinigungen mit einer gesetzlich verankerten Kaufoption – das sind ca. 20 % des Gesamtbestands. Jährlich werden rund 5.000 Wohnungen aus diesem Titel übereignet. Auch wenn man davon ausgeht, dass der größere Teil dieser Wohnungen weiterhin von den KäuferInnen selbst genutzt wird, so wird ein Teil jedenfalls sehr rasch als Anlageobjekt betrachtet und vermietet. Diese Wohnungen fehlen dann im Bestand sozial gebundener Wohnungen mit günstigen Mieten.
Derzeit kommen jährlich rund 8.000 Wohnungen in die Ausfinanzierung (d. h., dass alle Darlehen zur Finanzierung des Baus zurückgezahlt sind), dabei sinkt die Miete deutlich ab. Diese Wohnungen haben die niedrigsten Mieten in ganz Österreich. Durch die Eigentumsoption verringert sich dieser sozial- und wohnungspolitisch wichtige Effekt in Zukunft – verkaufte Wohnungen stehen nicht mehr als günstige Mietwohnungen zur Verfügung.
Eigentumsoption zulasten sozialer Wohnpolitik?
Aus Sicht der Wohnungspolitik ist das ein absurdes Ergebnis: Man wendet viel Geld aus der Wohnbauförderung und sonstige Ressourcen (Grundstücke, Know-how …) auf, um günstige, qualitativ hochwertige Wohnungen zu bauen, die über kurz oder lang als Spekulationsobjekte enden. Um das aufzufangen, müsste man einen entsprechend größeren Aufwand betreiben, um das Ziel eines ausreichenden Angebots an leistbaren Wohnungen zu erreichen.
Wenn man sich also schon nicht überwinden kann, die gesetzliche Eigentumsoption abzuschaffen, so sollte man wenigstens die zweite Forderung des vwbf umsetzen, also die Privilegierung bisheriger MieterInnen als KäuferInnen abschaffen. Sie sollen genauso wie die gemeinnützigen Bauvereinigungen oder andere KäuferInnen weiterhin den WGG-Regeln unterliegen. Das beeinträchtigt die EigennutzerInnen nicht, verhindert aber Spekulation mit gemeinnützigen Wohnungen.
Mythos Wohnungseigentum – Erwartungen und Realität
Generell muss man auch darauf hinweisen, dass Wohnungseigentum – auch bei sehr käuferInnenfreundlicher Kalkulation bei den Optionswohnungen von gemeinnützigen Bauvereinigungen – für den größten Teil der Bevölkerung nicht erreichbar ist.
Ein kleines Beispiel: Für eine 80 m2 große Wohnung in durchschnittlicher Lage in Wien beträgt der Kaufpreis nach zehn Jahren rund 200.000 Euro zuzüglich Nebenkosten in Höhe von ca. 10.000 Euro. Nach Abzug des Finanzierungsbeitrags von angenommen 30.000 Euro beträgt der Barkaufpreis inkl. Nebenkosten 180.000 Euro. Die Banken verlangen in der Regel Eigenmittel von mindestens 20 %, also rund 35.000 Euro (was für sehr viele Haushalte schon ein Ausschlusskriterium darstellt – viele bestehen auch die immer strenger werdenden Bonitätsprüfungen der Banken nicht). Für einen Kredit für den Restbetrag von 145.000 Euro zahlt man aktuell auf 20 Jahre eine monatliche Rate von ca. 780 Euro. Unter Berücksichtigung der Erhaltungs- und Betriebskosten sowie der Steuern beträgt die monatliche Gesamtbelastung schon an die 1.000 Euro. Das ist für viele Haushalte nicht leistbar – da kann man langfristig herumrechnen, wie man will. Zum Vergleich: Die Miete für eine geförderte gemeinnützige Wohnung in dieser Größe beträgt im Neubau unter 600 Euro/Monat.
Ein wenig anders sieht die Situation natürlich nach Ausfinanzierung aus – aber die Hoffnung vieler WohnungseigentümerInnen, „irgendwann nur mehr Betriebskosten“ zu zahlen, erfüllt sich natürlich nicht, denn zum Unterschied von MieterInnen sind EigentümerInnen voll für alle Erhaltungsarbeiten im Haus verantwortlich. Dementsprechend müssen sie diese auch finanziell mittragen.
Verletzung des Generationenvertrags
In ausfinanzierten gemeinnützigen Wohnungen beschränkt sich der Unterschied zwischen MieterInnen und EigentümerInnen im Wesentlichen auf das „Grundentgelt“, also einen Betrag in Höhe von derzeit 1,75 Euro/m2/Monat. Dieser wird zusätzlich zu Betriebs- und Erhaltungskosten eingehoben und steht für die Wohnraumschaffung für zukünftige Generationen zur Verfügung. Der Unterschied in der Kostenbelastung ist also relativ gering und beschränkt sich darauf, dass EigentümerInnen sich nicht an diesem solidarischen Modell eines Generationenvertrags beteiligen.
Ganz nebenbei ist es in den meisten Fällen so, dass die „besseren“ Wohnungen gekauft werden, die anderen bleiben bei den Bauvereinigungen – das erhöht nicht nur deren Leerstandsrisiko, sondern führt auch zu einer Verschlechterung des Angebots für die Wohnungssuchenden.
Schlussfolgerungen
Es zeigt sich also, dass die Schaffung von Wohnungseigentum nicht nur dem politischen Ziel, leistbares Wohnen zu schaffen, entgegensteht; es nagt am Modell des genossenschaftlichen Miteigentums.
Dabei bleiben die hohen Erwartungen an das Wohnungseigentum unrealistisch. Man sollte aufhören, mit falschen Hoffnungen Politik zu machen – und erst recht sollte man damit aufhören, die Gemeinnützigen aus rein ideologischen Gründen zu wohnungs- und unternehmenspolitisch falschen Entscheidungen zu zwingen.