Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Dauer der Jobsuche

08. September 2021

Nach fast eineinhalb Jahren COVID-19-Krise nähert sich die Wirtschaft ihrem Vorkrisenniveau. Doch obwohl Politiker*innen und Medien den Eindruck erwecken, die Corona-Arbeitslosigkeit gehöre der Vergangenheit an, gibt es zu wenig Arbeitsplätze für alle, die Arbeit suchen. Außerdem haben nicht alle Arbeitssuchenden dieselben Chancen, wieder in Beschäftigung zu gelangen. Damit der Aufschwung allen am Arbeitsmarkt zugutekommt, braucht es mehr gute Jobs, ausreichend Unterstützung bei der Arbeitssuche, ein Recht auf Weiterbildung und eine Jobgarantie für alle Langzeitarbeitslosen.

So lange dauert die Arbeitssuche

Das AMS gibt mit der Verweildauer von arbeitslosen Personen an, wie lange diese im Durchschnitt arbeitslos gemeldet waren, bevor sie wieder in Beschäftigung gelangt sind. Die durchschnittliche Verweildauer ist durch die COVID-19-Krise um 32 Tage gestiegen. Arbeitslose Erwachsene zwischen 25 und 44 Jahren, die im Juli 2021 einen Job fanden, waren davor durchschnittlich 143 Tage auf Arbeitssuche. Bereits ab dem Alter von 45 Jahren verlängerte sich die Dauer der Suche auf 195 Tage – das ist länger als ein halbes Jahr.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Corona-Pandemie verfestigt Langzeitarbeitslosigkeit

Nicht nur das Alter, sondern auch die bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit wirkt sich auf die Chancen, wieder in Beschäftigung zu gelangen, aus. So ist durch die Krise auch die Zahl der Menschen gestiegen, die bereits länger als ein Jahr keinen Job mehr finden. Im Gegensatz zu rund 96.000 Langzeitbeschäftigungslosen im Juli 2019 waren im Juli 2021 bereits 130.000 Menschen langzeitbeschäftigungslos. Die Verschlechterung der Situation für Langzeitarbeitslose am Arbeitsmarkt wird auch durch die Vormerkzeit widergespiegelt. Das AMS gibt mit der Vormerkzeit die durchschnittliche Dauer, die sich Menschen zu einem Stichtag bereits in Arbeitslosigkeit befinden, an. Im Juli 2021 waren das durchschnittlich 262 Tage und für Erwachsene über 44 Jahre mit 376 Tagen mehr als ein Jahr.

Die Vormerkzeit ist also deutlich höher als die Verweildauer, was darauf hindeutet, dass es zu einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit kommt. Denn im Durchschnitt waren die Menschen, die einen Job gefunden haben, weniger lange arbeitslos als jene Menschen, die sich nach wie vor auf Arbeitssuche befinden. Doch nicht nur die Dauer der Arbeitslosigkeit mindert die Chancen, wieder in Beschäftigung zu gelangen: Vormerk- als auch Verweildauer steigen mit dem Alter.

Was beeinflusst die Dauer der Jobsuche?

Die Dauer, einen Job zu finden, hängt dabei von vielen Faktoren ab. Zentral sind die Nachfrage nach Arbeitskräften sowie das Einstellungsverhalten der Unternehmen. Wenn es zu wenige offene Stellenangebote gibt, dauert die Suche nach Arbeit länger. Im Juli 2021 standen 112.949 beim AMS gemeldeten offenen Stellen 343.939 beim AMS vorgemerkte Arbeitslose und Schulungsteilnehmer*innen gegenüber. Wenn zu wenige Unternehmen bereit sind, ältere Menschen oder jene, die schon länger auf Arbeitssuche sind, einzustellen, verlängert das ebenso die Dauer der Jobsuche. Dazu trägt auch bei, dass Unternehmen oftmals Qualifizierungen verlangen, für die es keine Arbeitskräfte gibt, aber gleichzeitig nicht bereit sind, solche entsprechend auszubilden.

Angebotsseitig kann eine intensive und qualitativ hochwertige Unterstützung bei der Jobsuche sowie eine zielgerichtete Weiterbildung von Arbeitssuchenden deren Chancen am Arbeitsmarkt erhöhen und somit die Arbeitssuchdauer reduzieren.

Mehr Druck erhöht Risiko von Dequalifizierung

Insbesondere in Zeiten eines Wirtschaftsaufschwungs ist eine schnelle und zielgerichtete Vermittlung von ausgrenzungsgefährdeten Personen eine naheliegende politische Maßnahme. Doch eine schnelle Vermittlung durch mehr Druck birgt auch Risiken.

