Die Wintersaison geht mit dem Osterwochenende zu Ende. Somit ist dann auch die Diskussion über die Vermittlung von arbeitsuchenden OstösterreicherInnen in den Westen des Landes eingeschlafen. Zu Beginn der Sommersaison, spätestens aber mit dem ersten Schneefall im Herbst wird die Diskussion wieder die Gemüter erhitzen. Daher ist jetzt eine gute Zeit, das Thema sachlich von verschiedenen Seiten zu betrachten. Schließlich ist überregionale Vermittlung nicht nur ein Tourismusthema.
Wie mobil sind die ÖsterreicherInnen tatsächlich?
Mehr als ein Drittel der rund drei Millionen in Österreich beschäftigten ArbeitnehmerInnen hatten im Jahresdurchschnitt 2015 ihren Arbeitsplatz außerhalb des Arbeitsmarktbezirkes, in dem sie wohnhaft waren, so eine Spezialauswertung des Arbeitsmarktservice. Nach Bundesländern betrachtet zeigt sich, dass 2015 im Burgenland, in Niederösterreich und in Oberösterreich anteilsmäßig die meisten ArbeiterInnen und Angestellten ihren Wohnbezirk (bzw. auch ihre Nachbarbezirke) verlassen haben, um zu ihrem Arbeitsbezirk zu gelangen. ArbeitnehmerInnen aus Wien sind entsprechend dieser Auswertung weniger mobil. Das liegt vor allem auch daran, dass die Beschäftigungschancen in Wien als am besten eingeschätzt werden und auch an der Methodik der Auswertung.
Eine Befragung des AMS Wien relativiert diese Ergebnisse allerdings: Demnach ist etwa die Hälfte der aktuell registrierten Wiener Arbeitslosen bereit, auch außerhalb von Wien zu arbeiten, wenn auch vorwiegend im Umkreis von Wien. Anders verhält es sich bei einem Wohnortswechsel für einen Arbeitsplatz. Nur eine kleine Zahl registriert sich beim AMS für eine österreichweite Vermittlung. Das heißt allerdings auch nicht, dass alle anderen keinesfalls dazu bereit sind.
Was sagt das Arbeitslosenversicherungsgesetz?
Gemäß § 9 Arbeitslosenversicherungsgesetz ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie in angemessener Zeit erreichbar ist – das sind zwei Stunden für den Hin- und Rückweg bei einer Vollzeitbeschäftigung. Zumutbar ist eine Beschäftigung auch, wenn eine tägliche Rückkehr an den Wohnort nicht möglich ist, aber eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung gestellt wird. Zu beachten sind aber jedenfalls gesetzliche Betreuungspflichten, die dadurch nicht beeinträchtigt werden dürfen. Diese bestehen gegenüber Kindern, aber auch gegenüber EhepartnerInnen und eingetragenen PartnerInnen.
Interessanterweise gibt es dazu weder Judikatur noch weitere Ausführungen in juristischen Kommentaren. Das ist wohl ein Zeichen dafür, dass bei der überregionalen Vermittlung, die einen Wohnsitzwechsel erforderlich macht, auf einvernehmliche Vereinbarungen zwischen dem AMS und den Arbeitsuchenden gesetzt wird.
Gibt es den Fachkräftebedarf im Tourismus?
Tatsache ist, dass zu Beginn der Wintersaison die gemeldeten offenen Stellen in den Tourismusregionen die Zahl der dort gemeldeten Arbeitslosen übersteigt. Daher sind die Tourismusbetriebe auf Menschen, die aus anderen Regionen kommen, angewiesen.
Auf der anderen Seite ist die österreichweite Arbeitslosenquote derer, die zuletzt im Tourismus beschäftigt waren, hoch. Dies hat allerdings nicht nur mit regionalen Disparitäten, sondern vor allem auch mit den unterschiedlichen Ansprüchen von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen dieser Branche zu tun. Faktoren wie wenig familienfreundliche Arbeitszeiten, körperlich und psychisch belastende Arbeitsbedingungen oder mangelnde Beschäftigungssicherheit und ein im Branchenvergleich geringes Lohnniveau sind für viele Motivation, die Branche zu wechseln oder zumindest einen Arbeitsplatz in der Branche zu suchen, der diese schwierigen Bedingungen in geringerem Maße aufweist. Auch daraus resultiert die größere Zahl an Arbeitsuchenden.
