In Österreich hängen die Bildungschancen von Kindern noch immer stark von ihrer sozio-ökonomischen Herkunft ab. Der Beitrag zeigt, wie eine bedarfsorientierte Schulfinanzierung nicht nur gesellschaftlich faire Chancen schaffen, sondern auch langfristig wirtschaftliche Vorteile erzielen kann.
Das österreichische Schulsystem ist seit Langem durch starke Bildungsbenachteiligungen geprägt, die eng mit der sozioökonomischen Herkunft der Schüler:innen verknüpft sind. Jüngste Studien zeigen, dass die COVID-19-Pandemie und steigende Lebenshaltungskosten die Ungleichheiten weiter verschärft haben. Besonders Schüler:innen aus ressourcenschwächeren Haushalten sehen sich zunehmend ungünstigen Bildungsbedingungen gegenüber. Dabei variieren Bildungschancen stark nach Schulstandorten.
Schulen mit vielen sozioökonomisch benachteiligten Kindern haben Mühe, ein förderndes Lernumfeld zu schaffen und Bildungsziele zu erreichen. In Österreich besuchen rund 350.000 Kinder und Jugendliche Schulen, die vor großen bis sehr großen Herausforderungen stehen. Allein 13 Prozent aller Volksschulen und rund 30 Prozent der Mittelschulen befinden sich in „schwieriger Lage“. Sie sind häufiger in großen Städten zu finden – unabhängig vom Bundesland. Dabei zeigt sich, dass Schüler:innen an diesen Standorten durchschnittlich niedrigere schulische Leistungen erzielen können.
Bedarfsorientierte Schulfinanzierung
Um die Startnachteile von Schulen mit einem hohen Anteil an benachteiligten Schüler:innen auszugleichen, fordern deshalb Bildungsexpert:innen, NGOs und politische Organisationen gezielte Schulentwicklungs- und Unterstützungsmaßnahmen. Ein zentraler Hebel ist die bedarfsorientierte Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel. Bereits im Schuljahr 2015/16 hat die Arbeiterkammer Wien mit dem AK-Chancen-Index ein Modell vorgeschlagen, das die spezifischen Bedürfnisse einzelner Schulstandorte transparent macht. Der Index bewertet die Rahmenbedingungen jeder Schule und baut darauf die Vergabe zusätzlicher Unterstützungsressourcen auf, um allen Schüler:innen faire Bildungschancen zu bieten. Standorte mit größeren Herausforderungen erhalten zusätzliche Mittel gemäß ihrem Indexwert. Ein ähnlicher Ansatz wurde in Deutschland Ende 2023 mit dem Startchancen-Programm eingeführt. Dieses Programm, das über einen Zeitraum von zehn Jahren mit rund 20 Milliarden Euro ausgestattet ist, zielt darauf ab, Schulen in schwieriger Lage nachhaltig zu unterstützen.
Verbesserte Lernumfelder
Was in Österreich noch eine Forderung ist, ist in vielen europäischen Ländern und Städten bereits Realität. Dabei zeigen Evaluationsstudien, dass Schulen, die zusätzliche Mittel erhalten und diese gezielt in die Schulentwicklung investieren, Lernumfelder schaffen können, die die schulischen Leistungen der Schüler:innen erheblich verbessern. Besonders profitieren Schüler:innen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien. Doch es geht um mehr als nur Noten und Testleistungen. Auch nicht-kognitive Bereiche, wie das Wohlbefinden und die Motivation der Schüler:innen, werden durch gezielte Investitionen gestärkt. Motivation ist bekanntlich ein entscheidender Faktor für den individuellen Lernerfolg und ein positives Schulklima trägt wesentlich dazu bei.
Österreich: Frühe Schulabgänger:innen und staatliche Kosten
Bedarfsorientierte Schulfinanzierung kann über die Verbesserung von Lernumfeldern an Schulen in schwieriger Lage auch nachweislich dem Risiko des frühen Schulabgangs entgegenwirken. Im belgischen Flandern konnte beispielsweise die Zahl der frühen Schulabgänger:innen an Schulen in schwieriger Lage über eine bedarfsorientierte Schulfinanzierung halbiert werden. Stattdessen erwerben mehr junge Menschen zumindest einen Bildungsabschluss, der über die Pflichtschule hinausgeht. In Österreich zeigt sich der Handlungsbedarf besonders deutlich: Derzeit brechen rund 30 Prozent der Schüler:innen das Bildungssystem frühzeitig ab, wenn sie eine Mittelschule in schwieriger Lage besuchen (vgl. Grafik 1). Das ist dreimal so hoch wie der österreichweite Durchschnitt (rund 11 Prozent). Diese Entwicklung hat nicht nur individuelle Folgen für die Betroffenen, sondern auch weitreichende finanzielle Konsequenzen für die öffentliche Hand.