Einige Forderungen der Immobilienwirtschaft sind direkt in das Programm der neuen Bundesregierung übernommen worden. Das zeigt ein Vergleich des Regierungsprogramms mit dem aktuellen Forderungskatalog des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft.
Maßnahmen im Regierungsprogramm
Mit dem neuen Regierungsprogramm stellt sich neben den möglichen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auch die Frage, wessen Interessen Eingang in das Programm gefunden haben und von der neuen Regierung unterstützt werden. Der Abschnitt zum Thema „Wohnen“ ist geschmückt mit blumigen Formulierungen über Interessenausgleich, Gerechtigkeit und Fairness. Bei genauerer Betrachtung ist allerdings unübersehbar, dass sich vor allem eine Interessengruppe in das Programm eingebracht hat: die Immobilienwirtschaft.
Ersichtlich wird das durch einen Vergleich des Regierungsprogramms mit den aktuellen Forderungen des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Mehrere ÖVI-Forderungen finden sich direkt im Regierungsprogramm wieder. Manche sind mit etwas größerer Anpassung übernommen, manche wortwörtlich.
Einschränkungen im sozialen Wohnbau?
Beim ÖVI findet sich etwa die Forderung nach mehr Treffsicherheit im sozialen Wohnbau und nach höheren Mieten für BesserverdienerInnen. Der ÖVI fordert, dass Länder und Gemeinden „ihre kommunalen Wohnungsvergabe- und Wohnbauförderungssysteme einer Evaluierung (…) unterziehen und entsprechende Maßnahmen (…) setzen. Im Sinne der sozialen Gerechtigkeit bedarf es einer regelmäßigen Überprüfung der Förderwürdigkeit (wie z. B. in der Schweiz üblich und gesellschaftlich auch anerkannt). Ist diese nicht mehr gegeben, soll – um die soziale Durchmischung aufrecht zu erhalten – eine Anhebung des Mietzinses auch im sozialen Wohnbau möglich sein.“ Das Regierungsprogramm übernimmt das textlich kürzer, im Kern aber identisch. Ein Unterschied ist, dass die Regierungspläne nicht nur in kommunalen, sondern auch in gemeinnützigen Beständen Überprüfungen der BewohnerInnen vorsehen. Unter der Überschrift „Soziale Treffsicherheit und fairen Interessenausgleich sicherstellen“ heißt es: „Mehr Gerechtigkeit im sozialen Wohnbau sicherstellen: regelmäßige Mietzinsanpassungen für Besserverdiener im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau.“
Mietregulierungen mittels Sanierung umgehen?
Ein weiteres Beispiel ist die ÖVI-Forderung, Wohnungen nach Sanierung zu Marktpreisen vermieten zu können. Die Sanierung soll ein Mittel werden, um Mietregulierungen zu umgehen. Der ÖVI fordert unter der Überschrift „Faires Mietzinsbildungssystem bei umfassenden Sanierungen“, dass „Investitionen in umfassende Sanierungen (…) in der Mietzinsbildung durch Anwendung des angemessenen Mietzinses berücksichtigt werden [sollten]“. Im Regierungsprogramm heißt es dazu kurz: „Mietzinsbildung: Marktkonforme Miete bei Neubauten und Gesamtsanierungen des Gebäudes auf zeitgemäßen Standard.“
Weitere Verschärfung bei Eintrittsrechten und Befristungen
Ein weiteres Beispiel betrifft die Einschränkung der Eintrittsrechte in bestehende Mietverträge. „Neuregelung der Eintrittsrechte – Abschaffung des ‚Mietadels‘“, heißt es da. Das Regierungsprogramm übernimmt das. Sogar inklusive der unter Anführungszeichen gesetzten Formulierung des „Mietadels“: „Abschaffung des ‚Mietadels‘ durch zeitgemäße Ausgestaltung der Eintrittsrechte“. Eine andere ÖVI-Forderung bezieht sich auf die Neugestaltung der Befristungsregelungen. Dem ÖVI ist der Befristungsabschlag von 25 Prozent ein Dorn im Auge. Gefordert wird die „Abschaffung des Befristungsabschlages“, und: „Anstelle einer Pönalisierung sollten Anreize für längerfristige Vermietung geschaffen werden“. Das Regierungsprogramm übernimmt im Wesentlichen die Forderung, lässt aber die Formulierung der Abschaffung des Befristungsabschlages weg. Außerdem wird im Regierungsprogramm auch explizit die Möglichkeit eingeführt, kürzere Mietverträge als jetzt möglich (weniger als drei Jahre) abzuschließen: „Längerfristige Mietverhältnisse fördern, kurzfristige Mieten erlauben: Schaffung eines Anreizsystems zur Attraktivierung längerfristiger Mietverhältnisse, gleichzeitig Dispositionsfreiheit in definierten Einzelfällen für kurzfristige Mietverhältnisse“.
