Debatten über „das Kopftuch“ sind aktuell stark geprägt durch eine Dichotomie: „Verschleierung“ gilt als Zeichen von Unterdrückung und Rückständigkeit, „Entschleierung“ als Zeichen von Emanzipation und Modernität. Patriarchale Verstrickungen, die in eindimensionaler Weise Muslimen und Musliminnen zugeschrieben werden, erscheinen im „Westen“ längst überwunden – Geschlechterungleichheit wird zum Problem der „Anderen“. Aber wie werden diese eindimensionalen Positionierungen im medialen Diskurs hergestellt und was bedeuten sie für österreichische Musliminnen?
Zur Verflechtung von anti-muslimischem Rassismus und Sexismus im Diskurs
Die Frage der Verschleierung ist, spätestens seit im österreichischen Parlament beschlossen wurde, dass ab Oktober 2017 das neue „Vollverschleierungsverbot“ in Kraft tritt, in aller Munde. Im Sprechen über das Tragen bzw. Nichttragen eines Kopftuches werden im medialen Diskurs dabei oftmals Stimmen rechts orientierter Parteien laut. So versprach Heinz Christian Strache (FPÖ) bereits 2010 im Wahlkampf „Wir schützen freie Frauen. Die SPÖ den Kopftuchzwang“ (das Originalplakat ist leider nicht mehr verfügbar; ein Artikel über die Kampagne kann hier eingesehen werden). Auf anderen Plakaten der FPÖ, die „schöne österreichische Mädels“ zeigen, heißt es „Zu schön für einen Schleier“. Was sich hier zeigt, ist eine Darstellung des Islams, der durch Zwang und Unterdrückung gekennzeichnet ist. Im Gegensatz dazu erscheint das adressierte „österreichische Wir“ als für Freiheit/Befreiung und Emanzipation stehend. Mittels dieser Gegenüberstellung „kopftuchtragender“, „unterdrückter“ Musliminnen und scheinbar „freier“ und „gleichberechtigter“ bzw. „westlicher“ Frauen wird nicht nur die Ablehnung muslimischer Praktiken gerechtfertigt, sondern auch die eigene patriarchale Verstrickung verschleiert. Wenngleich oberflächlich eine Befreiung der Frau propagiert wird, bleibt der Modus der Plakate doch sexistisch: So ist es der männliche Part, der Frauen schützt oder der objektivierende Blick auf den Frauenkörper. Was bleibt, ist die Möglichkeit, über diese eindimensionale Projektion patriarchaler Verstrickungen in Bezug auf „muslimische Andere“ Ressentiments zu schüren. Diese bleiben aber nicht bloß auf Wahlplakate beschränkt, sondern manifestieren sich aktuell in kontinuierlichen Debatten über „das Kopftuch“ auf politischer, medialer und alltäglicher Diskursebene, in Kundgebungen von PEGIDA in verschiedenen österreichischen Städten sowie in einem enormen Anstieg an antimuslimisch motivierten verbalen und physischen Angriffen, die sich in erster Linie gegen muslimische Frauen richten (Antimuslimischer Rassismus Report 2016). Was sich dabei immer wieder zeigt, ist die Gegenüberstellung von „Verschleierung“ als Zeichen der Unterdrückung und Rückständigkeit und „Entschleierung“ als Zeichen der Emanzipation und Modernität.
Wie aber werden diese eindimensionalen Positionierungen im medialen Diskurs hergestellt und was bedeuten sie für österreichische Musliminnen? Diesen Fragen gingen wir im Rahmen einer Studie an der Sigmund Freud Privatuniversität nach. Unser Fokus lag dabei einerseits auf einer diskursanalytischen Untersuchung der Darstellung von Musliminnen in österreichischen Frauenzeitschriften („Woman“ und „Wienerin“) im Zeitraum von 2010–2016. Andererseits beschäftigte uns die Frage, was diese Inszenierungen für die alltäglichen Erfahrungen von in Wien lebenden Musliminnen bedeuten. Dieser Frage näherten wir uns auf Basis exemplarisch geführter narrativer Interviews mit Wiener Musliminnen an, die wir mit der dokumentarischen Methode auswerteten.
Enthüllt vs. Verhüllt – zur zentralen Dichotomie in der medialen Repräsentation muslimischer Frauen
Was sich im Rahmen unserer Analyse der Frauenzeitschriften zeigte, ist eine stark dichotome Darstellungsweise muslimischer Frauen. Konträr gegenübergestellt werden die „verhüllte“ muslimische Frau, die als „unterdrückt“, „passiv“ und als die kulturell beschränkte „Andere“ erscheint und die „enthüllte“ muslimische Frau, die sich freizügig präsentiert und die „selbstbewusst“ und „selbstbestimmt“ wirkt. Die Konstruktion beider Positionierungen wird vorwiegend anhand der Themenkomplexe „Verschleierung“ und „Gender“ vollzogen. So werden kopftuchtragende Musliminnen vordringlich im Zusammenhang mit Themen wie Zwangsheirat, Unterordnung in ein patriarchales System und „Kopftuchzwang“ portraitiert; nichtkopftuchtragende Musliminnen hingegen im Kontext der Präsentation „moderner“ Lebensstile rezipiert, in denen es oftmals um Themen des „westlichen“ Schönheitshandelns oder um eine Abkehr von einem „starren“ Islam geht. Zudem kommen erstere in den Artikeln kaum selbst zu Wort, sondern sind „Gegenstand“ von Reportagen, denn es wird über sie gesprochen. Im Unterschied dazu wird die „enthüllte“ muslimische Frau häufig im Rahmen von Interviews dargestellt, sodass die Frauen dann tatsächlich in der ersten Person sprechen können.