Die Digitalisierung ist gleichermaßen voller Versprechungen und voller Schrecken. Einerseits werden hohe Gleichstellungspotenziale und bessere Vereinbarkeitschancen gesehen, Andrerseits verunsichern Beschäftigungsszenarien, die hohe Jobverluste prognostizieren. Was bringt der digitale Wandel für Frauen? Oder besser gesagt: Was braucht es, damit die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen für Arbeitsmarktchancen von Frauen genutzt werden können?
“Die Digitalisierung ist für Frauen so etwas, wie es die Pille in den Sechzigerjahren war: Sie eröffnet alle möglichen Freiheiten.” Das sagte die Top-Managerin, Sylvia Coutinho, Brasilien-Chefin der Großbank UBS, auf dem Global Summit of Women in Warschau 2016.
Weniger zugespitzt als dieses Anfangszitat aber ähnlich hoffnungsvoll auch der Tenor viele der überschaubaren Beiträge zu Arbeitsmarktchancen von Frauen in der sonst genderblinden Digitalisierungsdebatte. Neue Technologien als Türöffner für Gleichstellung? Endlich weg von den Mühen der Ebenen der Gleichstellungspolitik in die lichten Höhen egalitärer Technik-Welt? Oder doch wohl eher eine violett gefärbte Wolke, die sich sehr gut in den Tenor der technikzentrierten Mainstream-Digitalisierungsdebatte einfügt?
Erst in letzter Zeit dringen auch vereinzelt andere Stimmen, die eine feministische Perspektive einfordern, durch, wie beispielsweise ganz aktuell der Kommentar Industrie 4.0: Blabla statt wichtiger Fragen – Menschen in der Technik, verfasst von Vizerektorin der TU Wien Anna Steiger und der ÖBB-Diversity-Beauftragten des ÖBB-Konzerns Traude Kogoj. In meinem Beitrag möchte ich einige Aspekte aus Arbeitnehmerinnen-Sicht aufgreifen und damit auch zu weiteren Diskussionen und Analysen anregen.
Sehr grundsätzlich geht es in der Digitalisierungsdebatte einmal darum wer zukünftig überhaupt noch Arbeit – womit unausgesprochen lediglich Erwerbsarbeit gemeint ist – haben wird. Vor allem bekommen jene Beschäftigungsszenarien ein gehöriges Medienecho, die von zukünftigen hohen potentiellen Jobverlusten ausgehen. Ein Beispiel dafür ist die Untersuchung des Beratungsunternehmens A.T. Kearney die über 40% aller Jobs gefährdet sieht, also eine ähnliche Dimension wie jene in der vielzitierten Studie von Osboren und Frey für die USA (s. dazu Digitalisierung bedroht fast jeden zweiten Job in Österreich). Wenn die Prognosen nach Geschlechtern differenzieren – was nicht oft der Fall ist – sind Frauen deutlich stärker als Männer von Beschäftigungsverlusten betroffen (siehe z.B. Studie des World Economic Forum).
Da andere – allgemein als realistischer bewerteten – Szenarien von deutlich moderateren potentielle Beschäftigungsverluste ausgehen und wieder andere sogar von einer Beschäftigungszunahme ausgehen, kann derzeit aus den bisherigen Befunden kein eindeutiger Trend herausgelesen werden
Aufschlussreicher ist da schon ein Blick in die Vergangenheit, ins letzte Jahrhundert. Hier zeigt sich, dass technologischer Wandel in der längerfristigen Beobachtung immer zu einer Erhöhung der Beschäftigungsquote geführt. Allerdings – und das ist wesentlich – verbunden mit einer Reduzierung der Arbeitszeit pro Beschäftigten wie Michael Mesch in seinem Blogbeitrag ausführt.
Bezüglich der Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit ist außerdem zu berücksichtigen, dass diese durch nicht-technologiegetriebene Faktoren noch einmal stärker beeinflusst ist. Das zeigt sich erstens jahrzehntelange Trend einer kontinuierlichen Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit, die im langfristigen Wandel der Geschlechterverhältnisse begründet liegt. Und zweitens in der Tatsache, dass wichtige frauendominierte Branchen sehr beschäftigungsintensiv sind und auch zukünftig bleiben, wie der soziale Dienstleistungsbereich, dessen anhaltendes Wachstum den kontinuierlich steigenden gesellschaftlichen Bedarf nach diesen Leistungen widerspiegelt.
Bezüglich zukünftiger Jobchancen allgemein und insbesondere für Frauen sind alarmierende Beschäftigungsszenarien daher wenig hilfreich, weil sie lediglich verunsichern, indem sie Arbeitsplatzängste schüren. Anstatt den Blick dort hin zu richten, wo Arbeitsplatzpotenziale tatsächlich vorhanden sind.
Aber was kann nun bezüglich zukünftiger Arbeitsmarktchancen von Frauen gesagt werden?