Bereits nach 100 Tagen Arbeitslosigkeit endet der Berufsschutz. Der Berufsschutz schützt qualifizierte Arbeitssuchende vor einer Vermittlung in Jobs, für die sie überqualifiziert sind. Um über die ersten 100 Tage Arbeitslosigkeit hinaus weiterhin Arbeitslosengeld zu erhalten, müssen Arbeitslose dann jeden vom AMS zugewiesenen Job annehmen, auch wenn sie eine Fachausbildung in einem anderen Beruf erworben haben. Wie in der Grafik oben dargestellt, dauerte es im Juli 2021 für alle Arbeitssuchenden über 25 Jahren durchschnittlich mehr als 100 Tage, wieder einen Job zu bekommen – und bei der Vermittlung in diesen neuen Job galt für sie kein Berufsschutz mehr.

Aus der Sorge heraus, den Berufsschutz zu verlieren, ist es für Arbeitssuchende oftmals zentral, so bald als möglich eine neue Beschäftigung aufzunehmen. Doch weil Arbeitslose dadurch Gefahr laufen, den nächstbesten Job – unabhängig von den Arbeitsbedingungen – anzunehmen, erhöht eine zu schnelle Vermittlung durch mehr Druck gleichzeitig das Risiko, dass Arbeitslose in Beschäftigungsverhältnisse gebracht werden, die unter ihren erworbenen Qualifikationen und Fähigkeiten liegen. Diese Arbeitskräfte fehlen dann dort, wo ihre Qualifikationen zu einem späteren Zeitpunkt benötigt werden. Darüber hinaus birgt eine Vermittlung, die nur darauf abzielt, rasch die Vermittlungsquote zu erhöhen und die kurzfristige Arbeitslosigkeit zu senken, die Gefahr, Arbeitslose in „Hire-and-Fire“-Jobs zu vermitteln. Während in Zeiten eines Wirtschaftsaufschwungs auch wieder vermehrt Nachfrage nach Arbeitskräften in Niedriglohnsektoren besteht, sind diese neu eingestellten Arbeitnehmer*innen auch die ersten, die wieder entlassen werden, sobald der Bedarf endet. Eine Vermittlung in solche prekären Beschäftigungsverhältnisse sollte nicht Ziel sein.

Hilfe bei der Jobsuche, Ausbildungsmöglichkeiten und eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose

Um die Folgen wirtschaftlicher Krisen nicht auf jene abzuwälzen, die am Arbeitsmarkt schon zuvor benachteiligt waren, sondern eine sinnvolle, schnelle und vor allem nachhaltige Vermittlung in gute Jobs zu ermöglichen, braucht es eine progressive Arbeitsmarktpolitik. Dem Umstand, dass es zu wenig gute Arbeitsplätze für alle Arbeitssuchenden gibt und dass Druck auf Arbeitslose die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung mindert, können folgende Maßnahmen entgegengesetzt werden:

  • Mehr und bessere Jobs: Arbeitgeber*innen müssen mehr Jobs mit guten Arbeitsbedingungen, Sicherheit und entsprechender Entlohnung anbieten und bereit sein, in die Qualifizierung von neuen Beschäftigten zu investieren.
  • Einführung einer Jobgarantie: Allen langzeitbeschäftigungslosen Menschen, die eine Arbeit suchen, aber aufgrund ihrer Erwerbsbiografien keine Chancen mehr am Arbeitsmarkt bekommen, sollen staatlich geschaffene Arbeitsplätze im öffentlichen oder gemeinnützigen Sektor geboten werden.
  • Weiterentwicklung des Solidaritätsprämienmodells: Damit kann der Einstieg in Arbeitszeitverkürzung gefördert und gleichzeitig Arbeitslosigkeit reduziert werden. Arbeitszeitverkürzung ermöglicht nicht nur eine gerechtere Verteilung von Arbeit und ein höheres Wohlbefinden der Arbeitnehmer*innen, sondern erleichtert es den Unternehmen, engagierte Mitarbeiter*innen und ihr Know-how in den Betrieben zu halten.
  • Gute Vermittlung: Arbeitslose müssen durch eine qualifizierte Beratung vom AMS bei der Jobsuche unterstützt werden. Dafür benötigt es ausreichend Fachpersonal beim AMS.
  • Ein Recht auf Weiterbildung: Um eine dauerhafte Vermittlung in gute Jobs zu gewährleisten, muss Arbeitssuchenden die Möglichkeit geboten werden, ihre Qualifikationen auszubauen. Nur so kann das Risiko verringert werden, dass Arbeitssuchende in der Dreh-und-Angel-Tür zwischen Arbeitslosigkeit und prekärer Arbeit stecken bleiben.
  • Erhöhung des Arbeitslosengeldes: Statt Jobs mit prekären Arbeitsbedingungen akzeptieren zu müssen, ermöglicht ein erhöhtes Arbeitslosengeld den Arbeitslosen sich auf Weiterbildung und die Suche von und Vermittlung in dauerhaften und höher qualifizierten Beschäftigungen zu konzentrieren.

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