Wohnzufriedenheit ist stark einkommensabhängig

17. März 2023

Wohnen ist ein elementares menschliches Grundbedürfnis. Dieses leistbar zu halten, entwickelt sich mehr und mehr zu einer gesellschaftlichen Herausforderung. Um leistbares Wohnen zu erreichen, braucht es mehr staatliche Eingriffe und Regulierungen als bisher. Mit dem neuen AK Wohnzufriedenheitsindex präsentiert die Arbeiterkammer Oberösterreich in Kooperation mit IFES einen regelmäßig erhobenen sozialwissenschaftlichen Index für die Herausforderungen und Bedürfnisse ihrer Mitglieder rund um das Thema Wohnen. Die dabei erhobenen Daten geben kontinuierlich Auskunft zu Ängsten und Sorgen der Menschen hinsichtlich ihrer Wohnsituation sowie ihren Erwartungen an Politik und Gesellschaft.

Zum Thema Wohnen gibt es seitens der Statistik Austria und von EU-SILC bereits umfangreiches Datenmaterial. Der Schwerpunkt liegt dabei jedoch auf sogenannten harten bzw. objektiven Faktoren, wie zum Beispiel Anteil der Wohn- und Energiekosten am Haushaltseinkommen, Wohnkosten pro Quadratmeter, die Vertragsbefristung und ähnliche Dimensionen.

„Weiche Faktoren“ stehen im Vordergrund

Der neue AK Wohnzufriedenheitsindex will sich mit sogenannten weichen bzw. subjektiven Faktoren ganz bewusst davon unterscheiden. Das neue Instrumentarium ist ein gemeinsames Produkt der Arbeiterkammer Oberösterreich und des Instituts für empirische Sozialforschung (IFES). Dieses ergänzt die bestehenden „harten bzw. objektiven Faktoren“ um wichtige Aussagen zu Bedürfnissen, politischen und gesellschaftlichen Erwartungshaltungen sowie Ängsten und Sorgen der Menschen. Zusätzlich schaffen die Daten die Grundlage dafür, bislang wenig erforschte Aspekte im Kontext mit dem Wohnen zu bearbeiten oder überhaupt neue Fragestellungen zu entwickeln. So können gesellschaftliche Zukunftsentwicklungen und Trends beim Wohnen frühzeitig erkannt und aufgezeigt werden. Außerdem lassen sich Zusammenhänge zwischen objektiven und subjektiven Faktoren untersuchen, z. B. der Einfluss eines hohen Wohnkostenanteils am Einkommen auf die Wohnzufriedenheit und Lebensqualität.

Leistbarkeit des Wohnens im Fokus

Die erste Erhebung fand im November 2022 statt, zu einer Zeit, als viele Menschen bereits stark unter den Effekten der Teuerung litten. Dabei wurden 1.000 Mitglieder der Arbeiterkammer Oberösterreich telefonisch und online (CATI-CAWI-Mixed-Mode) repräsentativ für die Mitglieder der Arbeiterkammer Oberösterreich befragt. Die Erhebung soll in Folge regelmäßig einmal pro Quartal durchgeführt werden. Diefünf Teildimensionen anhand von Fragenkomplexen sind dabei: Fragen zu Wohnung und Haus, Fragen zur Leistbarkeit, Fragen zur Wohnumgebung, Fragen zur funktionalen Infrastruktur und Lage sowie Fragen zur Wohnpolitik.

Die einzelnen Dimensionen sind unterschiedlich gewichtet. So fließen „Wohnung und Haus“ und „Leistbarkeit“ zu je einem Viertel in den Wohnzufriedenheitsindex ein. „Wohnumgebung“ und „funktionale Infrastruktur und Lage“ machen je ein Fünftel des Index aus, die Dimension „Wohnpolitik“ macht zehn Prozent des Index aus.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Der AK Wohnzufriedenheitsindex hat eine Spannweite von 0 bis 100, wobei der Wert 100 die maximal positive Ausprägung, der Wert 0 die maximal negative Ausprägung darstellt.

Der Gesamt-Indexwert liegt aktuell bei 69 Punkten. Dabei weisen die Dimensionen „Wohnung und Haus“ und „Wohnumgebung“ mit 78 und 77 Punkten hohe Teil-Indexwerte und somit eine höhere Zufriedenheit, die Dimension „Wohnpolitik“ mit 50 Punkten einen niedrigeren Teil-Indexwert und somit im Vergleich geringere Zufriedenheit aus. Die Dimensionen „Funktionale Infrastruktur/Lage“ und „Leistbarkeit“ weisen Teil-Indexwerte von 66 und 63 Punkten auf.

