Ende 2016 geht die öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission zu einer „europäischen Säule sozialer Rechte“ zu Ende. Der Kommissions-Entwurf für eine soziale Säule wird den Erwartungen an eine Initiative zur Stärkung der sozialen Dimension bei Weitem nicht gerecht. Notwendig ist ein grundlegender Kurswechsel in Richtung eines sozialen Europas. Mit der Online-Kampagne „Social Rights First“ von AK, ÖGB und Europäischem Gewerkschaftsbund (EGB) kann jede/r mit wenigen Klicks die Forderungen europäischer Gewerkschaften unterstützen und damit im Rahmen der Konsultation ein klares Zeichen für ein soziales Europa setzen.
Kommissions-Entwurf zur sozialen Säule keine substanzielle Stärkung der sozialen Dimension
Im April 2016 legte die Europäische Kommission einen ersten Entwurf für eine sogenannte „europäische Säule sozialer Rechte“ vor. Darin soll „eine Reihe wesentlicher Grundsätze zur Unterstützung gut funktionierender und fairer Arbeitsmärkte und Wohlfahrtssysteme festgelegt werden“, so die Kommission in ihrer Mitteilung. Die enthaltenen Prinzipien sind in der Regel allgemein formuliert. Welche Rechtsform die geplante Auflistung von Grundsätzen haben soll, ist unklar. Als mögliches Beispiel nennt die Kommission eine (unverbindliche) Empfehlung. Inhaltlich enthält der Entwurf zwar Prinzipien, die durchaus zu begrüßen sind. Doch eine substanzielle Stärkung der sozialen Dimension der EU ist er bei Weitem nicht. Um dem Namen dieser Initiative gerecht zu werden, müssten vielmehr konkrete soziale Rechte in substanziellem Ausmaß ausgeweitet und die strukturellen Widersprüche der europäischen Integration angegangen werden, durch die soziale Grundrechte den wirtschaftlichen Freiheiten im Binnenmarkt und soziale Ziele den restriktiven Fiskalregeln in der Wirtschafts- und Währungsunion de facto untergeordnet werden. Auch stellen Teile des Entwurfs das Gegenteil einer Stärkung sozialer Rechte dar. So drängt die Kommission beispielsweise in ihrem Entwurf der Säule sozialer Rechte erneut auf eine „Bindung des gesetzlichen Rentenalters an die Lebenserwartung“ (für eine nähere Auseinandersetzung siehe etwa die Beiträge auf dem Blog und im infobrief eu & international). Zwar hat die Kommission bereits weitere Initiativen im Zusammenhang mit der Säule sozialer Rechte für nächstes Jahr in Aussicht gestellt, die konkreten Vorschläge bleiben aber abzuwarten.
Grundlegender Kurswechsel in Richtung eines sozialen Europas notwendig
Aus Sicht der AK ist ein grundlegender Kurswechsel in Richtung eines sozialen Europas notwendig. Dazu zählt die Schaffung und Umsetzung eines neuen sozialen Aktionsprogramms, das etwa ein soziales Fortschrittsprotokoll, das den Vorrang sozialer Grundrechte vor wirtschaftlichen Freiheiten gewährleistet, ebenso beinhaltet wie die Ausweitung sozialer Mindeststandards als Agenda sozialen Fortschritts. Auch muss die wirtschaftspolitische Ausrichtung der EU auf eine neue Grundlage gestellt werden (grundlegende Neuausrichtung der „Economic Governance“ im Sinne einer ausgewogenen wohlstandsorientierten Wirtschaftspolitik; Umsetzung der „goldenen Investitionsregel“ und koordinierte Investitionsoffensive in der EU, insbesondere zur Stärkung der sozialen und ökologischen Infrastruktur). Darüber hinaus ist es zur Stärkung der sozialen Dimension der EU erforderlich, die Verteilungsschieflage in Europa zu bekämpfen, wozu etwa die Stärkung von Kollektivvertragssystemen (anstatt des Drucks zur Dezentralisierung derselben durch die EU-Krisenpolitik) und steuerpolitische Maßnahmen zur Bekämpfung ungleicher Verteilung zählen.
Online-Kampagne „Social Rights First“: Jetzt ein Zeichen setzen für ein soziales Europa!
Neben den einzelnen Bestandteilen des Kommissions-Entwurfs wird in der bis Ende 2016 laufenden öffentlichen Konsultation nach der Angemessenheit des sozialen Rechtsbestands der EU und aktuellen Trends mit Bezug zu Arbeitsmärkten und Wohlfahrtssystemen gefragt.
Damit möglichst viele Menschen ein deutliches Zeichen für ein soziales Europa setzen können, haben AK, ÖGB und EGB die Online-Kampagne „Social Rights First“ entwickelt. Die Kampagne wird von mehreren weiteren europäischen Gewerkschaften unterstützt. Bis Ende des Jahres können damit mit wenigen Klicks die ausgearbeiteten Antworten auf die Fragen der Konsultation unterstützt und direkt als eigener Beitrag zur öffentlichen Konsultation an die Kommission geschickt werden. Damit kann ein klares Signal für eine Neuausrichtung der europäischen Politik gesetzt werden – für die Ausweitung konkreter verbindlicher sozialer Rechte und die bessere Durchsetzung bestehender Rechte, für die Verankerung eines sozialen Fortschrittsprotokolls, für höhere Löhne und eine Ausweitung der Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und die Sicherung von Gewerkschaftsrechten.