In Österreich sind in den letzten fünf Jahren sehr viele Wohnungen gebaut worden. Auf den ersten Blick positiv, auf den zweiten Blick doch alarmierend: Der Großteil der Wohnungen wurde von gewinnorientierten Bauträgern, also ohne Wohnbaufördermittel gebaut. Die Folge: Boden-, Bau-, Kauf- und Mietpreise am freien Wohnungsmarkt schnalzten in Rekordhöhe – das führte zu mehr Unsicherheit und weniger gefördertem Wohnbau, da dieser aus dem Markt gedrängt wurde. Die steigenden Zinsen lassen den spekulativen Bauboom vorerst abklingen. Das ist eine Chance für den sozialen Wohnbau, welche die Politik nutzen muss.
Spekulativer Bauboom bringt Überangebot und Rekordpreise Ein Wohnbauhoch geht nun zu Ende. Das ist aus der Statistik zu den Baubewilligungen klar ablesbar. Zeit, Bilanz zu ziehen: In den letzten fünf Jahren wurden in Österreich rund 317.000 neue Wohnungen errichtet. Der Bedarf lag allerdings nur bei rund 235.000. Das bedeutet: Österreichweit wurden für ein halbes Jahrzehnt für drei benötigte Wohnungen vier errichtet. Dennoch sind die Wohnungspreise und die Mietzinse bei Neuverträgen im privaten Segment weiter gestiegen. Das Überangebot hat nicht zu niedrigeren Preisen geführt. Im Gegenteil: Die Mietzinse bei privaten Neuverträgen und die Wohnungspreise sind weiter gestiegen. Zu viele Wohnungen wurden nicht für den Wohnbedarf, sondern für Veranlagungsbedürfnisse gebaut. Die gewerbliche Immobilienwirtschaft hat Betongold statt leistbarem Wohnraum geschaffen. Das gilt insbesondere für die Wohnungsmärkte aller Ballungsräume von Vorarlberg über Innsbruck, Salzburg und Graz bis Wien.
So klaffen Preise und Einkommen auseinander Die sogenannte Flucht ins Betongold gab es bereits vor dem Wohnbauhoch der letzten fünf Jahre. Finanzkrise 2008, Eurokrise und Niedrigzinsdekade haben einen Veranlagungshype im Wohnungsmarkt entstehen lassen. Für Wohnungssuchende war das keine positive Entwicklung, wie der nachstehende, langfristige Vergleich zeigt.
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In Österreich haben sich die Wohnungspreise innerhalb von nur 14 Jahren mehr als verdoppelt. Dem gegenüber sind die verfügbaren Haushaltseinkommen lediglich um 43 Prozent gestiegen, der mediane Bruttolohn lediglich um 39 Prozent. Die Mietzinse bei Neuverträgen im privaten Segment sind österreichweit um 57 Prozent gestiegen. Das ist ein spürbarer, langfristig überproportionaler Anstieg. In vielen Ballungszentren im Land waren die Miet- und Preisanstiege noch ausgeprägter. Die Dynamik bei den Wohnungspreisen war völlig entkoppelt von der Entwicklung der verfügbaren Haushaltseinkommen. Ursache für diese Entgleisung sind Vermögensumschichtungen und -transfers. Private Haushalte konnten mit den von institutionellen Anleger:innen gezahlten Preisen regelmäßig nur mehr dann mitziehen, wenn sie auf Schenkungen oder Erbschaften in der Höhe von 200.000 bis 300.000 Euro zurückgreifen konnten. Und wer kann das schon? Haushalte, die eine Wohnung im privaten Segment anmieten, müssen immer größere Teile ihres Einkommens an die Vermietenden abliefern. Das ist in der aktuellen Teuerungskrise besonders bitter.
Schattenseiten des Spekulationsbooms für den geförderten Wohnbau Doch nicht nur Wohnungssuchende hatten und haben mit den Folgen der Flucht in Betongold und der überhitzten Bautätigkeit zu kämpfen. Auch der geförderte Wohnbau wurde zusehends aus dem Markt gedrängt. Die wesentlichen Ursachen dafür sind massiv erhöhte Grundstückspreise und stark gestiegene Baupreise. Am Beispiel Wien zeigt sich, dass in vielen attraktiven und wirtschaftsstarken Regionen des Landes die Bodenpreise die Hauptursache für die Verwerfungen am Wohnungsmarkt sind. Gemäß AK Berechnungen sind diese in etwas mehr als einem Jahrzehnt von knapp über 500 Euro auf beinahe 1.800 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche gestiegen. Das ist mehr als eine Verdreifachung. Umso mehr ist eine weitsichtige Bodenbevorratung der öffentlichen Hand nötig. Beispielsweise hat der Wohnfonds Wien, der den geförderten Wohnbau aktuell und langfristig absichert, über drei Millionen Quadratmeter Boden bevorratet.