Sehr hohe Mietkostensteigerungen bei Privatmieten

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis, dessen Leistbarkeit immer mehr in Gefahr gerät. Schon vor dem Start der Wohnkosten-Explosion im Jahr 2022 waren die Mietpreise von einer überdurchschnittlichen Aufwärtstendenz gekennzeichnet. Zwischen 2010 und 2020 stieg der Verbraucherpreisindex um 19,7 Prozent: Doch genau im selben Zeitraum stiegen private Hauptmieten um 50 Prozent, während Mieten von geförderten Genossenschaftswohnungen 38,5 Prozent an Preissteigerung zu verbuchen hatten. Mieten von Gemeindewohnungen stiegen zwischen den Jahren 2010 und 2020 um 35,3 Prozent.

Niedriges Einkommen drückt Wohnzufriedenheit massiv

Wie der neue Index klar zutage fördert, erhöht sich mit dem Einkommen auch die Wohnzufriedenheit. Menschen, die über ein höheres Einkommen verfügen oder ganz generell mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben, sind auch mit der Leistbarkeit ihrer Wohnkosten deutlich zufriedener. Gerade im Lichte der aktuell davongaloppierenden Inflation haben Arbeitnehmer:innen immer mehr Probleme, mit ihrem Einkommen tatsächlich auszukommen. Auf diese Weise gerät die Leistbarkeit des Grundbedürfnisses Wohnen für immer mehr Menschen sehr ernsthaft in Turbulenzen: Auch immer mehr Angehörige der Mittelschicht sind davon betroffen. Umso wichtiger ist daher die Stärkung des sozialen Wohnbaus, weil der geförderte Wohnbau auf die Höhe der Mieten eine deutlich dämpfende Wirkung entfaltet.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Befristete Mietverhältnisse und deren negative Wirkung

Befristete Mietverhältnisse bringen mehrere durchaus heftige Nebenwirkungen zulasten der Mieter:innen mit sich. Da gibt es zum einen eine starke psychologische Komponente: Denn alles, was mit einem fixen Ablaufdatum versehen ist, birgt den Charakter von Unsicherheit und Instabilität in sich. Zusätzlich haben befristete Mietverhältnisse beträchtliche Nebenwirkungen finanzieller Natur zulasten der Mieter:innen. Jeder Wohnungswechsel verursacht Kosten von mehreren Tausend Euro. Schon allein aus diesem Grund erscheint für viele Mieter:innen die weitere Verlängerung eines befristeten Mietverhältnisses für die aktuelle Wohnung in vielen Fällen als erstrebenswertes Ziel. Eine nicht geringe Zahl an Vermieter:innen bietet in solchen Fällen eine Verlängerung des Mietverhältnisses unter der Bedingung an, dass von den Mieter:innen eine zusätzliche Mietpreiserhöhung akzeptiert wird. Zusätzlich enthalten so gut wie alle privaten Mietverträge die übliche Wertsicherungsklausel. Es handelt sich dabei um eine „Mietkostenfalle“, die in Zeiten hoher Inflationsraten sehr oft zuschlägt. Wenig verwunderlich ist daher auch, dass befristete Mietverhältnisse die Wohnzufriedenheit deutlich nach unten drücken. Umso wichtiger ist es daher, Befristungen von Mietverhältnissen abzuschaffen und nur mehr in ganz besonderen Ausnahmefällen (nur für Privatpersonen bei Eigenbedarf) zuzulassen. Für alle gewerblichen und institutionellen Vermieter:innen müssen Befristungen gänzlich verboten werden.

