Die Corona-Krise hat zu Rekordzahlen an Arbeitslosen und zu einem massiven Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit geführt. Eine Sonderauswertung des Arbeitsklima-Index zeigt, dass Arbeitslose mit dem Arbeitslosengeld kaum auskommen, unter hohen psychischen Belastungen leiden und den gesellschaftlichen Anschluss verlieren. Politisches Gegensteuern ist dringend notwendig.
Im Frühjahr 2021 waren bundesweit mehr als 450.000 Menschen arbeitslos oder in Schulung. Mehr als jeder bzw. jede dritte Arbeitslose, rund 150.000, war langzeitbeschäftigungslos – also seit über einem Jahr auf Arbeitssuche. Die Frage, wie es den arbeitslosen Menschen geht, ist daher höchst relevant.
Die Arbeitslosen von Marienthal
In der Pionierstudie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Maria Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel aus den 1930er-Jahren wurde eindrucksvoll nachgewiesen, dass Arbeitslosigkeit – vor allem wenn sie länger andauert – massive seelische Belastungen mit sich bringt und eine stark isolierende Wirkung hat. Arbeitslosigkeit verändert die Lebenshaltungen und Wertorientierungen. In der Studie wurden die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf Arbeitslose und deren Familien genau untersucht. Nur jeder Zehnte wurde als „ungebrochen“ eingestuft – ihnen war es möglich, weiterhin ihren Haushalt aufrechtzuerhalten und ihre Kinder zu versorgen. Die Hälfte der Arbeitslosen wurde als resigniert bezeichnet – ihnen war der Glaube an eine bessere Zukunft abhandengekommen. 11 Prozent der Untersuchten galten als verzweifelt, was nach heutigen Maßstäben als stärkere Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit zu bezeichnen ist. Bei den restlichen 25 Prozent kam noch der Zusammenbruch der Haushaltsführung und damit eine massive materielle Krise hinzu. Die individuellen Folgen von Arbeitslosigkeit hatten auch gesamtgesellschaftliche Folgewirkungen. Mit der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit erlahmte das soziale Leben, und es entstand eine „müde Gemeinschaft“ – Menschen, die keinen Glauben mehr an die Zukunft hatten, sich nicht mehr für andere interessierten, ihre Vereinstätigkeiten aufgaben und sich und ihre Familie vernachlässigten. Mit anderen Worten: Die Menschen wurden politisch und sozial inaktiv.
Sonderauswertung des Arbeitsklima-Index
In einer Sonderauswertung des Arbeitsklima-Index hat das Institut für Empirische Sozialforschung (IFES) im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Situation der Langzeitarbeitslosen in der heutigen Zeit – geprägt von der Corona-Pandemie – untersucht. In Anknüpfung an die wegweisende Studie von Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel werden die damals verwendeten Kategorien auf die heutige Zeit umgelegt. Im Folgenden wird daher die Situation der (Langzeit-)Arbeitslosen hinsichtlich folgender Facetten beleuchtet:
Arbeitslosengeld reicht bei vielen nicht zum Leben
82 Prozent der Arbeitslosen sagen, dass sie mit dem Arbeitslosengeld gerade (55 Prozent) oder gar nicht (27 Prozent) auskommen. Dieses Problem spitzt sich mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit zu: Bei den Langzeitarbeitslosen kommen sogar 94 Prozent gerade oder gar nicht mit dem Arbeitslosengeld über die Runden – das Geld reicht für viele gerade einmal für die Fixkosten, Essen gehen oder auf Urlaub fahren bleibt für die meisten ein frommer Wunsch. Unter den Erwerbstätigen ist dieses finanzielle Risiko mit 45 Prozent nur halb so hoch – auch wenn das bedeutet, dass viele Jobs nicht für ein „gutes Leben“ reichen.
Um dennoch den Lebensalltag bestreiten zu können, sind viele auf Hilfe von PartnerInnen, Eltern, Großeltern, anderen Angehörigen oder FreundInnen angewiesen: 41 Prozent der Arbeitslosen erhielten aus diesem Personenkreis zusätzliche Unterstützung; bei den Erwerbstätigen sind es 23 Prozent.