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Neben den Bodenpreisen sind in den letzten Jahren auch die Baupreise stark gestiegen – und das in ganz Österreich. Die Grafik zeigt: Die Baupreise laufen seit 2018 den Baukosten zusehends davon. Gemäß den letzten Daten sind die Baupreise um rund 15 Prozent über den Baukosten.
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Aufgrund der guten Auftragslage konnten die Baufirmen offenkundig nicht nur alle ihre Kostensteigerungen an ihre Auftraggeber weiterreichen. Sie haben ihre Baupreise darüber hinaus noch um Extraprozente erhöht, da ihre Leistungen so stark nachgefragt wurden.
Zu wenig erschwingliches Bauland – geförderte Mieten mit hohen Baupreisen nicht realisierbar Leidtragende dieser Entwicklung waren vor allem jene Bauherren, die mit Versorgungsauftrag und nicht mit Veranlagungsauftrag agieren. Sowohl gemeinnützige Bauvereinigungen als auch Häuslbauer mussten ihre Bauprojekte nach hinten verschieben oder wurden überhaupt aus dem Markt gedrängt. Besonders ausgeprägt war diese Verdrängungsdynamik für den geförderten Mietwohnungsbau. Zuerst einmal ist ihr Anteil an den Neubauten deutlich zurückgegangen, weil zu wenig erschwingliches Bauland verfügbar war. Dazu waren auch häufig fertig geplante und baureife Projekte nicht umsetzbar, da die Mieten aus der Wohnbauförderung mit den stark gestiegenen Baupreisen nicht realisierbar waren Infolgedessen sind auch die Wohnbauförderungsausgaben österreichweit deutlich zurückgegangen.
Ende des spekulativen Baubooms bietet Chance für leistbares Wohnen Nachdem die Baubewilligungen bereits im Jahr 2022 spürbar zurückgegangen sind, ist ab 2024 auch ein Rückgang der Bautätigkeit zu erwarten. Das wird bezüglich der hohen Baukosten eine Linderung bringen. Jedoch droht ein Beschäftigungsabbau am Bau. Damit das nicht passiert, muss weiter gebaut werden, aber soziale Wohnungen. Die sinkenden Baukosten sind eine Chance für leistbares Wohnen. Diese Chance kann aber nur genützt werden, wenn die Politik mehr Wohnbauförderung und mehr bezahlbare Grundstücke zur Verfügung stellt. Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich ein Baukonjunkturpaket aufgelegt. Das war ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings sind die dadurch erhöhten Wohnbauförderungsmittel nur für zwei Jahre verfügbar und das zentrale Grundstücksthema wird nicht adressiert. Aus Sicht der AK gilt es, jetzt die Weichen so zu stellen, dass in den nächsten Jahren eine dauerhaft höhere, geförderte Wohnbauleistung realisiert werden kann. Die AK fordert daher:
Wohnbauförderungs-Milliarde für Länder Der Bund soll den Ländern dauerhaft eine zweckgebundene Wohnbau-Milliarde zuweisen. Damit soll eine höhere geförderte Bautätigkeit sowie die Beschäftigung am Bau gesichert werden. Die Länder sollen ihren vollen Anteil nur bekommen, wenn sie dieses Geld zusätzlich in den geförderten Wohnbau investieren. Öffentliche Grundstücke für den geförderten Wohnbau Grundstücke, die schon der Allgemeinheit gehören, etwa nicht mehr benötigte Flächen und Gleise von Bahnhöfen oder leere Kasernen, sollen bundesweit ausschließlich mit geförderten Wohnungen bebaut werden. Widmung „geförderter Wohnbau“ weiter konsequent umsetzen Nichts hilft Wohnungssuchenden mehr als neue, geförderte Mietwohnungen. Diese Wohnungen werden unbefristet vermietet und bezahlbar sind sie ebenfalls. Die Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ wurde bisher in dieser Form nur in Wien eingeführt und muss weiter konsequent ausgebaut und umgesetzt werden.
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