Wirksamkeit der oberösterreichischen Wohnbeihilfe in Gefahr

Im Jahr 2022 wurde in Oberösterreich an insgesamt 23.265 Haushalte Wohnbeihilfe ausbezahlt, im Durchschnitt monatlich 186,98 Euro pro Haushalt. Gerade für Menschen mit geringem Einkommen ist der Bezug von Wohnbeihilfe ein unerlässlicher Beitrag zur Finanzierung des Grundbedürfnisses Wohnen. Der AK Wohnzufriedenheitsindex zeigt allerdings, dass nur 19 Prozent der Mieter:innen in dieser Zielgruppe eine Wohnbeihilfe beziehen. Ziel der Wohnbeihilfe soll die substanzielle Minderung des Wohnaufwandes sein, damit für Menschen mit niedrigem Einkommen leistbares Wohnen ermöglicht wird. Wir leben in Zeiten großer Mietpreissprünge und geradezu explodierender Wohnbetriebskosten, verursacht durch heftige Energiepreisschübe. Bei einem (fiktiv) angenommenen monatlichen Haushaltseinkommen von 1.350 Euro machen beispielsweise 186,98 Euro an Wohnbeihilfe anteilig gerade einmal 13,8 Prozent aus. In Zeiten, in denen die Inflationsrate seit Monaten im zweistelligen Bereich liegt, wird der allergrößte Teil der monatlichen Wohnbeihilfe bereits von der Inflation „aufgefressen“. Das Ziel der Wohnbeihilfe, leistbares Wohnen zu ermöglichen, ist damit nicht mehr gegeben. Das wird auch vom neuen Index untermauert: Gerade Menschen, die im Zusammenhang mit ihren Wohnkosten besonders auf Unterstützung angewiesen sind, sind deutlich unzufriedener. Eine fundamentale Erhöhung der monatlichen Wohnbeihilfe sowie eine deutliche Ausdehnung des Bezieher:innenkreises sind daher unausweichliche politische Konsequenzen.

Heizungsenergieträger beeinflusst Wohnzufriedenheit überdeutlich

Zu einem Brennpunktthema ist das Heizen von Wohnräumen sowohl durch den Klimawandel als auch durch die aktuell regelrecht explodierenden Energiepreise geworden. Faktum ist, dass Mieter:innen in aller Regel keinen Einfluss auf die Auswahl des Heizungssystems in ihrer Wohnung haben. Es liegt nicht bei den Mieter:innen zu entscheiden: „Von nun an soll Fernwärme oder Wärme aus der Wärmepumpe in meine Heizkörper fließen.“ Diese Macht liegt (in aller Regel) vielmehr bei den Vermieter:innen. Das Risiko überhöhter Heizkosten, welches durch ein unzeitgemäßes oder mittels fossiler Energieträger befeuertes Heizungssystem verursacht wird, liegt sehr wohl bei den Mieter:innen. Der AK Wohnzufriedenheitsindex hat in diesem Zusammenhang zutage gefördert, dass jene, die mit Erdgas heizen, besonders unzufrieden sind. Im krassen Gegensatz dazu ist die Zufriedenheit mit dem Energieträger besonders hoch bei Menschen, die mit Umweltwärme heizen (können). Ein tatsächlich wirksamer Wärmepreisdeckel ist daher ein Gebot der Stunde.

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Wohnzufriedenheit und ländlicher Raum

Liegt die Wohnung oder das Haus im ländlichen Raum, so hat das positive Auswirkungen auf die Einschätzung der Wohnumgebung. Zugleich zeigt sich jedoch eine geringere Zufriedenheit mit den infrastrukturellen Angeboten. Wichtig sind daher Investitionen in die ländliche Infrastruktur und in den öffentlichen Verkehr.

Private Mieter:innen mit Wohnpolitik unzufriedener

Menschen, die in privater Hauptmiete leben, sind mit der Wohnpolitik unzufriedener. Wer in privater Hauptmiete lebt, ist beispielweise häufiger von Mietpreiserhöhungen aufgrund der aktuell hohen Teuerung betroffen. Daher ist es dringend geboten, dass die Politik endlich handelt, indem Mieten nur einmal pro Jahr um maximal zwei Prozent angehoben werden dürfen.

Weitere Negativ-Faktoren für die Wohnzufriedenheit

Negativ auf die Wohnzufriedenheit wirken Faktoren wie Erwerbsarbeitslosigkeit, niedriges Einkommen sowie wenig Chancen darauf, mit dem Einkommen auszukommen. Ebenso deutlich nach unten gedrückt wird die Wohnzufriedenheit von Parametern wie einem hohen Anteil von Wohn- und Energiekosten am Haushaltseinkommen, einer geringen Wohnfläche, zur Miete zu wohnen, langen Anfahrtswegen zum Arbeitsplatz sowie einem hohen Anteil an Homeoffice. Auch die Anzahl der Personen im Haushalt wirkt auf die Wohnzufriedenheit: So weisen alleinstehende Personen einen geringeren Grad an Wohnzufriedenheit auf.

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