Außerdem betrifft eine ÖVI-Forderung auch die Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraumes zur Attraktivierung von Vermietungen. Beim ÖVI heißt es dazu: „Attraktivierung von Vermietungen durch Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraumes von 20 auf 10 Jahren.“ Bis auf den Grammatikfehler beim ÖVI übernimmt das Regierungsprogramm die Forderung wortwörtlich: „Mietkauf-Modelle forcieren: Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraumes von 20 auf 10 Jahre“.
Ausweitung des Lagezuschlags?
Bemerkenswert auch das folgende Beispiel: Der ÖVI fordert die Abschaffung des Lagezuschlag-Verbots in Wiener Gründerzeitvierteln. Eine Langzeitforderung der Immobilienwirtschaft, die trotz zahlreicher Bemühungen der Immobilienlobby bisher nicht erfüllt wurde. Zuletzt hat der Verfassungsgerichtshof eine Klage mit dem Argument abgelehnt, dass das Verbot ein wichtiger Mechanismus für leistbare Mieten ist und daher erhalten bleiben soll. Der ÖVI fordert auch aktuell die „Aufhebung des Lagezuschlag-Verbots in den Wiener Gründerzeitvierteln“. Die Regierung scheint die Interessen der EigentümerInnen nun berücksichtigen zu wollen. Dazu heißt es nämlich im Regierungsprogramm: „Aufhebung des Verbots des Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln zur Herstellung fairer Verhältnisse.“
Interessen der Bevölkerung wahren
Die Zusammenschau dieser Beispiele zeigt, dass die Immobilienwirtschaft eine gewichtige Rolle in der Ausgestaltung des Regierungsprogramms gespielt hat. Hier stellt sich die Frage, welchen Einfluss getätigte Wahlkampfspenden spielen. Trotz gezielt verwirrender Formulierungen im Regierungsprogramm, die mit der Umsetzung der wohnungspolitischen Vorhaben mehr Fairness und Interessenausgleich suggerieren, reibt sich bei diesem Programm wohl vor allem die Immobilienwirtschaft die Hände. MieterInnen schauen durch die Finger. Ihnen drohen noch weiter steigende Mieten und Wohnkosten. Um gute Lebensverhältnisse für die breite Bevölkerung zu wahren, braucht es eine Politik, die Wohnen nicht als Ware verkauft, sondern als elementares Grundbedürfnis sichert.
Anmerkung: Alle Zitate vom Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft sind aus den Pressematerialien zur Pressekonferenz vom 29.11.2017, abrufbar hier: http://www.ovi.at/fileadmin/user_upload/Pressetexte/OEVI_Presseunterlagen_final.pdf. Alle Zitate aus dem Regierungsprogramm aus ebendiesem, abrufbar hier: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf
Eine Langfassung dieses Blogbeitrags inklusive ausführlicherem Vergleich der analysierten Texte ist auf UrbaniZm.net erschienen.