Zwischen 2016 und 2018 verdoppelten sich sanktionsbedingte Kürzungen des Arbeitslosengeldes. Der vermutete Effekt auf die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit blieb jedoch aus. Der seit 2016 zunehmend erhöhte Druck auf Arbeitssuchende trug somit nicht zur Reduktion der Arbeitslosigkeit bei, stattdessen untergräbt er den Versicherungsschutz der Arbeitslosenversicherung.
Die Arbeitslosenversicherung ist eine wichtige soziale Errungenschaft, mit welcher das Risiko des Entgeltausfalls im Zuge von Arbeitslosigkeit abgefedert wird. Die (bezugsberechtigten) Versicherten erhalten im Falle der Erwerbslosigkeit Arbeitslosengeld. Eine existenzsichernde Arbeitslosenversicherung gibt Erwerbstätigen somit Sicherheit und stärkt ihre Position gegenüber ArbeitgeberInnen. Im Falle von Erwerbslosigkeit reduziert die Versicherung den finanziellen Druck auf die Betroffenen und unterstützt sie, möglichst eine den erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen entsprechende Beschäftigung zu finden.
In der Regel wird nicht die Qualität der Versicherungsleistung in den Mittelpunkt öffentlicher Debatten gestellt. Hingegen dominiert die Debatte über Leistungsmissbrauch und mangelnde Beschäftigungsanreize, die sich aufgrund der Versicherungsleistung ergeben könnten. Arbeitslosigkeit wird dabei vorrangig als Anreizproblem verstanden, wodurch die Arbeitsuchenden generell unter Missbrauchsverdacht gestellt werden. Vor diesem Hintergrund spielt sich auch die von der Bundesregierung angekündigte Reform der Arbeitslosenversicherung in Österreich ab.
Wenig bekannt ist jedoch, dass der Erhalt von Arbeitslosengeld an „Arbeitswilligkeit“ geknüpft ist. In der Praxis bedeutet das, dass die Arbeitsuchenden nach Ablauf des Berufs- und Entgeltschutzes jede zumutbare, durch das AMS vermittelte Erwerbstätigkeit annehmen müssen und zwar überall in Österreich. Wird das Zustandekommen der Erwerbstätigkeit, z. B. durch das Versäumnis, sich zu bewerben, „vereitelt“, dann kommt es zu einer Sanktion. Das AMS kürzt dann, gemäß § 10 AlVG, das Arbeitslosengeld für sechs bis acht Wochen. Für die Arbeitsuchenden kann das schnell zu einer existenziellen Frage werden, denn das Arbeitslosengeld in Österreich reicht nicht aus, um für einen längeren Zeitraum die Existenz zu sichern.
So kann in der Praxis, im Einklang mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG), versucht werden, das gewünschte Verhalten der Versicherten durch Überwachen und Strafen zu bewirken. Also durch entsprechende „Anreize“, nämlich den temporären Arbeitslosengeldentzug bzw. eine Kürzung derselben, „versicherungsschädliches“ Verhalten zu verhindern. Als Ziel wird dabei die Reintegration in den Arbeitsmarkt in den Vordergrund gestellt. Doch die Daten belegen, dass die in den letzten Jahren exzessiv eingesetzten Sanktionsmaßnahmen nicht zur Reduktion von Arbeitslosigkeit beitrugen! Somit schmälert das Ausreizen aller Sanktionsmöglichkeiten den Versicherungsschutz und kann als Disziplinierungsmaßnahme aller Erwerbstätigen verstanden werden.
Exzessiver Anstieg sanktionsbedingter Sperren
Die folgende Grafik zeigt, dass es von 2016 bis 2018 zu einem bis dato einmaligen Anstieg an sanktionsbedingten Sperren des Arbeitslosengeldes kam. Im Jahr 2016 wurden 5,7 von hundert Arbeitsuchenden das Arbeitslosengeld für sechs bis acht Wochen aberkannt. Im Jahr 2018 waren es bereits 11,7 von hundert. Die sanktionsbedingten Sperren des Arbeitslosengeldes haben sich seit 2016 verdoppelt.