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Zunehmende Privatisierung von Bildung
Die zunehmende Privatisierung des Bildungserfolgs lässt sich im jährlich erhobenen Nachhilfe-Barometer der Arbeiterkammer dokumentieren. Seit dem Jahr 2010 ist die Nachhilfequote österreichweit um 10 Prozentpunkte auf 30 Prozent im Schuljahr 2022/23 angestiegen. Dabei sind die Ausgaben der Eltern beträchtlich. Im letzten Schuljahr sowie in den letzten Sommermonaten davor gaben Familien insgesamt 121,6 Millionen Euro für private Nachhilfe aus, womit die Gesamtausgaben um 18,9 Millionen Euro höher waren als noch im Jahr zuvor. Die Kosten für Nachhilfe beliefen sich im Schuljahr 2022/23 im Mittel auf rund 720 Euro pro Schulkind, was eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr darstellt (2022: im Schnitt 630 Euro). Während der Anteil der bezahlten Nachhilfe auf hohem Niveau stabil ist, sind die mittleren Kosten für jede betroffene Familie merklich angestiegen. Aber die teure, bezahlte Nachhilfe können sich viele Familien nicht leisten, weshalb im letzten Jahrzehnt auch die Gratisnachhilfe angestiegen ist. Und der Bedarf an Nachhilfe wäre sogar noch größer: In Summe hätten sich die Eltern von rund 200.000 Schüler:innen im letzten Jahr gerne (mehr) bezahlte Nachhilfe für ihr Kind gewünscht.
Neben den finanziellen Ressourcen sind Zeit- und Bildungsressourcen von Eltern ausschlaggebend. So zeigt das AK-Nachhilfe-Barometer auch, dass die Lernzeit ins Private verlagert wird. Fast vier von fünf Kindern (78 Prozent) werden zu Hause zumindest hin und wieder beim Lösen der Hausaufgaben, Lernen und Üben beaufsichtigt. Knapp einem Viertel der Kinder wird von ihren Eltern praktisch täglich geholfen; bei einem weiteren Drittel trifft dies zumindest einmal in der Woche zu. Rund sechs von zehn Kindern werden also zumindest einmal in der Woche bei den Aufgaben und beim Lernen beaufsichtigt. Gerade Ein-Eltern-Familien und Eltern, die selbst eine kurze Schulzeit hatten oder die Schule in einem anderen Land besucht haben, können diesen Ansprüchen in der Realität nicht gerecht werden. Ihre Kinder haben weniger Unterstützung beim Lernen.
Schlussfolgerungen für die Bildungspolitik
Wer den Blick in die Zukunft richtet, wird jedenfalls über drei große Herausforderungen nachdenken: Digitalisierung, Klimawandel und den demografischen Wandel. Ganz unabhängig von der Bewertung dieser Entwicklungen wird deutlich, dass diese großen Herausforderungen mit mehr Fachkräftebedarf und mehr Weiterbildungsbedarf einhergehen. Der Widerspruch zwischen dem hohen Stellenwert von Bildung, der realistischen Wahrnehmung von Bildungsungleichheiten und der parallel zunehmenden Privatisierung muss uns alarmieren. Dass durch die jüngsten bildungspolitischen Maßnahmen die Bildungsungleichheit zunimmt und die reduzierte Bildungsteilhabe für ressourcenschwache Gruppen verstärkt wird, ist sozial und ökonomisch nicht tragbar. Es braucht eine Bildungspolitik, die Privatisierungstendenzen eindämmt und die Aneignung der Grundkompetenzen sowie Förderung der individuellen Stärken sicherstellt. Dieses hohe Ausmaß an Bildungsungleichheit wird zum Bremsklotz bei der Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Herausforderungen.
Elementarbildung, Schule und Weiterbildung müssen so gestaltet werden, dass sie nicht auf private Ressourcen setzen, sondern jedem und jeder zugänglich sind. Schulen mit vielen Kindern mit großen Herausforderungen brauchen mehr und intensivere Lernsettings, um Kinder aus ressourcenschwachen Familien zu fördern. Bildungseinrichtungen müssen nach dem AK-Chancenindex finanziert werden. Schulen müssen so organisiert sein, dass neben der Vermittlung von Lerninhalten auch Zeit zum Üben, Fragenstellen und Wiederholen bleibt. Ganztagsschulen müssen ausgebaut und weiterentwickelt werden. Auch Lerninhalte sollten priorisiert werden. Hinzu kommt, dass es Zeit und Ressourcen in der Schule braucht, damit sich Stärken und Potenziale von Kindern (weiter-)entwickeln und sichergestellt werden kann, dass sich jeder und jede die Grundkompetenzen gut aneignet. Mit solchen bildungspolitischen Maßnahmen kann es auch gelingen, das Vertrauen der Eltern und Kinder ins öffentliche Bildungssystem wieder zu stärken und Privatisierungstendenzen zu mindern.
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