Schlechte Jobchancen und geringeres Einkommen – Diskriminierung von Migrantinnen & Migranten am österreichischen Arbeitsmarkt

17. Juli 2014

Werden MigrantInnen am österreichischen Arbeitsmarkt diskriminiert? No na, ist man als gelernte Österreicherin versucht zu antworten. Ja natürlich gibt es Diskriminierung, ein Sachverhalt, der offensichtlich wird für jedermann, der mit offenen Augen und Ohren durchs Land geht. Dieses Jedermannswissen wird nun durch eine aktuelle Studie von Uni Linz und IHS wissenschaftlich bestätigt, ein Befund, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen bzw. keinerlei Interpretationsspielraum übrig lässt: Sowohl im Bewerbungsverfahren als auch in der Entlohnung werden AusländerInnen in Österreich systematisch schlechter behandelt als vergleichbare InländerInnen. Die Ergebnisse reihen sich damit ein in Untersuchungen für andere Länder, die, etwa für Deutschland, zu einem ähnlich hohen Ausmaß an Diskriminierung kommen.

Diskriminierung im Bewerbungsverfahren

Im Rahmen eines Experiments wurden in der Untersuchung von Hofer/Titelbach/Weichselbaumer/Winter-Ebmer(2013) insgesamt 2142 (fiktive) Bewerbungen versendet, wobei sich die Bewerber und die Bewerberinnen nur durch den Namen und ein Foto unterschieden, nicht jedoch durch ihre Ausbildung und Berufskarrieren. Alle (fiktiven) TeilnehmerInnen besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft und haben ihre Ausbildung in Österreich absolviert. Die (fiktiven) Personen kommen aus Österreich, Serbien, Türkei, China und Nigeria; erkenntlich gemacht wird dies durch Namen und Foto. Bewerbungen wurden zu Stellenausschreibungen für folgende Berufe versandt: Kaufmännische Berufe (Sekretariat, Buchhaltung/Personalver­rech­nung) und Tourismusberufe (Koch/Köchin, KellnerIn und RezeptionistIn).  Diskriminierung wird in diesem Teil der Studie gemessen durch die Differenz der Antworten, d. h. Einladungen zu einem Interview, zwischen ÖsterreicherInnen und MigrantInnen. Die Hauptergebnisse zeigen, dass BewerberInnen aus Serbien sich 1,31 Mal öfter bewerben müssen als ÖsterreicherInnen, um zu einem Vorstellgespräch eingeladen zu werden. ChinesInnen 1,37 Mal, TürkInnen 1,46 Mal und NigerianerInnen 1,98 Mal so oft als ÖsterreicherInnen (siehe Abbildung unten).

Unterschiede in der Rücklaufquote in der Bewerbung von Announcen 
Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Hofer/Titelbach/Weichselbaumer/Winter-Ebmer 2013

Diskriminierung bei der Bezahlung

Anhand von Daten des Mikrozensus  und der Arbeitsmarktdatenbank des BMASK wurden die Bruttostundenlöhne und –gehälter von InländerInnen und AusländerInnen/MigrantInnen verglichen, mit folgenden, in der Tabelle unten dargestellten wesentlichen Ergebnissen:

  1. Brutto-Unterschiede (nicht korrigierte Differenzen): Hier werden die Einkommen einfach zwischen InländerInnen und AusländerInnen (bzw. einzelnen Gruppen) verglichen. Das Einkommen von Ausländerinnen ist um rund 18% niedriger als jenes von Inländerinnen. Bei den Männern ist die Differenz ebenfalls deutlich, das Einkommen von Ausländern ist um rund 15% niedriger als jenes von Inländern. Am deutlichsten sind die Unterschiede zwischen Östereicherinnen und Türkinnen.
  2. Diskriminierung im weiteren Sinn: Wird in einem weiteren Schritt um Unterschiede der Gruppen hinsichtlich Schulbildung, Berufserfahrung, etc. kontrolliert, d.h. werden nur ähnliche MigrantInnen- und InländerInnengruppen verglichen, so schrum­pfen die Benachteiligungen für AusländerInnen auf 13% (Frauen) bzw. 9% (Männer). Am deutlichsten ist die Differenzen zu den ÖsterreicherInnen bei Menschen aus Drittstaaten (außer Ex-Jugoslawien und Türkei).
  3. Diskriminierung im engeren Sinn: Wird um weitere Unterschiede der Gruppen, etwa Beruf und Stellung im Beruf kontrolliert, dann reduzieren sich die Nachteile der AusländerInnen ebenfalls.

Da allerdings davon auszugehen ist, dass auch im Zugang zu gehobener Tätigkeiten und bei der Wahl des Berufes Diskriminierung stattfindet, kommt die hier gemessene Diskriminierung im weiteren Sinn wahrscheinlich dem am nächsten, was gemeinhin unter Diskriminierung verstanden wird. Daraus folgt, dass die Diskriminierung zwischen vergleichbaren In- und AusländerInnen im Bereich der Bezahlung etwa 10% beträgt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Hofer/Titelbach/Weichselbaumer/Winter-Ebmer 2013

Internationale Erfahrungen

Mit wenigen Ausnahmen zeigen die Feldexperimente, die bisher in 15 OECD-Ländern durchgeführt wurden, ein signifikantes Ausmaß an Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten im Rahmen von Bewerbungsverfahren (S. 57, Tabelle 17). MigrantInnen müssen sich 1,1 bis 2,5 Mal häufiger bewerben als Nicht-MigrantInnen, so die Ergebnisse dieser Untersuchungen in anderen Ländern. Die Werte für Österreich bewegen sich zwischen 1,3 und 2,0, je nach ethnischer Gruppe.

Werden die Einkommensunterschiede betrachtet, so können auch in diesem Bereich deutliche Hinweise auf Diskriminierung festgestellt werden, etwa bei Studien zu Deutschland (S.59f). Je nachdem welche Faktoren im Vergleich zwischen MigrantInnen und Nicht-MigrantInnen berücksichtigt werden, liegt das Ausmaß der Schlechterstellung zwischen 10-20%, ähnlich den Ergebnissen zu Österreich.

Schlussfolgerungen

Diskriminierung von MigrantInnen hat viele Gesichter: Sie findet in der Schule, im Bereich Wohnen, aber natürlich auch am Arbeitsmarkt statt. Die kürzlich von der Uni Linz und dem IHS vorgelegte Studie analysiert die Diskriminierung am Arbeitsmarkt an zwei neuralgischen Stellen, nämlich am Beginn des Bewerbungsverfahrenes und bei der Bezahlung (darüber hinaus ist etwa vorstellbar, dass MigrantInnen beim betriebsinternen Aufstieg oder bei Kündigungen diskriminiert werden). Für einzelne Gruppen von MigrantInnen ist die gemessene Diskriminierung in diesen Teilsegmenten enorm. Die Studie liefert dazu erstmals „hard facts“, das ist der besondere Beitrag dieser wissenschaftlichen Untersuchung von Hofer/Titelbach/Weichselbaumer/Winter-Ebmer (2013) zum Thema Diskriminierung. Zu beiden analysierten Bereichen lassen sich politische Schlussfolgerungen ziehen, wie etwa die Forderung nach anonymen Bewerbungsverfahren oder etwa eine stärkere Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Diskriminierungsverbote oder der Wunsch nach einem sozialpartnerschaftliche Übereinkommen zur Nicht-Diskriminierung von AusländerInnen in der Lohnpolitik. In Bezug auf die Rechtslage in Österreich sei in diesem Zusammenhang abschließend auf eine scheinbare Selbstverständlichkeit verwiesen:

Diskriminierung ist verboten!