Anerkennung ausländischer Qualifikationen – Evaluierung der Anlaufstellen

05. September 2017

Anerkennung und Bewertung einer Ausbildung, die aus dem Ausland nach Österreich mitgebracht wird, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Arbeitsstelle auf demselben beruflichen Tätigkeitsniveau wie im Herkunftsland. Berufliche Dequalifizierung nimmt bei Personen mit anerkannter oder bewerteter Ausbildung ab. Dies ist unter anderem ein Ergebnis der von L&R Sozialforschung OG durchgeführten Evaluierung – im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMASK) – der „Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen“.

Die Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen (AST) sind auf Initiative des BMASK seit 2013 österreichweit tätig. Durch mehrsprachige Information und Beratung soll die Erreichung einer Anerkennung oder Bewertung einer im Ausland abgeschlossenen Ausbildung erleichtert werden. Letztlich soll ein Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation und -integration der Erwerbsbevölkerung mit Migrationshintergrund geleistet werden.

Die AST sind ein inzwischen etabliertes Angebot, das von allen Akteursgruppen, die im Rahmen der Evaluierung befragt wurden (Kooperations- und NetzwerkpartnerInnen, beratene Personen), äußerst positiv bewertet wird. So zeigen sich beispielsweise rund 90 Prozent der befragten beratenen Personen sehr bzw. eher zufrieden mit der Beratung in den AST. Dies liegt u. a. auch daran, dass das Anerkennungsverfahren in Österreich von fast der Hälfte der Befragten als sehr kompliziert und schwer verständlich erlebt wird. Den AST kommt in dieser Situation eine bedeutsame unterstützende Funktion zu. Gut die Hälfte der Befragten (55 Prozent) ist der Ansicht, dass die Anerkennung oder Bewertung ihrer Ausbildung einen arbeitsmarktrelevanten Nutzen hatte.

Formale Anerkennung

Die formale Anerkennung von aus dem Ausland mitgebrachten Qualifikationen ist in Österreich bislang nicht einheitlich geregelt. Die Regelungen sind durch eine Vielzahl von Bundes- und Landesgesetzen festgelegt. Unterschiedlichste Behörden und (Bildungs-)Institutionen sind dafür zuständig.

Bei einem Verfahren wird zunächst unterschieden, ob die Anerkennung notwendig ist, um beispielsweise weiterstudieren bzw. eine weitergehende Schule besuchen zu können oder ob es um die Ausübung eines Berufes geht. Bei der beruflichen Anerkennung wird wiederum unterschieden, ob es um die Zulassung zu einem reglementierten Beruf geht oder ob eine nicht-reglementierte Tätigkeit ausgeübt werden soll.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine formale Anerkennung nur bei einer reglementierten Berufsausübung notwendig ist.

Sind Anerkennungsverfahren im beruflichen Zusammenhang notwendig, wird unterschieden zwischen der

·         Nostrifikation ausländischer Zeugnisse bzw. Qualifikationsnachweise für Gesundheitsberufe,

·         Nostrifizierung von akademischen Studienabschlüssen und

·         beruflichen Anerkennung bzw. Berufszulassung von Qualifikationsnachweisen aus dem EWR-Raum.

Die Nostrifikation ausländischer Schulzeugnisse und die Nostrifizierung von akademischen Studienabschlüssen beruhen auf Vergleichen von Lehr- und Studienplänen (zeitliche und örtliche Unterschiedlichkeit!). Berufserfahrung und praktische Tätigkeiten werden dabei kaum berücksichtigt. Fehlende Lehrstoffgebiete müssen in Form von Ergänzungsprüfungen als außerordentliche/r SchülerIn bzw. StudentIn nachgeholt werden.

Innerhalb der Europäischen Union ist die Berufsanerkennung durch die Berufsqualifikationenrichtlinie 2005/36/EG geregelt. Sieben Berufe sind automatisch anerkannt (Ärztin, Zahnarzt, allgemeine Krankenpflege, Hebamme, Tierarzt, Apothekerin, Architekt). Qualifikationen im Bereich des Gewerbes werden ebenfalls unter bestimmten Umständen anerkannt. Ansonsten gilt die allgemeine Regelung mit der Prüfung, ob „wesentliche Unterschiede“ in der Ausbildung bestehen, die auch nicht durch Berufserfahrung ausgeglichen werden können. In diesen Fällen sind Anpassungslehrgänge oder Eignungsprüfungen zu absolvieren. Anerkennungsbehörden sind zumeist andere als bei der Nostrifikation bzw. der Nostrifizierung von Drittstaatsausbildungen.

EWRDrittstaat
EU-Richtlinie über die Anerkennung von BerufsqualifikationenNostrifikation/Nostrifizierung
·         automatische Anerkennung von sieben Berufen

·         Anerkennung von durch Berufserfahrung nachgewiesenen Qualifikationen

·         allgemeine Regelung – Ausbildungsnachweise – fünf Qualifikationsniveaus

·         tendenziell Vergleich der Lehr- bzw. Studienpläne

·         örtliche und zeitliche Unterschiedlichkeit!

Kammern, Ministerien (z. B. BMGF), Landesregierungen etc.BMB, Universitäten/FHs, Landesregierungen etc.
Anpassungslehrgang oder Eignungsprüfung, wenn „wesentliche Unterschiede“ und fehlende BerufserfahrungErgänzungsausbildungen/-prüfungen

Nicht-reglementierte Berufe

Im Bereich der nicht-reglementierten Berufe handelt es sich bei der beruflichen Positionierung üblicherweise um eine Angelegenheit zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn, die sich im Arbeitsvertrag niederschlägt. Der Wert der mitgebrachten Qualifikation hängt von der Arbeitsmarktsituation und dem Verhalten des Arbeitsmarktes ab.

Für beide Seiten stellt die Gleichhaltung von beruflichen ausländischen Qualifikationen mit einem österreichischen Lehrabschluss und vor allem die Bewertung von ausländischen Diplomen und Zeugnissen eine Möglichkeit dar, mitgebrachte Bildungsabschlüsse besser abschätzen und einordnen zu können.

Anerkennungs- und Bewertungsgesetz

Mit dem Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 bis 2018 wurde ein „eigenes“ österreichisches Anerkennungsgesetz angekündigt. Nach einem etwas längeren Entwicklungsprozess wurde im Juni 2016 im Parlament das Bundesgesetz über die Vereinfachung der Verfahren zur Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsabschlüsse und Berufsqualifikationen (Anerkennungs- und Bewertungsgesetz – AuBG) beschlossen.

Im Vorfeld hatte es durchaus sehr ambitionierte politische Ansagen zur Veränderung der vielfältigen Anerkennungsregelungen gegeben. Diese haben jedoch kaum den Gesetzeswerdungsprozess überdauert. Die bisherigen Regelungen bleiben grundsätzlich bestehen und die vielfältigen landesrechtlich geregelten Berufe werden durch das Bundesgesetz überhaupt nicht berührt. Es ist vielmehr ein „Informations- und Servicegesetz“ geworden. Infolge des Gesetzes agieren die Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen nunmehr als Beratungsstellen des AuBG.

Die wesentlichste und wichtigste Neuerung ist sicherlich die Verankerung des Rechts auf Bewertung. Die Bewertung ist eine gutachterliche Feststellung und soll die Vergleichbarkeit mit einem österreichischen Schulabschluss beurteilen. Die Bewertungen werden vom Arbeitsmarktservice anerkannt und geben auch dem Arbeitgeber eine erste und wichtige Orientierungshilfe zu Qualifikationen.

Empfehlungen der Evaluierungsstudie

Aufbauend auf den Evaluierungsergebnissen ergaben sich nicht nur Handlungsoptionen für die Weiterentwicklung der AST (z. B. regionaler Ausbau, verstärkte Unterstützung von Beschäftigten, Fortführung der Kooperation mit dem AMS), sondern auch die Empfehlung von Ergänzungsangeboten anderer Akteure.

Dazu zählen beispielsweise

·         die Entwicklung von Brückenmaßnahmen als berufliche Zwischenstufen (ergänzend und modular aufgebaute Angebote, die einen schrittweisen Einstieg in das jeweilige österreichische Berufsfeld ermöglichen),

·         eine umfassende Reflexion des bestehenden Angebotes an Ergänzungsprüfungen sowie Anpassungs- und Nachqualifizierungen in reglementierten und dualen Berufen und

·         darauf aufbauend gegebenenfalls der Ausbau in Richtung eines strukturierten Angebotes, um eine Anerkennung effektiv umsetzen zu können.

Nicht zuletzt wäre auch eine Vereinheitlichung der Zuständigkeiten und somit Vereinfachung der unübersichtlichen und komplexen Rechtslage in Österreich wünschenswert.

Weiterführende Links:

Evaluierung der Anlaufstellen für Personen mit ausländischen Qualifikationen (L&R Sozialforschung OG)

Anerkennung von Qualifikationen und Bildungsabschlüssen“, AK Aktuell Nr. 04/2017

Norbert Bichl, Die aktuelle österreichische Anerkennungslandschaft, in: Marika Hammerer/Erika Kanelutti-Chilas/Gerhard Krötzl/Ingeborg Melter (Hg.): Zukunftsfeld Bildungs- und Berufsberatung IV, Schwierige Zeiten – Positionierungen und Perspektiven, Bielefeld 2017

Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen