Die Studie „Beschäftigung im Handel“ des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO und des Instituts für Empirische Sozialforschung IFES analysiert die Situation der ArbeitnehmerInnen im Handel seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise. Neben Daten der Statistik Austria und des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger von 2008 bis 2012 wurde der von IFES im Auftrag der AK vierteljährlich erhobene Arbeitsklimaindex der Jahre 2009 bis 2013 mit Interviews von 2.869 Einzelhandelsbeschäftigten herangezogen.
Mehr Arbeitsplätze trotz Finanz- und Wirtschaftskrise
Der Handel ist eine Stütze des Arbeitsmarktes in Österreich. Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise verzeichnete der Handel 2012 gegenüber 2008 eine Ausweitung der Beschäftigungsverhältnisse um 14.000 Stellen oder plus 2,7 Prozent auf 525.000 ArbeitnehmerInnen. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass das Beschäftigungswachstum fast ausschließlich auf das Konto des Einzelhandels geht, während Groß- und Kfz-Handel kein oder nur ein sehr geringes Beschäftigungswachstum aufweisen.
Die Ursache für die gute Krisenbewältigung des Handels, insbesondere des Einzelhandels, war vor allem die stabile Konsumnachfrage der heimischen Haushalte in den Krisenjahren 2009/2010, dank Maßnahmen wie Kurzarbeit und Steuerreform, die sich auch für die Gesamtwirtschaft positiv auswirkten. Seit 2011 sind ein Nachlassen der Konsumnachfrage und eine stagnierende Entwicklung feststellbar.
Teilzeit steigt, kein Auskommen mit dem Einkommen
Der überwiegende Teil der seit 2008 entstandenen Arbeitsplätze sind Teilzeitstellen, konkret 12.000 von 14.000 neuen Stellen. Der Anteil der Stellen ab 35 Stunden nimmt im Handel weiter ab.
Besonders betroffen sind die Arbeitskräfte im Einzelhandel. Bei den Frauen ist der Anteil, die maximal bis 34 Stunden arbeiten, mit 56 Prozent noch wesentlich höher als im Durchschnitt aller Handelsarbeitskräfte. 90 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten im Handel sind Frauen.
Demgegenüber zeigt sich, dass 85 Prozent der Männer 35 oder mehr Stunden arbeiten. 32 Prozent sogar mehr als 45 Stunden. Diese Aufteilung der Arbeitszeit ist auch ein klarer Hinweis darauf, dass Führungspositionen mehrheitlich mit Männern besetzt werden.
Der hohe Anteil an Teilzeitarbeit im Einzelhandel (8 Prozentpunkte über der Gesamtwirtschaft) ist aber bei weitem nicht selbst gewählt: Die geringe Einkommenszufriedenheit der Teilzeitkräfte ist ein Hinweis dafür, dass ArbeitnehmerInnen ihre Arbeitszeit bei passenden Rahmenbedingungen aufstocken würden. 12,5 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen sagen ganz direkt, sie seien unfreiwillig in Teilzeit und würden gerne Vollzeit arbeiten. Besonders betroffen davon sind im Ausland geborene Frauen: jede Fünfte möchte länger arbeiten, findet aber keine Vollzeitstelle.
Teilzeitbeschäftigte sind im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten auch deutlich weniger zufrieden mit ihren Aufstiegsmöglichkeiten. Während 22 Prozent der Teilzeitkräfte mit den Aufstiegsmöglichkeiten wenig bis gar nicht zufrieden sind, liegt dieser Wert bei den Vollzeitkräften bei 15 Prozent.
Situation der Frauen: Teilzeit und Lohndiskriminierung
Insgesamt sind 288.000 oder 56 Prozent der ArbeitnehmerInnen im Handel Frauen. Im Einzelhandel beträgt der Frauenanteil fast 75 Prozent. Doch obwohl die Mehrheit der Arbeitskräfte im Handel Frauen sind, sind sie in mehrfacher Hinsicht gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt.
Durch die hohe Teilzeitquote bei den Frauen – 90 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen – verlieren sie rasch an Boden und hinken in fast allen Bereichen den Männern hinterher (Gehalt, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten). So sagt ein Fünftel der Teilzeitkräfte, dass ihr Einkommen zum Leben nicht ausreicht (bei Vollzeit sind es 6 Prozent). Weitere 50 Prozent der Teilzeitkräfte sagen, dass es nur gerade ausreicht
Ergebnisse des bildungsbezogenen Erwerbskarrierenmonitorings zeigen, dass von jenen, die im Schuljahr 2008/2009 eine Lehre im Handel abgeschlossen haben, 13,2 Prozent der Männer in ihrer ersten unselbständigen Erwerbstätigkeit ab 1.800 Euro brutto verdienen. Bei den Frauen erzielen allerdings nur 4 Prozent ein solches Einkommen. Das heißt, dass Frauen selbst mit gleicher Qualifikation im Handel deutlich geringere Einkommenschancen haben.
Frauen erzielen außerdem auch im weiteren Erwerbsverlauf wesentlich geringere Einkommenssteigerungen. Befragt man Arbeitskräfte im Handel im Alter von 29 Jahren und mit 45 Jahren nach ihren durchschnittlichen Nettoeinkommen von 2009 bis 2013, zeigt sich folgendes Bild: Während Männer von ihrem 29. Lebensjahr an bis zum 45. ihr Einkommen um 48 Prozent steigern können (1.110 Euro auf 1.640 Euro), kommen Frauen hier nur auf plus 17 Prozent (von 930 auf plus 1.090 Euro).
Dass die Einkommensschere nur zum Teil mit dem geringeren Verdienst aufgrund der dominierenden Teilzeitbeschäftigung zusammenhängt, zeigen Vergleiche bei den Vollzeitbeschäftigten: so liegt der durchschnittliche Nettoverdienst der Frauen in einer Vollzeitbeschäftigung bei 1.170 Euro und damit mehr als 300 Euro unter dem der Männer.
Die angespannte finanzielle Situation vieler ArbeitnehmerInnen im Einzelhandel hat damit auch Auswirkungen auf die Altersversorgung. Durch Teilzeitphasen und Auszeiten ist im Alter aufgrund der zukünftigen Berücksichtigung des gesamten Erwerbslebens bei der Berechnung der Pension auch mit noch niedrigeren Frauenpensionen zu rechnen!
Fazit: Verbesserungsbedarf bei den Arbeitsbedingungen
In der AK Beratungspraxis zeigt sich, dass Vollzeitstellen fast nur mehr für Filial- und Rayonsleiterpositionen angeboten werden. Es braucht hier einerseits Verbesserungen für Teilzeitarbeitskräfte, andererseits sollen jene, die Vollzeit arbeiten wollen, auch die Möglichkeit dazu bekommen. Ein Vorzug von Teilzeitkräften bei der Besetzung von Vollzeitstellen oder Stellen mit höherer Arbeitszeit, oder aber ein Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitbeschäftigte ab der ersten geleisteten Mehrarbeitsstunde wären ebenso sinnvolle wie auch notwendige gesetzliche Regelungen. Ebenso braucht es eine Strategie, damit auch Teilzeitbeschäftigte Zugang zu Führungspositionen erhalten. Auskommen mit dem Einkommen und gerechte Entlohnung muss das Ziel sein. Hier braucht es auch eine Nachschärfung bei den Instrumenten der Einkommenstransparenz, etwa indem gesetzlich verankert wird, dass es auch Gleichstellungspläne zu festgestellten gechlechtsspezifischen Schieflagen in Einkommensberichten geben muss. Das wäre auch ein wirksamer Beitrag zur Verkleinerung der Einkommensschere, nachdem in keiner anderen Branche so viele Frauen beschäftigt sind wie im Handel.