Eine Auswertung aktueller Altbau-Mietangebote durch die Arbeiterkammer zeigt, dass in Wien im Schnitt bei Wohnungsangeboten Nettomieten verlangt werden die 32% (bei unbefristeten Verträgen) bis 81% (bei befristeten Verträgen) über den gesetzlich zulässigen Mieten liegen. Die Ergebnisse bestätigen damit mehrere Studien die alle zu dem Schluss kommen, dass das Mietrechtsgesetz (Richtwertsystem) die Mieten in Altbauwohnungen nicht wirksam begrenzt.
Ein Viertel der Wiener Haushalte lebt in privaten Altbaumietwohnungen
Laut Statistik Austria hatten im Jahr 2011 rund 211.000 Wiener Haushalte ihren Hauptwohnsitz in einer Altbaumietwohnung. Damit lebt ein knappes Viertel der Wienerinnen und Wiener im Altbau. Als Altbau wird eine Wohnung definiert, wenn sie vor 1945 errichtet wurde und in einem Gebäude mit mehr als drei Wohnungen liegt. Sie unterliegt dann dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes und damit sind im überwiegenden Großteil der Fälle die Mietzinsbeschränkungen laut Richtwertsystem anwendbar.
Gemäß dem Mikrozensus der Statistik Austria wurden im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2011 in diesem Segment der Wiener Wohnversorgung jährlich 18.500 Wohnungen neu vermietet. Das heißt jeden Tag beziehen etwa 51 Haushalte eine neue Altbaumietwohnung.
Das Richtwertsystem stellt keine wirksame Begrenzung der Mieten dar
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung hat 2012 festgestellt, dass österreichweit bei Neuvermietungen zwischen privaten Altbauwohnungen die dem Richtwertsystem unterliegen und freien Marktmieten in der verlangten Miethöhe kein Unterschied besteht. Rosifka und Postler haben bereits 2010 gezeigt, dass bei 150 überprüften Altbaumietverträgen in 148 Fällen ein überhöhter Nettomietzins verlangt wurde. Tockner hat 2012 dargelegt, dass die Nettomieten in Altbauwohnungen zwischen 2000 und 2010 beinahe dreimal so stark wie die allgemeine Teuerung gestiegen sind. In Summe legen diese Studien den Schluss nahe, dass die VermieterInnen von Altbauwohnungen weitgehend ungeachtet des Richtwertsystems einfach verlangen, was der Markt hergibt.
Um sich ein aktuelles Bild zu machen hat die Arbeiterkammer nun 150 Mietvertragsinserate für Altbauwohnungen in Wien analysiert. Um eine repräsentative Stichprobe für die ganze Stadt zu erhalten wurde auf Basis der Gebäude- und Wohnungszählung der Statistik Austria (2001) eine Verteilung der analysierten Wohnungen auf die einzelnen Gemeindebezirke festgelegt. Große Altbaubezirke wie Leopoldstadt, Landstraße, Rudolfsheim oder Ottakring wurden vergleichsweise stärker gewichtet. Kleinere Bezirke wie die Innere Stadt oder Außenbezirke mit wenig historischer Bausubstanz wie Floridsdorf, Donaustadt oder Liesing wurden vergleichsweise geringer gewichtet.
Des Weiteren wurde bei der Erhebung der Inserate darauf geachtet, dass knapp die Hälfte der Angebote befristete Mietwohnungen darstellen. Im Segment der Wiener Altbauwohnungen sind die Befristungen laut Mikrozensus weniger häufig, als bei den gesamten privaten Mietwohnungen in Österreich, wo rund zwei Drittel der Verträge befristet abgeschlossen werden.
Ergebnisse der Auswertung: saftige ungerechtfertigte Aufschläge
Bei der Auswertung der 150 Altbauinserate wurden die diversen Ausstattungsmerkmale und der Lagezuschlag berücksichtigt. Vor allem wurden Erstbezug nach Sanierung, Stockwerkslage und Vorhandensein eines Liftes berücksichtigt. Damit war es möglich die zulässigen Zu- und Abschläge zum Richtwert aufgrund der Wohnungsmerkmale zu schätzen.
Aus der Stichprobe ergibt sich für die Ausstattungsmerkmale ein Zuschlag von 15 Cent pro Quadratmeter. Dazu wurde noch ein durchschnittlicher Lagezuschlag berechnet, welcher mit vermieterfreundlichen 80 Cent pro Quadratmeter festgesetzt wurde. In Summe ergibt sich daraus ein zulässiger Nettomietzins für unbefristete Wohnungen in der Höhe von 6,11 Euro pro Quadratmeter, das entspricht einem Zuschlag von 18,5 Prozent zum Richtwert, der aktuell bei 5,16 Euro pro Quadratmeter liegt. Bei befristeten Angeboten ist darauf noch der Befristungsabschlag von 25 Prozent anzuwenden, was eine zulässige Nettomiete von 4,58 Euro pro Quadratmeter ergibt.
In der folgenden Tabelle sind die Hauptergebnisse der Erhebung zusammengefasst. Bei den Berechnungen zur überhöhten Miete wurde jeweils eine 77 Quadratmeterwohnung herangezogen. Das ist die Durchschnittsgröße der angebotenen Wohnungen aufgrund der Stichprobe.
Es zeigt sich, dass bei den 85 unbefristeten Inseraten im Schnitt 8,07 Euro pro Quadratmeter Nettomiete verlangt wurden. Zulässig wären aber nur 6,11 Euro gewesen. Das ist ein Aufschlag von 32 Prozent. Das ergibt für eine 77 Quadratmeterwohnung monatlich eine überhöhte Miete von 151 Euro, im Jahr summiert sich das auf stolze 1.811 Euro. Zum Vergleich: Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger verdiente 2011 die Hälfte der (unselbständig) Beschäftigten weniger als 1.500 Euro netto im Monat. Das heißt mehr als die Hälfte aller (unselbständig) Beschäftigten müsste zumindest ein Monat im Jahr arbeiten gehen um diesen unzulässigen Mietaufschlag zu finanzieren.
Nettomietzinse aktueller Altbau-Mietangebote in Wien, in Euro pro Quadratmeter: