Wien und die Region wachsen stark, während weite Teile des ländlichen Österreichs schrumpfen. Dennoch ist das Bild Wiens in den Bundesländern angekratzt. Kann es wirklich sein, dass es am Land so gut ist und in der Stadt so schrecklich? Man muss nicht weit ins Land hineinfahren, um zu erkennen, wie es in der Stadt eigentlich so ist. Eine sehr persönliche, nicht repräsentative Feldstudie in verschiedenen Bundesländern hat interessante Wienbilder zum Vorschein gebracht.
Mythos I: Wien ist gefährlich
„In den Abend- oder Nachtstunden in der Stadt unterwegs zu sein oder gar mit der U-Bahn zu fahren, geht, wenn überhaupt, nur mit Pfefferspray. Besser man bleibt am Land, da kann nichts passieren.“
Für Stadt und Land gilt: Schwere Verbrechen gegen Leib und Leben haben eine extrem hohe Aufklärungsquote, weil die TäterInnen oft aus dem familiären Umfeld stammen. Wien ist eine der sichersten Großstädte der Welt (Mercer: Platz fünf von 221 Städten). Die Kriminalstatistik 2017 weist für Wien einen Rückgang der Kriminalität von 7,4 Prozent aus. Das ist der niedrigste Wert der vergangenen zehn Jahre. Die Aufklärungsquote stieg auf 42,4 Prozent und damit auf den historischen Höchststand.
Mythos II: Autofahren in Wien ist tödlich
„Das Autofahren in der Stadt ist die Hölle. Am Land kann jeder parken und fahren, wie er will.“
Der Stadtverkehr ist zwar stressiger, wenn man gewohnt ist, allein auf der Landstraße zu fahren. In die Hölle geht es aber erst nach dem Tod, und um den hinauszuzögern, empfiehlt sich die große Stadt. Im Jahr 2016 gab es in Wien 19 Verkehrstote, in der Steiermark 72, in Oberösterreich 90 und in Niederösterreich 112.
Mythos III: Kinder in Wien sind bedauernswert
„Wiener Kinder sind bedauernswert, weil sie keine Natur, kein Grün, keinen Sport bekommen. Man muss Stunden fahren, um irgendwo spielen zu können. Am Land wachsen die Kinder im Grünen auf.“
Ignoriert wird bei dieser Aussage, dass die Hälfte der Stadt Grünfläche ist: Dazu gehören etwa die Donauinsel, der Prater, Schönbrunn, der Stadtpark, die unzähligen Schrebergärten sowie der Wienerwald. Inzwischen ist die Biodiversität in der Stadt größer als im ländlichen Raum. Das hat vor allem mit der Intensivlandwirtschaft auf dem Land zu tun.
Mythos IV: Landflüchtlinge
„Jene, die vom Land in die Stadt gezogen sind, etwa um zu studieren, sind am Land ja eh nicht wirklich überlebensfähig.“
Ja, das stimmt. Das Land bietet für gut ausgebildete Menschen kaum Möglichkeiten. Deswegen gehen viele junge Leute auch in die Stadt. Und diejenigen, die am Land bleiben, warnen einander vor dem Moloch, der die eigenen Kinder am Praterstern oder in der U6 verschlingt.
Mythos V: Wien ist hoch verschuldet
Ah ja, da ist noch was, was weniger von Menschen aus den Bundesländern kommt, sondern gerne auch seitens Regierungsmitgliedern kampagnenartig wiederholt wird: die Verschuldung Wiens. So wurde in einer Stellungnahme gesagt, dass es völlig unverständlich sei, warum die Neuverschuldung trotzdem jedes Jahr steige. Nun vielleicht liegt es wirklich am „Verstehen“ und nicht an einer bösartigen Kampagne – da könnte vielleicht eine Erklärung helfen:
Je EinwohnerIn liegt Wien in der Pro-Kopf-Verschuldung deutlich unter dem Durchschnitt der Bundesländer, weit hinter Niederösterreich oder Kärnten und meilenweit unter der Verschuldung anderer Großstädte. Zudem spricht aus ökonomischer Sicht alles dafür, die bei starkem Wachstum notwendige Infrastruktur über Kredite zu finanzieren und nicht durch die Höhe der laufenden Steuereinnahmen zu begrenzen. Doch die EU-Fiskalregeln und der innerösterreichische Stabilitätspakt sehen das anders. Nicht einmal die unverzichtbaren Investitionen in öffentliche Infrastruktur, sozialen Wohnbau sowie Bildungs- und Sozialeinrichtungen bleiben vom Nulldefizit-Wahn verschont. Hier wird die Zukunft Wiens aufs Spiel gesetzt.