Die Inflation verursacht eine stark sinkende Kaufkraft und steigende Preise. Viele Lebensbereiche sind von dieser Teuerung betroffen. Zur Abfederung wurden mehrere Entlastungsmaßnahmen – darunter viele Einmalzahlungen – gesetzt und zum Teil bereits ausbezahlt. Aber sind diese Maßnahmen ausreichend, um Kinder und Jugendliche vor Armut und ihren Auswirkungen zu schützen? Wie wirkt sich die hohe Inflation auf die Bildungsteilhabe aus?
Privatisierung des Schulerfolgs
Aufgrund der Struktur des österreichischen Schulsystems mit seinem ausgeprägten Halbtagssystem verbringen Kinder und Jugendliche in Österreich stets viel Lernzeit außerhalb der Schule. Die Herausforderung, Lernen zu Hause zu organisieren, ist aufgrund der fehlenden Bildungs- und Zeitressourcen der Eltern groß. Selbst wenn diese Ressourcen vorhanden sind, bedeuten sie enormen Stress und Druck für Familien und führen bei Eltern und besonders Müttern dazu, häufiger in Teilzeit zu arbeiten. So gut wie täglich lernt die Hälfte der Eltern mit ihren Kindern, und mehr als 80 Prozent der Väter und Mütter unterstützen ihre Kinder zumindest einmal pro Woche bei den Schularbeiten. Zeit allein reicht für Schulerfolg schon lange nicht mehr aus, immer mehr finanzielle Ressourcen werden mobilisiert, um Kindern und Jugendlichen Bildungsteilhaben zu ermöglichen und den Schulerfolg zu erreichen. Das jährliche AK-Nachhilfebarometer, die Schulkostenstudie der Arbeiterkammer und andere Untersuchungen zeigen, dass private finanzielle Ressourcen für den Schulerfolg entscheidend sind.
Kein Geld für Freizeitgestaltung auf Kosten der Entwicklung
Neben dem Schulerfolg sind private finanzielle Ressourcen vor allem im Bereich der Stärkenförderung und Freizeitgestaltung oftmals ein limitierender Faktor. Vom Musikinstrument bis zur Mitgliedschaft im Sportverein: Gerade die Förderung individueller Interessen kann sehr teuer werden und ist nicht für jeden und jede leistbar. Auch die Möglichkeiten, Ferien zu gestalten und zu erleben, unterscheiden sich je nach finanziellem und kulturellem Kapital von Eltern erheblich. Das ist nicht nur ungerecht, es hat wiederum Auswirkungen auf die Entwicklung und den Schulerfolg. Das Anregungspotential aus der Freizeit ist sehr lernwirksam und für die Entwicklung des Selbstwertes von großer Bedeutung. Bildungsteilhabe muss daher deutlich weiter diskutiert werden als mit dem Blick auf den reinen Schulerfolg. Gerechtigkeit und breite Teilhabe in diesem Bereich ist ebenfalls eine (bildungs-)politische Aufgabe , die von der Bundesregierung wie lokalen Stakeholdern auch wahrgenommen werden muss.
Teuerung gefährdet Bildungsteilhabe
Dieser bildungspolitische Systemfehler, der so stark auf privates Engagement setzt, trifft nun auf eine immense Teuerungswelle. Die derzeitigen Entwicklungen zeigen einmal mehr die Notwendigkeit, Schulen so zu organisieren und zu finanzieren, dass sie eine breite Bildungsteilhabe ermöglichen. Um sich einer Metapher zu bedienen: Ein kranker alter Mensch wird in diesem Schuljahr einer enormen Viruslast ausgesetzt.
Die Arbeiterkammer hat gemeinsam mit dem IFES-Institut Eltern zur aktuellen Teuerung und den Auswirkungen auf geplante Familienausgaben befragt. (Befragung des IFES-Instituts: 809 Haushalte mit 1.387 Schüler:innen, Befragung im Juli & August 2022, österreichweit, Schwankungsbreite +/- 3,4 Prozentpunkte) Die Teuerung ist bei den Familien längst angekommen, 61 Prozent der Haushalte geben an, die Auswirkungen der Teuerung stark zu spüren, weitere 32 Prozent leicht.
Bereits vor der besonders belastenden Heizsaison planen Familien mit niedrigen Haushaltseinkommen massive Einsparungen, um die Grundausgaben weiter bezahlen zu können. Jede dritte Familie gibt an, dass ihr durch die Teuerung weniger Geld für Ausgaben für die Schule zur Verfügung steht. Damit wird erstmals klar, in welchem Ausmaß die Teuerung die Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen einschränken könnte.
Eltern fehlt Geld für Bildung und Freizeit
Akut gefährdet sind etwa 8 Prozent der Familien, sie sehen sich aktuell außerstande, Heizkosten zu bezahlen. 10 weitere Prozent sind sich sehr unsicher, ob sie in einem halben Jahr noch die Heizkosten bezahlen können. Während der Großteil der Familien glaubt, diese Beiträge bezahlen zu können, ändert sich das im Bereich der Freizeitgestaltung und Bildungsteilhabe. Hier unterscheiden wir zwei Bereiche von Bildungsausgaben. Zunächst jene substanziellen Bildungsausgaben, die Voraussetzung für die Teilnahme an der Schulpflicht sind, wie etwa die Bezahlung von Schulsachen. Jede zehnte Familie sieht sich aus heutiger Sicht nicht imstande, diese Bildungsausgaben für ihr Kind bzw. ihre Kinder zu finanzieren. Die weiteren Bildungsausgaben, also Ausgaben für die Bildungsteilhaben und freiwillige Bildungsförderung der Kinder, machen deutlich mehr Familien Sorgen. Jede vierte bis jede fünfte Familie (20 bis 26 Prozent) rechnet damit, sich diese Bildungsausgaben nicht mehr leisten zu können. Dazu zählen etwa der Besuch einer Musikschule oder Nachhilfe