Aber auch die Unternehmen, die ArbeitnehmerInnen suchen, die in jeder Hinsicht fit sind, um die Saison gut zu meistern, stellen, sobald gesundheitliche Einschränkungen vorliegen, die Menschen dann gar nicht ein. Und es gibt eben auch Unternehmen, die nicht die besten und fairsten Arbeitsbedingungen bieten.
Die Antwort der Bundesregierung
Aufgrund der intensiven, lautstark über die Medien geführten Diskussion über den Mangel an Köchen und Köchinnen hat das Thema auch Eingang in die Regierungsverhandlungen im Jänner 2017 gefunden. Erfreulicherweise hat sich bei den Verhandlungen jener Ansatz durchgesetzt, der versucht, Anreize zu schaffen und Hemmnisse zu beseitigen und nicht der andere Ansatz, die Zumutbarkeitsbestimmungen zu verschärfen.
Das Regierungsprogramm 2017/2018 sieht neue Mobilitätsförderungen vor, insbesondere die Entwicklung einer neuen Entfernungsbeihilfe, mit der für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren ein zweiter Wohnsitz gefördert werden kann. Dies kann helfen, das finanzielle Risiko, das jemand hat, der den Wohnsitz wechseln muss, sich aber nicht sicher ist, ob die Stelle dauerhaft passen wird, zu minimieren und so die Bereitschaft, es mit einem Job in einer anderen Region auszuprobieren, erhöhen. Ob die angestrebte Förderhöhe allerdings ausreichen wird, um die Gesamtkosten eines zweiten Haushalts abzudecken, ist zweifelhaft.
Die zweite im Grundsatz beschlossene Maßnahme der Bundesregierung ist ein neuer Kombilohn für jene Personen, die eine entferntere Stelle annehmen und auf einen näher gelegenen Arbeitsplatz nicht vermittelt werden können. Dieser Weg führt jedoch in die falsche Richtung. Der Kombilohn wurde als Ausgleich für einen gering bezahlten Arbeitsplatz geschaffen. Individuell ein guter Ansatz, um Menschen, die keine andere Chance auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt haben, als eine geringer entlohnte Stelle anzunehmen, zu unterstützen. Strukturell ist es aber ein problematisches Instrument, da es die Ausweitung von Stellen in Niedriglohnbranchen und somit eine Ausweitung dieser Beschäftigungsbereiche unterstützt, anstatt Anreize zu schaffen, das Lohnniveau anzuheben. Gerade dieser Ansatz ist im Tourismus fatal. Es kann nicht darum gehen, schlecht bezahlte Stellen durch öffentliche Zuschüsse erträglicher zu machen. Sondern es muss darum gehen, die Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten.
Die tatsächlich schwierige Suche nach Arbeitskräften im Tourismus in Salzburg hat beispielsweise nicht dazu geführt, dass die angebotenen und bezahlten Löhne in die Höhe geschnellt sind. Die Zahl der Stellen, die überkollektivvertraglich entlohnt wurden, stieg nur zu einem sehr geringen Prozentsatz an.
Wie kann es gehen?
Funktionieren kann es nur, wenn dieser Weg freiwillig eingeschlagen wird. Dass soziale Integration und insbesondere familiäre Beziehungen an den Wohnort binden, ist zu akzeptieren.
Allen anderen Informationen und ausreichende Unterstützung zur Verfügung zu stellen, um die Motivation, eine überregionale Stelle anzunehmen, zu steigern, ist jedenfalls sinnvoll. Menschen auf Arbeitsplätze zu vermitteln, die in einem weiter entfernten Bundesland angeboten werden, kann eine Chance sein, Arbeitslosigkeit zu beenden und berufliches Fortkommen zu ermöglichen. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um Arbeitsplätze handelt, die sich durch gute Arbeitsbedingungen und Entlohnung sowie die Chance auf eine dauerhafte Beschäftigung auszeichnen – wie es sie zum Beispiel in der Sachgüterindustrie in Oberösterreich oder der Steiermark, aber natürlich auch im Tourismus gibt.