Österreichs Schulsystem weist schon lange starke Muster der Bildungsbenachteiligung nach sozialer Herkunft auf. Welche Folgen die jüngsten Krisenentwicklungen (von Covid-Pandemie bis Teuerung) auf Österreichs Schüler:innenkompetenzen hatten und haben, lag bislang primär in Form von Schätzungen vor. Aktuelle Daten der PISA-Studie sowie der AK-Schulkostenstudie bestätigen nun: Die ungünstigeren Voraussetzungen für Schüler:innen aus ressourcenschwächeren Haushalten haben sich in den Krisen der vergangenen Jahre zusätzlich verstärkt, und zwar deutlich mehr als für Schüler:innen aus ressourcenstärkeren Familien – das erhöht die ohnehin hohen Bildungsungleichheiten im österreichischen Schulsystem noch weiter.
PISA 2022: Zuwachs an sozialer Ungleichheit
Im Dezember 2023 wurden die Ergebnisse der PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) vorgelegt. Darin werden die Kompetenzen 15- bis 16-jähriger Schüler:innen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften erhoben. Aufgrund der regelmäßigen Wiederholung (zuletzt 2018) erlaubt PISA so auch das Beobachten von Entwicklungen der Schüler:innenleistungen im Zeitverlauf – und damit auch erstmals den Vergleich vor und nach der Corona-Pandemie in Österreich.
Insgesamt zeigen die neuen PISA-Ergebnisse (erhoben im Jahr 2022), dass über alle OECD-Staaten hinweg im Mittel ein Leistungsrückgang im Vergleich zu 2018 feststellbar ist. Während in Österreich das Kompetenzniveau der rund 9.250 Schüler:innen in Lesen (-4 Punkte) und Naturwissenschaften (+1 Punkt) relativ stabil blieb, kam es in Mathematik zu einem Rückgang von 12 Punkten, der allerdings noch über dem OECD-Schnitt lag.
Die Betrachtung der Kompetenzen von Schüler:innen nach sozialer Herkunft zeigt allerdings, dass Österreich im Spitzenfeld der Länder mit den größten Zuwächsen an sozialer Ungleichheit liegt. Im Vergleich zu PISA 2018 ist die soziale Schere vor allem in Naturwissenschaften und Lesen weiter aufgegangen, was hauptsächlich aus Kompetenzrückgängen bei Jugendlichen aus sozioökonomisch schwächeren Familien resultiert. Damit zeigt sich für Österreich erstmals der Befund, der bereits aus anderen Ländern bekannt war: Die mit dem sozioökonomischen Status verbundenen Leistungsdisparitäten sind heute stärker ausgeprägt als in Messungen vor dem Beginn der Covid-19-Pandemie. Kompetenzrückgänge bzw. das häufigere Nichterreichen von Mindeststandards sind bei Schüler:innen aus weniger privilegierten Familien stärker ausgeprägt als bei Gleichaltrigen aus sozial privilegierteren Familien.